Trendmonitor 2018. Statt klassischen TVs schauen wir Facebook, Instagram & Co: Social Media werden die neuen Massenmedien

Statt klassischen TVs schauen wir Facebook, Instagram & Co: Social Media werden die neuen Massenmedien

Trendartikel von Klaus Goldhammer

19. Dezember 2018. Seitdem Facebook und Instagram, Twitter und Snapchat immer mehr Videos in ihre Feeds integrieren, wird deutlich, dass hier eine Ablösungsbewegung im Gange ist: von Texten zu Bildern, vom Lesen zur Bewegtbildunterhaltung. Den Nutzern gefällt offenbar der personalisierte Videostream, selbst wenn – wie bei Facebook – die Videos oft mehrfach gezeigt werden. Zugleich wachsen dadurch die verfügbaren Bewegtbild­flächen für Werbekunden, welche diese gern nutzen. Damit wird 2018 in Deutschland ein neuer Trend Fahrt aufnehmen: Statt klassischen Fernsehens „schauen“ die Nutzer Social Media. Wird Facebook zum neuen RTL, YouTube zum neuen Pro7?

Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia © Goldmedia
Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia © Goldmedia

Laut Statistischem Bundesamt sind 55 Prozent aller Onliner in Deutschland auf Social Media-Plattformen aktiv, bei den Jüngeren sind es sogar 90 Prozent – eine massen­­­mediale, reichweitenstarke Bank. Facebook und YouTube, ebenso WhatsApp und Instagram sind die Flaggschiffe. In den USA ist der Tipping Point schon erreicht: Mehr Menschen schauten dort 2017 Videoinhalte per PC, Laptop oder Smartphone (zusammen 55%) als über klassische TV-Geräte (23%). (eMarketer 11/2017) Die Reichweiten der klassischen TV-Sender auf diesen Plattformen bleiben im Vergleich recht überschaubar.

Und dieser Trend wird anhalten: So hat Facebook, um das Thema Video noch weiter zu forcieren, Ende 2017 in den USA den Service „Watch“ gelauncht, der rund 1.000 Serien online feilbietet. Es soll, so behauptet Facebook, kein zweites Netflix werden, sondern vor allem Interaktion und Kommunikation der Nutzer triggern. Es geht dabei konkret um Nutzerreichweiten in der TV-Primetime: Nach Angaben von Facebook werden Livestreams offenbar zwischen 19 und 21 Uhr am meisten gesehen. Und wer in dieser Zeit auf den Social Media-Plattformen Videos schaut, braucht keinen Fernseher. Damit könnte sich die Idee der Second Screen-Nutzung ins Gegenteil wenden: Das Smartphone wird zum „ersten Bildschirm“, im Hintergrund läuft maximal noch der alte Fernseher.

Dahinter steckt auch ökonomisches Kalkül: Um die relativ kleinen Werbebudgets für Social Media zu erweitern, versuchen die Online-Plattformen vehement, die deutlich größeren Töpfe für digitale Videowerbung für sich zu erschließen. Größter Vorteil, den das klassische TV noch hat: Es fehlen bei den sozialen Medien bislang durchgängig vergleichbare Messstandards und Methoden. So zählt Facebook das anlaufende Video ohne Ton, bei YouTube sind es 30 Sekunden mit Ton. Solche Vergleichsprobleme erschweren die Akzeptanz bei den Werbekunden und damit die generelle Vermarktbarkeit von Social Media-Videos.

Vergleichbarkeitsprobleme verhageln noch die Vermarktbarkeit

„Watch“ und viele andere Dienste der verschiedenen Social Media-Plattformen werden auch nach Deutschland kommen. Schon jetzt ist erkennbar, dass der Kampf um die Augäpfel voll entbrannt ist: So rüsten sich die Plattformen auch dafür, mehr Sportrechte zu erwerben, um so noch größere Reichweiten durch attraktive Events einzusammeln. Damit attackieren sie eine weitere einstige Bastion des klassischen Fernsehens.

Der Kampfruf ist klar und deutlich: „Der größte Trend in unseren Produkten in den nächsten drei Jahren wird Video sein“, so versprach Marc Zuckerberg zur Vorstellung der Quartalszahlen von Facebook im Oktober 2017. – Dem ist erst einmal nichts hinzuzufügen.

Nur der Hinweis auf die Facebook-Nutzerzahlen vielleicht, die dem Trend entgegenlaufen oder ihn zumindest etwas verlangsamen könnten: Facebook, inzwischen die Social Media-Plattform für die Älteren, verliert derzeit an Attraktivität: So sank in den USA bereits ggü. 2016 deutlich die Nutzungsdauer, auch die Aufrufzahlen haben sich dort halbiert (Verto Analytics, Okt. 2017). In Deutschland zeigen sich ähnliche Entwicklungen vorerst nur bei den 14- bis 19-Jährigen (ViewTime Report 2017, SevenOne Media/forsa). – Aber dann bleiben noch all die anderen Plattformen, deren Nutzerzahlen steigen.

Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia

Der Artikel ist Teil des Goldmedia Trendmonitors 2018. Goldmedia gibt im Trendmonitor alljährlich in Form von Analysten-Kommentaren einen Ausblick auf relevante Trends in den Bereichen Medien, Internet und Telekommunikation des kommenden Jahres in Deutschland. www.Goldmedia.com

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