Tag Archives: Piraterie

Unser Urheberrecht ist veraltet und fehlerhaft. Interview mit Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei, promedia April 2012

Piratenpartei hält Online-Piraterie für unproblematisch

„Unser Urheberrecht ist veraltet und fehlerhaft“

Interview mit Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei

In einem promedia-Interview, bei dem die Fragen schriftlich beantwortet worden sind, legt Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei ausführlich die Position seiner Partei zu Fragen des Urheberrechtsschutzes im Internet dar. Kern dieser Überlegungen sind die Forderungen nach einem „Recht auf Privatkopie und eine Befreiung der Bildung von Vergütungsansprüchen.“ Dabei erweckt Nerz den Eindruck, das Recht auf Privatkopie sei abgeschafft worden, was aber nicht stimmt. Auch die in dem Interview genannten Beispiele für die Entwicklung des „Kulturgütermarktes“ entsprechen weder bei nicht den Tatsachen. Besonders pikant, dass Sebastian Nerz das illegale Streamen von Spielfilmen  als „nicht-kommerziellen Verbreitung“ bezeichnet.

Sebastian Nerz
Sebastian Nerz

promedia: Herr Nerz, die Piratenpartei lehnt das vorliegende ACTA-Abkommen ab. Warum?
Sebastian Nerz: Eines der grundlegenden Probleme bei ACTA ist, dass es im geheimen  verhandelt wurde. Bei den Verhandlungen wurden einerseits die  nationalen und supranationalen Parlamente außer Acht gelassen und andererseits nur Vertreter der großen Medienverwertungsgesellschaften zugelassen. Damit werden bspw. die Interessen von Künstlern und Konsumenten nicht beachtet, die erforderliche breite gesellschaftliche Debatte wird nicht geführt. Gleichzeitig ist das Abkommen schwammig und unsauber formuliert, es erzeugt Rechtsunsicherheit und erzeugt Missbrauchsmöglichkeiten. Dazu schreibt es ein fehlerhaftes Urheberrecht fest. Nicht zuletzt bringt das ACTA-Abkommen humanitäre Probleme mit sich. Durch Bestimmungen zum Patent- und Markenrecht wird die Welthunger-Problematik verschärft und Entwicklungsländern der Zugang zu
lebensrettender Medizin erheblich erschwert.

promedia: In der aktuellen Version ist keine Rede mehr von Netzsperren, Überwachung des Datenverkehrs und gar einem Internetverbot für Nutzer. Woraus resultiert Ihre Sorge?
Sebastian Nerz: Es bietet Missbrauchsmöglichkeiten. Auch sind Erweiterungen nicht ausgeschlossen – die beteiligten Unternehmen haben bereits sehr deutlich gemacht, dass sie ein großes Interesse daran hätten, Netzsperren wieder aufzunehmen. Unter der Überschrift „Kapitel II, Rechtsrahmen für die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“ führt ACTA in § 8 Abs. 1 aus: „Jede Continue reading Unser Urheberrecht ist veraltet und fehlerhaft. Interview mit Sebastian Nerz, Vorsitzender der Piratenpartei, promedia April 2012

Constantin Film macht mit kreativer Kampagne auf Online-Piraterie aufmerksam, Interview mit Martin Moszkowicz, Vorstand Constantin Film AG

Constantin Film macht mit kreativer Kampagne auf Online-Piraterie aufmerksam

„3D alleine ist kein Kriterium für einen Kinobesucher“

Interview mit Martin Moszkowicz, Vorstand des Bereiches Film & Fernsehen der Constantin Film AG

Nach dem Besucherminus in 2010 haben die Kinos 2011 nach vorläufigen Schätzungen wieder steigende Zahlen verbucht: 130 Millionen Besucher und etwa 930 Millionen Euro Umsatz.

2010 war die Zahl der Besucher im Vergleich zum Vorjahr um 13,5 Prozent auf 126,6 Millionen gesunken. Der Umsatz ging um 5,7 Prozent auf 920,4 Millionen Euro zurück. Der deutsche Film erreichte mit 20,9 Millionen Besuchern und einem Marktanteil von 16,8 Prozent nur rund die Hälfte seiner Besucher aus dem Vorjahr. Für 2011 wird er. Leicht ansteigend, auf 20 Prozent geschätzt.

