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Axel Springer setzt alles auf die digitale Karte. Kommentar von Oliver Numrich

Oliver Numrich, Geschäftsführer Goldmedia
Oliver Numrich, Geschäftsführer Goldmedia

Mit dem Verkauf eines Pakets populärer Zeitungs- und Zeitschriftentitel, darunter Flagschiffe wie “Hörzu”, “Bild der Frau”, “Hamburger Abendblatt” und “Berliner Morgenpost”, für 920 Mio. Euro an die Funke-Mediengruppe setzt Axel-Springers Vorstandschef Matthias Döpfner alles auf eine Karte: Die Zukunft des Medienkonzerns wird digital und international sein. Es ist ein mutiger, ein konsequenter Schritt, als Unternehmer muss man etwas wagen und man muss es mit voller Überzeugung tun. Überraschen kann es eigentlich nicht, denn immerhin hatte Matthias Döpfner ihn bereits zur Veröffentlichung des ersten Quartalsberichts 2013 angekündigt (“die digitale Transformation beschleunigen”) und mit dem Verkauf von Printbeteiligungen wie an der “Märkischen Allgemeinen” oder der “FrankfurterRundschau”-Druckerei bereits umgesetzt.

Einige Beobachter wundern sich über den Verkauf der Topmarken, manche Mitarbeiter kritisieren einen “Ausverkauf”, doch Springer muss sich fit machen für zukunftsträchtigere Märkte und dazu ein attraktives Bündel zum Verkauf schnüren, um einen guten Preis zu erzielen. Man konnte nicht nur  Tageszeitungstitel mit permanent sinkenden Auflagen (“Morgenpost” -2%, “Abendblatt” -4%)  abgeben, sondern musste Brands wie “Hörzu” und “Funk Uhr” draufpacken, die 2012 bei einem Umsatz von rund 512 Mio. Euro fast 95 Mio. Euro und damit satte 20% Gewinn abwarfen. Insofern ist auch die Trennung von diesen Traditionsmarken, die eng mit Springer verbunden sind, nur Ausdruck von Ernsthaftigkeit und Konsequenz in der Umstellung des Geschäftsmodells. Die unausweichlichen und unangenehmen Schrumpfungsprozesse müssen jetzt die Funke-Manager durchführen. Continue reading Axel Springer setzt alles auf die digitale Karte. Kommentar von Oliver Numrich

Mobile Publishing als Zukunftsweg?

Die Auflagenzahlen der Printmedien sprechen eine deutliche Sprache: Seit 2000 verloren die Publikumszeitschriften laut IVW 7 Prozent ihrer Auflage. Tages- und Wochenzeitungen büßten im selben Zeitraum 18 Prozent ein und Fachzeitschriften verloren sogar über 20 Prozent. Tendenz: weiter stark fallend. Ein Ende der Krise der Printmedien ist derzeit nicht in Sicht.

Dr. Klaus Goldhammer
Dr. Klaus Goldhammer

Entsprechend lang ist die Liste der Print-Titel, die der Marktsituation bereits zum Opfer gefallen sind. Vanity Fair, Amica, Park Avenue, Yam, Tomorrow oder Maxim sind nur einige der Titel, die seit 2008 in Deutschland eingestellt worden sind. In den USA weitet sich dieser Trend bereits stark auf die Tageszeitungen aus: Wenn es den Eignern des „San Francisco Chronicle“ nicht gelingt, das Blatt aus der angespannten wirtschaftlichen Lage zu manövrieren, droht die Stadt zur ersten US-Großstadt ohne Abonnement-Zeitung zu werden. Das könnte bald auch in Deutschland der Fall sein.

Trotzdem gelingt es auch einigen Titeln, unter diesen erschwerten Rahmenbedingungen gegen den Trend zu wachsen. Die Druckauflage der ZEIT etwa stieg von Anfang 2000 bis Anfang 2009 um 13 Prozent. Die Gala schaffte zumindest bis Mitte 2008 gegenüber dem Jahr 2000 einen Zuwachs von 19 Prozent. Auch die Süddeutsche Zeitung erzielte mitten in der Krise Rekordauflagen. Gründe dafür liegen sicher auch darin, dass einige der erfolgreichen Verlage für ihre starken Marken ganz bewusst vorher nicht erschlossene Vertriebswege nutzten. Der allgemeine Negativtrend aber bleibt bestehen.

Was sind die Hintergründe dieser Krise? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Verbreitung von Online-Medien und die zunehmende Akzeptanz insbesondere von Breitband-Internet sich parallel zu den Auflagenrückgängen der Printmedien vollziehen. Online-Medien und Printprodukte stehen offenbar in einer direkten Substitutionsbeziehung zueinander.

Doch nicht nur das Internet stellt die Verlage vor neue Herausforderungen – in naher Zukunft werden auch mobile Endgeräte zur allgemeinen und stets verfügbaren Abspielstation für Informationen jeder Art werden. Noch sind die Prozessoren der Mobiltelefone zu langsam, noch braucht der Seitenaufbau im mobilen Internet eine gefühlte Ewigkeit. Auch die Speicherkapazität eines Durchschnittsgerätes kann selbst mit den neuesten Speicherkarten schnell ausgeschöpft sein. Aber wenn die „Digitalen Gesetze der Informationswirtschaft“ stimmen, wenn sich also Rechenleistung, Speicherkapazität und Bandbreiten alle 12 oder 18 Monate verdoppeln, dann gehören diese Probleme bald der Vergangenheit an. Mobilfunk liegt in seiner Leistungsfähigkeit im Vergleich zur Bandbreite des Festnetzes konstant um rund 10 Jahre zurück. Anders ausgedrückt: Was heute im Festnetz-Internet möglich ist, wird in spätestens zehn Jahren auch im Mobilfunk möglich sein.

Diese Entwicklung eröffnet den Verlagen erhebliche Chancen. Über das Mobiltelefon sind bisher kaum erschlossene Nutzergruppen in praktisch jeder Lebenssituation erreichbar. Einer Studie unter 50 Tsd. Chinesen im Jahr 2008 etwa zufolge, hatten rund 90 Prozent der Befragten ihr Mobiltelefon nicht weiter als maximal einen Meter von sich entfernt, 24 Stunden pro Tag.

Hinzukommt, dass sich mobile Endgeräte rasend schnell in der deutschen Bevölkerung verbreitet haben. Lag die Mobilfunkpenetration Ende 1992 noch bei rund einem Prozent der Bevölkerung, so wurde Ende 2008 mit mehr als 130 Prozent Penetration eine der höchsten Durchdringungen in Europa gemessen. Dieser hohe Wert ergibt sich vor allem durch Zweit- und Drittgeräte, die bspw. beruflich genutzt werden. Somit ist heute quasi jeder mit dem Mobiltelefon erreichbar.

Mobile Publishing als Zukunftsweg?
Mobile Publishing als Zukunftsweg?

Um ihre Leser in Zukunft zu halten, werden die Verlage mittelfristig gezwungen sein, auf alternative Produkte und Verbreitungswege – darunter vor allem Mobile Publishing – auszuweichen. Das erfordern aber keineswegs allein die sinkenden Auflagenzahlen, sondern vor allem die sich wandelnde Mediennutzung. Insbesondere bei der Zeitungslektüre ändern sich die Gewohnheiten aus der Jugend mit dem Älterwerden praktisch nicht mehr (Kohortentheorie). Ein einfaches Zahlenbeispiel macht deutlich, wohin die Reise geht: Nach Analysen der AWA lasen 71 Prozent der 14-19jährigen 1984 täglich eine Zeitung. 20 Jahre später fällt diese Gruppe in den Bereich der 30-39jährigen, die auch im Jahr 2004 noch zu exakt 71 Prozent täglich Zeitung lasen. Dagegen nutzten nur 60 Prozent der 14-19jährigen im Jahr 1994 täglich eine Zeitung. Zehn Jahre später tat dies die entsprechend gealterte Zielgruppe (20-29jährige) immer noch. 2004 lasen nur noch rund 50 Prozent der 14-19jährigen pro Tag Zeitung und man muss kein Prophet sein, wie diese Altersgruppe sich 2014 verhalten wird.

Wer heute also keine Zeitung mehr liest, wird dies auch in zehn oder in zwanzig Jahren nicht tun. Wenn ein Verlag junge Zielgruppen über das klassische Produkt nicht erreicht, wird sich hieran auch in den nächsten Jahren nicht viel ändern.