Martin Moszkowicz, Vorstand Film und Fernsehen Constantin Film AG

promedia: Herr Moszkowicz, auf Onlinetauschbörsen soll es den Constantin-Film „Blutzbrüdaz“ geben, der von Ihnen selbst hochgeladen worden sei. Was ist an dieser Sache dran?

Martin Moszkowicz: Sie stimmt so nicht. Wir haben in Zusammenarbeit mit Scholz & Friends eine etwas andere Art des Schutzes vor Online-Piraterie ausprobiert. Wir haben einen Decoy, ein Video das aussieht, als ob es ein der Film wäre, es aber nicht ist, hochgeladen. Es handelt sich um die ersten paar Minuten des Films, die aber darin münden, dass die beiden Hauptdarsteller den Downloader direkt ansprechen und ihm die Leviten lesen, warum er sich diesen Film nicht im Kino anschaut. Dieses Experiment hat zu vielen Reaktionen im Netz geführt. Wir sehen das mit einem zwinkernden Auge. Unsere Aktion ist auf Seiten, die der Piraterieszene nahestehen, durchaus  positiv aufgenommen worden. Das Ganze hat gut funktioniert und der Film ist übrigens bis heute nicht im Netz erschienen – nicht unbedingt nur wegen dieser Maßnahme, aber vielleicht hat sie dazu beigetragen.

promedia: Werden Sie das jetzt bei weiteren Filmstarts auch anwenden?
Martin Moszkowicz: Wir wollen gerne verschiedene Wege in der Piraterie-Bekämpfung gehen. Das war eine Idee, die wir umgesetzt haben. Aber ich will nicht ausschließen, dass wir weitere neue Ideen ausprobieren werden. Continue reading Constantin Film macht mit kreativer Kampagne auf Online-Piraterie aufmerksam, Interview mit Martin Moszkowicz, Vorstand Constantin Film AG

Urheberrecht zwischen deutschen Vorstellungen und Brüsseler Visionen, Dr. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender GEMA in der promedia, Januar 2012

Urheberrecht zwischen deutschen Vorstellungen und Brüsseler Visionen

Geistiges Eigentum braucht europäische Spielregeln

Von Dr. Harald Heker, Vorsitzender des Vorstands der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte)

Harald Heker, GEMA
Harald Heker, GEMA

Die Möglichkeiten des Internets haben die Nutzungsumstände geistigen Eigentums rasant verändert. Doch die Nutzung digitaler Inhalte geht noch immer viel zu oft auf Kosten der Urheber – derjenigen also, die mit ihrer kreativen Leistung Attraktivität im Netz erst schaffen. Besondere Herausforderungen – hauptsächlich, aber nicht nur im Online-Sektor – ergeben sich mehr und mehr auch im Bereich der grenzüberschreitenden europäischen Rechtewahrnehmung. Es ist daher unerlässlich, im Umgang mit geistigem Eigentum neue rechtliche Spielregeln aufzustellen. Denn ein wirksamer Urheberschutz, der künstlerische Freiheit sichert und kulturelle Vielfalt garantiert, darf auch im digitalen Zeitalter nicht auf der Strecke bleiben. Bei der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen sind die GEMA und ihre Partner in der europäischen Politik gefragt.

Ein europäischer Rechtsrahmen für Verwertungsgesellschaften

Speziell im Online-Bereich haben Verwertungsgesellschaften zunehmend mit international agierenden Nutzern und grenzüberschreitenden Nutzungen zu tun. Die Schaffung neuer Kooperationsformen zwischen den Verwertungsgesellschaften einerseits und eines verlässlichen Rechtsrahmens für deren grenzüberschreitende Tätigkeiten andererseits sind daher dringend erforderlich. Die GEMA hat bereits Anfang 2010 gemeinsam mit sieben europäischen Schwestergesellschaften gefordert, die Grundzüge des Wahrnehmungsrechts in einer EU-Richtlinie zu harmonisieren, um gleiche Spielregeln für alle Verwertungsgesellschaften zu schaffen. Denn wenn alle nach den gleichen Regeln handeln, verfügt die GEMA über beste Voraussetzungen, um ihre Stärken auch bei der grenzüberschreitenden Rechtewahrnehmung einzubringen. Continue reading Urheberrecht zwischen deutschen Vorstellungen und Brüsseler Visionen, Dr. Harald Heker, Vorstandsvorsitzender GEMA in der promedia, Januar 2012