Die Vorzeichen stehen schlecht für die Printmedien und vor allem für die Tageszeitungen: In einer Erhebung analysierte die ACTA 2008 die Nutzungen von Zeitung und Internet in den jeweiligen Altersclustern. Während hier drei Viertel der 60-64jährigen „Leser gestern“ sind und nur ein Fünftel derselben Zielgruppe täglich das Internet nutzt, ist dieses Verhältnis in jüngeren Altersclustern genau umgekehrt: Nur 15 Prozent der 14-19jährigen lasen nach ACTA-Angaben am Vortag Zeitung (Leser gestern) und fast 60 Prozent nutzen dagegen täglich das Internet. Zeitung lesen ist bei den Jüngeren inzwischen praktisch out! Stimmt die Kohortentheorie, dann wird dies in wenigen Jahren die gesamte Printbranche noch viel stärker als heute zum Umdenken zwingen.

Doch was hier so dramatisch und problematisch klingt, kann auch eine große Chance sein. Für die modernen Nutzer von Informationsgütern wird es zunehmend wichtiger, alle erdenklichen Angebote zu jedem Zeitpunkt, an jedem Ort und in jeder möglichen Form (bspw. digital und analog) abzurufen. Dieses „A3-Prinzip“ (Anything, Anyhow, Anytime) kann kein anderer digitaler Distributionsweg vergleichbar gut erfüllen wie das Mobiltelefon. Mobile Publishing kann also eine von diversen Lösungsformen sein, um Verlagen den Weg aus der Krise zu ebnen.

Informationen aus nur einer Quelle zu beziehen, ist ohnehin  veraltet. Schließlich steht heute jedem eine kaum überschaubare Vielzahl verschiedener Informationen zur Verfügung. Umso wichtiger werden Geschäftsmodelle, welche die Inhalte aggregieren und aus der Informationsflut und dem Datenchaos herausfiltern. Dies trifft in Zukunft insbesondere auch auf den Mobile-Bereich zu.

Noch steckt die Umsetzung von Mobile Publishing freilich in den Kinderschuhen. Erste onlinebasierte oder Mobile-Publishing-Versuche gibt es aber bereits. Buchverlage binden Buchbesprechungen als Videos online und mobil auf e-Commerce-Portalen ein. Buchtrailer werden zum Marketingtool. Mit Amazon steigt ein wichtiger Player in den Markt für eBooks ein. Google würde am liebsten auch alle Neuerscheinungen sofort und digitalisiert in die eigene Datenbank aufnehmen. Online-Ergänzungen der Printtitel sind längst schon weit verbreitet und könnten auch auf den mobilen Sektor ausgedehnt werden. Und auch die mobile Werbung wächst stark: Nach einer Goldmedia-Prognose wurden 2008 rund 100 Mio. Euro mobile Netto-Werbeerlöse in Deutschland erzielt. Bis 2012 dürften sich diese Umsätze verdreifachen.

Mobile Publishing wird für die Verlage immer wichtiger: Mit ihren klassischen Produkten allein würden sie auf einen mittelfristig schrumpfenden Kanal setzen. Die Zielgruppen von morgen brechen den Printmedien schon heute weg. Wer sie doch noch erreichen will, muss seine Produkte schnell und konsequent auf das „A3-Konzept“ (Anyhow, Anywhere, Anytime) ausrichten und Informationsgüter in jeder erdenklichen Form, zu jeder möglichen Zeit und an jedem beliebigen Ort anbieten. Wenn entsprechend der digitalen Gesetze der Informationswirtschaft in wenigen Jahren die mobilen Infrastrukturen so weit entwickelt sein werden, wie heute das Festnetz-Internet, ist Mobile Publishing eine echte Option. In jedem Fall müssen Verlage alle neuen Vertriebswege integrieren, um die Leser von Morgen an ihr Produkt und ihre Marke zu binden.

GRAFIK: Indizierte Auflagenentwicklung von Tageszeitung, Zeitschriften und ausgewählte Titel (Zeit, Gala) nach IVW

Autor:
Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia GmbH

Weitere Informationen zu Goldmedia: http://www.goldmedia.com/aktuelles.html

Das gedruckte Wort im digitalen Zeitalter: Gefahren und Chancen

Von Dagny Kleber – Promedia Redaktion / Promedia Ausgabe 05/2009

Mobile Reader – Für Buchverlage ein Alptraum, für Zeitungsverlage ein

Hoffnungsträger Neuer eBook-Reader von Amazon soll auch für Tageszeitungen geeignet sein

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Mehr als sieben Millionen Bücher hat Google bisher gescannt, digitalisiert und zur Volltextsuche freigegeben.

Die Digitalisierung von Inhalten und deren schier unbegrenzte Verbreitung und Verfügbarkeit im Internet entfacht immer wieder heftige Diskussion um den Missbrauch dieser Inhalte bzw. die Verletzung von Urheberrechten in der digitalen Welt.

Die Angst vor illegalen Downloads und grenzenloser Nutzung von geistigem Eigentum beschäftigt nicht nur die Musik- und Filmbranche, sondern auch die des gedruckten Wortes.

Manifestiert hat sich diese Befürchtung unter anderem im Aufruf „Für Publikationsfreiheit und die Wahrung des Urheberrechts” des Heidelberger Philologen und Professors für neuere deutsche Literaturwissenschaft, Roland Reuß.

Appell gegen Urheberrechtsverletzung

In dem so genannten „Heidelberger Appell”, der zahlreiche prominente Unterzeichner fand, darunter Autoren wie Hans Magnus Enzensberger, Daniel Kehlmann, Günther Grass oder den ZEIT-Herausgeber Michael Naumann, forderte Reuß dazu auf, das „verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation” zu schützen.

Massiv bedroht sehen die Unterzeichner des Appells das Urheberrecht sowie die Presse- und Publikationsfreiheit nicht nur durch die akademische Open-Access-Bewegung, die unter anderem von der „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen” (Mitglieder: Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Leibniz-Gesellschaft, Max Planck-Institute u. a.) unterstützt wird, sondern vor allem durch die Massendigitalisierungsaktivitäten von Google, die einer Enteignung gleichkomme. Kürzlich kündigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann an, auf europäischer Ebene gegen die Aktionen von Google vorzugehen.

„Wissen der Welt” von Google

Im Dezember 2004 begann der Suchmaschinenanbieter unter dem Namen „Google Library Project” (Buchsuche-Bibliotheksprogramm) komplette Bestände amerikanischer Universitäts- und öffentlicher Bibliotheken zu scannen. Mittels des Buchsuchprogramms „Google Books” werden die digitalisierten Schriften verfügbar gemacht und zur Volltextsuche freigegeben.

Mittlerweile wurden so in den USA über sieben Millionen Bücher gescannt – darunter auch Zehntausende von Büchern deutscher Verlage. Google kommt damit seinem Vorhaben, das „Wissen der Welt” zu digitalisieren, einen großen Schritt näher. Das Google- Bibliotheksprogramm soll nach eigenen Angaben des Unternehmens, „Nutzern bei der Suche relevanter Bücher helfen – besonders bei solchen Büchern, die sie über andere Wege nicht finden würden, wie beispielsweise vergriffene Bücher”.

Problematisch an dieser Massendigitalisierung ist jedoch, dass auch urheberrechtlich geschützte Werke davon betroffen sind. Google zeigt seinen Usern kurze Ausschnitte der Bücher („snippets”) an, ohne dass die Berechtigten zuvor zugestimmt haben. Während Google dies als ein nach USUrheberrecht zulässigen „fair use” betrachtete, handelte es sich dagegen für die amerikanische Authors Guild, die Association of American Publishers (APA) sowie einzelne Autoren und Verlage um eine Verletzung des Urheberrechts und sie strengten im Herbst 2005 eine so genannte Class Action an. Die Ergebnisse dieser dem deutschen Zivilrecht unbekannten Verfahrensart gelten nicht nur für die beteiligten Streitparteien, sondern für eine ganze Klasse von Akteuren, in diesem Fall also auch nichtamerikanische Autoren und Verleger, deren Bücher in den USA erhältlich sind.

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Der Txtr Reader aus deutscher Entwicklung von Wizpak Ltd. soll im Oktober zur Buchmesse auf den Markt kommen.