Kulturstaatsminister will die Providerhaftung modernisieren, Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann in der promedia Dezember/2011

„Ich scheue keine Hürden und Widerstände“

Von Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien

Was manche mit einem verharmlosenden Unterton als „Internetpiraterie“ bezeichnen, betrifft im Kern das Schicksal von hunderttausenden Kreativen! Als Staatsminister für Kultur und Medien ist es meine Aufgabe, die Rahmenbedingungen für das kreative und künstlerische Schaffen mitzugestalten. Ich verstehe mich ganz klar als Anwalt der Kreativen! Aus diesem Grund habe ich mich schon vor fast einem Jahr mit meinem Zwölf-Punkte-Papier „Ohne Urheber keine kulturelle Vielfalt“ öffentlich positioniert. Für dieses Papier habe ich viel Zuspruch und manche Kritik erfahren. Mir ist aber wichtig, dass ich für die Urheber, Verbesserungen anstoßen kann.

Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien
Bernd Neumann, Staatsminister für Kultur und Medien

Die zentrale Aussage des Papiers lautet: Der Urheber bleibt Ausgangspunkt des Urheberrechts. Viele betrachten das Urheberrecht als ein Instrument von gestern, aus der analogen Welt. Geht es nach dieser Meinung, soll in der digitalen Welt die Verfügbarkeit für den Netznutzer im Mittelpunkt stehen. Ich setze mich gegen Versuche ein, das Urheberrecht zu schwächen oder in ein Nutzerrecht umzudeuten. Es gibt Ansätze aus dem politischen Raum, die gerade das wollen. Richtig ist sicher, dass das weltweite Netz Zugangsmöglichkeiten revolutioniert. Das sollten wir auch nutzen und tun es mit dem Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek. Aber: Das darf nicht auf Kosten derjenigen erfolgen, die kreative Werte schaffen, die überhaupt erst den Inhalt produzieren, der das Netz attraktiv macht. Solchen Bestrebungen müssen wir entgegenhalten: Ein wirksames Urheberrecht ist unverzichtbare Voraussetzung für das kulturelle Schaffen, das Urheberrecht sichert künstlerische Freiheit und ist Garant für kulturelle Vielfalt. Ich möchte in diesem Kontext auch gerne einmal klarstellen. Soweit die Netzaktivisten anmahnen, dass auch im Internet Grund- und Menschenrechte der Nutzer zu beachten sind, haben sie natürlich recht. Niemand bestreitet dies! Aber, und nur so wird das Bild komplett, auch das Urheberrecht ist Grund-und Menschenrecht. So heißt es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen“. Continue reading Kulturstaatsminister will die Providerhaftung modernisieren, Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann in der promedia Dezember/2011

Wir sind ein sehr interessanter Sparringspartner. Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie e. V. im Gespräch mit promedia

In einem promedia-Gespräch appelliert der neue Geschäftsführer des Bundesverbandes der Musikindustrie, eingedenk eigener, schlechter Erfahrungen an andere Kreativbranchen, „darauf zu achten, früh genug ihre Rechte konsequent wahrzunehmen und damit eben auch zu schützen, sowie natürlich entsprechende Angebote für Verbraucher zu schaffen.“ Trotz deutlicher Zuwächse bei bezahlten Downloads um 40 Prozent im 1. Halbjahr 2010, ist das Ausmaß der Piraterie noch immer erschreckend: Auf einen legal erworbenen Song kommen immer noch rund fünf bis sechs illegale Downloads. Allein im letzten Jahr sind 258 Millionen Files aus illegalen Tauschbörsen und One-Click-Hostern heruntergeladen worden.