Deutsche Verleger müssen sich bis September entscheiden

Im Oktober 2008 endete das Class-Action- Verfahren mit einem Vergleich, dem so genannten Google Books Settlement, der nach seiner endgültigen Genehmigung (Approval) vom zuständigen New Yorker Gericht im Oktober auch für deutsche Verlage und Rechteinhaber in Kraft tritt, sofern sie nicht bis zum 4. September 2009 von ihrem Recht auszutreten Gebrauch machen („optingout”) und eigene Vereinbarungen mit dem Unternehmen treffen. Google erhält nach dem Vergleich weitreichende Zugeständnisse und Nutzungsrechte an vergriffenen Büchern, sofern deren Copyrightinhaber ihren Titel nicht vollständig herausgenommen haben und kann etwa Online-Zugriffe auf komplette Inhalte einzelner Bücher an Einzelkunden verkaufen.

37 Prozent der erzielten Erlöse bleiben bei Google, die übrigen 63 Prozent werden an den Rechteinhaber ausgeschüttet. Für die bereits gescannten über sieben Mio. Werke zahlt das Unternehmen 60 US$ pro Buch als eine Art Schadenersatz an den Rechteinhaber, aber stellt insgesamt nur 45 Mio. US$ dafür zur Verfügung. Diese Vergütungsansprüche entfallen, wenn der Copyrightinhaber vom optingout Gebrauch macht. Voraussetzung für die genannten Zahlungen ist eine Registrierung eines jeden Rechteinhabers bei der neu zu gründenden Book Rights Registry, eine Art Abrechnungsdatenbank und Verwertungsgesellschaft in einem.

Kritik aus Deutschland

In Deutschland wird dieser Vergleich sehr kritisch gesehen. Dass ein Urheber sein Recht erst geltend machen kann, nachdem er sich registriert hat, widerspricht für den Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Christian Sprang, einem wichtigen Prinzip des Urheberrechts, das eigentlich einen automatischen Schutz des Schöpfungsaktes vorsieht. Daneben gibt es noch andere Gründe für Sprang und den Börsenverein, den Vergleichsvorschlag abzulehnen. Äußerst kritikwürdig sei, dass Google urheberrechtlich geschützte vergriffene Werke ohne vorherige Genehmigung des Autors nutzen darf. Stattdessen müsse der Urheber unerwünschten Nutzungen seiner Werke hinterher laufen, um sie zu verhindern. Dass Google lediglich 45US$ Mio. und nicht 360 Mio. US$ für bereits gescannte Bücher bereitstellt, zeige, dass das Unternehmen damit rechnet, dass nicht jeder Berechtigte – vor allem europäische Autoren – von der Nutzung seines Werkes erfahre und somit sein Buch gar nicht registrieren lasse.

Insgesamt fürchten Sprang und der Börsenverein, dass „Google auf zukunftswichtigen Gebieten des weltweiten Buchmarkts eine monopolartige Stellung” erreicht, wodurch die kulturelle Vielfalt ebenso wie die wirtschaftliche Existenz von kleinen und mittleren Unternehmen bedroht sei. Daher wird der Börsenverein seine Einwände gegen den Vergleich („Objections”) innerhalb der bis zum 4. September verlängerten Frist einbringen. Genehmigt das Gericht den Vergleich, „greift die VG Wort ein und wird kollektiv die Rechte deutscher Autoren in der Weise wahrnehmen, dass sie die deutschen Bücher wieder aus dem Settlement entfernt werden (Removal)”, erklärt Sprang.

Die Vorteile der Digitalisierung bestehen für Sprang darin, dass vergriffene Werke, „die der Verlag selbst nicht bewirtschaftet, plötzlich wieder ein neues kommerzielles Leben bekommen” oder dass schwer zugängliche Bücher für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich werden. Sprang sieht in der Digitalisierung neben den Risiken der illegalen Kopie und Verbreitung durch Raubkopierer auch „die Chance für die Rechteinhaber, Autoren und Verleger von Büchern zusätzliche Nutzungen zu stimulieren und Einnahmen zu generieren”.

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Das Lesegerät von Amazon KindleDX Frontx525 soll auch für Zeitungen taugen.

Neue Lesegeräte auch für Zeiungen

Doch nicht nur Google verspricht sich ein lukratives Geschäft mit elektronischen Büchern, sondern auch Amazon und Sony, die in den letzten Monaten neue Lesegeräte für eBooks auf den Markt gebracht haben. Künftig sollen diese eBooks, natürlich kostenpflichtig, aus dem Internet geladen und auf den Readern gelesen werden können. Was für die Buchverlage gegenwärtig noch ein Alptraum ist, könnte für Zeitungen zu einem Hoffnungsträger werden.