Dr. Florian Drücke
Dr. Florian Drücke

promedia: Herr Drücke, die Zeitschriftenverleger haben jüngst festgestellt: „Print is back!“ Können Sie auch sagen: „CD is back“?
Florian Drücke: Die CD ist noch nie weg gewesen, auch wenn manche seit Langem tönen, sie sei bereits tot. Die CD ist im Vergleich zu Print nicht wieder da, sie ist noch immer da und macht rund 80 Prozent des Gesamtumsatzes in Deutschland aus. Das macht uns in Deutschland, im Vergleich zu anderen europäischen und internationalen Märkten, derzeit stark.

promedia: Welche Musik wird auf CD noch gekauft?
Florian Drücke: In diesem Kontext ist das eine sehr spannende Frage: Die Musikindustrie veröffentlicht das gesamte Repertoire auf CD. Jeder bekommt die Musik die er persönlich bevorzugt nach wie vor auf CD. Man kann aber sicherlich sagen, dass  Musik, die ältere Zielgruppen anspricht (Klassik, Jazz, Volksmusik und Schlager), prozentual mehr über die CD verkauft wird als über den Download. Hingegen werden tendenziell Pop und Rock sowie Dance in der jüngeren Zielgruppe vermehrt über Download gekauft.

promedia: Worauf führen Sie zurück, dass die Mehrzahl noch immer Anhänger der CD ist?
Florian Drücke: Wir scheinen mit Deutschland ein besonderes Umfeld zu haben, in dem das haptische Erlebnis besonders hoch geschätzt wird und in dem der Sammelaspekt, die Musik im Regal zu haben und darauf zugreifen zu Continue reading Wir sind ein sehr interessanter Sparringspartner. Dr. Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie e. V. im Gespräch mit promedia

Google verschenkt in China Musik

Screenshot Musiksuchdienst Google.cn
Screenshot Musiksuchdienst Google.cn

Lohnt sich Raubkopieren doch? Und hat es in Europa einfach nur noch keiner gemerkt? Denn seit Ende März bietet die chinesische Version von Google kostenlose Musikdownloads an. Völlig legal. Die anfangs verfügbaren 35.000 Musiktitel sollen in den nächsten Monaten auf 1,1 Millionen Tracks steigen. Über 140 Musiklabels stellen Musik aus ihrem Repertoire zur Verfügung. Und man höre und staune: auch die vier Majorlabels Warner, Universal, EMI und Sony sind dabei.

Wie konnte es Google gelingen, die „Big Four“ der Musikindustrie für den quasi kostenlosen Musikvertrieb zu gewinnen? Die Antwort ist einfach: Die Aussicht auf (Werbe-)umsätze. Denn finanziert wird der neue Dienst schlicht über klassische Google-Ads auf den Download-Seiten. Die Erlöse teilt sich Google mit den jeweiligen Musiklabels und einem Dienstleister.

Die Motive für diese Vernunftehe sind vielschichtig. Laut Musikverband IFPI sind 99% aller Musikdownloads in China illegal. Die Labels konnten also bislang praktisch keinen einzigen Yuan in China verdienen. Hinzu kommt, dass Google mit 17% Anteil  am Suchmaschinenmarkt sicher nicht den Platzhirsch darstellt. Das ist – mit weitem Abstand – Baidu.cn. Das Problem: Baidu bietet bereits seit langem einen speziellen Musiksuch-Service. Und wer dort bei einem Titel seiner Wahl auf die rechte Maustaste klickt, kann den Track einfach speichern. Zwar völlig illegal, aber dennoch allseits gern von derzeit rund 300 Millionen Internetnutzern in China praktiziert.

Laut Google verwenden 84% der chinesischen Internetnutzer Suchmaschinen vor allem für die Suche nach Musik. Der Erfolg von Baidu lässt sich auch auf diese Musiksuche-Funktion zurückzuführen. Googles Allianz will also dem Rivalen Baidu durch das legale, kostenfreie, komfortablere Musikangebot Marktanteile in China abjagen. Und die Musiklabels hoffen, auf dem Rücken von Google und dessen Werbeerlösen endlich auch in China mit Musik Geld zu verdienen.

Es geht also doch, quasi „kostenlos“ attraktive Inhalte im Internet zu offerieren. – Wenn nur der Raubkopierdruck groß genug ist. Spannend wird die Frage sein, wie lange angesichts solcher Strukturen Europäer und Amerikaner weiter motiviert sind, 99 Cent pro Track zu bezahlen.

Autoren:
Dr. Klaus Goldhammer (Geschäftsführer Goldmedia GmbH),
Marcel Piopiunik (Consultant Goldmedia GmbH).

Weitere Informationen: http://www.goldmedia.com/aktuelles.html