Nach der Präsentation des neuen eBook-Readers „Kindle DX” im A-4-Format von Amazon Anfang Mai 2009, steigt vor allem in der amerikanischen Zeitungsbranche die Hoffnung auf einen weiteren Vertriebsweg für kostenpflichtige Abos. Obwohl derartige Geräte in Deutschland nur vereinzelt auftauchen, „beobachtet die deutschsprachige Verlagslandschaft natürlich die Entwicklung”, sagt Ulrik Deichsel, Head of Business Development bei Wizpak Ltd. Ein Produkt des Starup-Unternehmens ist der so genannte Txtr Reader, der zur Frankfurter Buchmesse im Oktober auf den Markt kommen soll.

Das Gerät eignet sich mit seinem 6-Zoll-Display vor allem zum Lesen von digitalen Büchern oder Texten. Die Abbildung ganzer Zeitungen ist noch nicht geplant, wobei News für Deichsel grundsätzlich sehr sinnvoll auf dem mobilen Reader sind. Hier müssten die Zeitungen jedoch erst ein neues Format entwickeln, so Deichsel.

Mobile Reader auch aus Deutschland

Deichsel und seine Kollegen sind sich der Konkurrenz zu den mächtigen Medienunternehmen wie Sony und Amazon sehr wohl bewusst. Allerdings sehen sie sich damit in ihrer Geschäftsidee bestätigt und sind dankbar, „dass Amazon für uns den Markt eröffnet hat”. Bei einem Preiskrieg oder einer Werbeschlacht seitens Sony oder Amazon hätten sie zwar sicherlich die schlechteren Karten, aber da hilft die Überzeugung, mit dem Txtr Reader das bessere Gerät anzubieten.

Als wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Gerätes hebt Deichsel die schnelle und flüssige Bedienbarkeit hervor. Ein weiterer Vorteil ist die Verbindungsmöglichkeit mit dem Mobilfunk, die einen PC bzw. das Installieren einer Software obsolet macht. Die Folgen der eBook-Entwicklung für die Buchbranche stellen sich nach Deichsels Meinung unterschiedlich dar. Während sich für den Autor zunächst wenig ändere, werde es für Verlage schwieriger, sich zu behaupten.

Im Internet bilde sich um den Autor eine Attention Economy. Er schaffe in Blogs etc. seine eigene Marke und ist auf einen Verlag nicht mehr so sehr angewiesen wie früher, schätzt Deichsel. Insgesamt werde die Kostenstruktur billiger, weil kein Papier und Transport nötig sind.

„Frech aber hilfreich”

Die Problematik des Urheberrechts in der digitalen Welt liegt für Deichsel vor allem in der Durchsetzbarkeit von rechtlichen Bestimmungen. Unbestritten sei das Recht des Autors am eigenen Werk, aber dieses Recht könne ihm in der digitalen Welt wesentlich einfacher genommen werden. Wohin ein zu restriktives Digital Rights Management (DRM) geführt habe, zeigen die Entwicklungen in der Musik- und Filmbranche. Aus deren Fehlern soll die Buchbranche unbedingt lernen, fordert Deichsel, „daher raten wir eigentlich allen Verlagen davon ab, das zu restriktiv einzustellen”.

Faktisch habe sich bereits ein Branchenstandard um das Adobe System herausgebildet, bei dem der Verlag die Anzahl der Kopien pro Titel einstellen kann. Auch das Zurückverfolgen von Kopien mit Hilfe von digitalen Wasserzeichen (Watermarking) hält Deichsel für einen guten Kompromiss. Ob durch die eBook-Entwicklung mehr Raubkopien entstehen, sei fraglich. Das Vorgehen von Google ist in Deichsels Augen zwar frech, aber auch in gewisser Weise hilfreich, „weil es alle Beteiligten aufgerüttelt und dazu gebracht hat, sich selbst Gedanken zu machen”.

Schließlich hätten die Verlage so die Möglichkeit, mit vergriffenen Büchern noch einmal Geld zu verdienen und für die Leser entstehen auch erhebliche Vorteile. Ob das gedruckte Wort durch die Digitalisierung bedroht ist, vermag niemand vorauszusehen. Die Diskussionen um den Schutz des Urheberrechts in der digitalen Welt und die Chancen und Risiken werden aber Dank Google & Co. mit Sicherheit an Intensität zunehmen.