Goldmedia-Preis Medienwirtschaft. Auszeichnung für Timo Diers für Bachelorarbeit zur Personalisierung der digitalen Musikindustrie

08.02.2017. Die Bachelorarbeit von Timo Diers zur Personalisierung der digitalen Musikindustrie wurde im Rahmen des Goldmedia-Preises für innovative Abschlussarbeiten im Bereich Medienwirtschaft mit einer Auszeichnung gewürdigt. Seine Bachelorarbeit widmet sich dem Thema, wie automatisierte Musikempfehlungssysteme funktionieren. Den Preis für innovative Abschlussarbeiten im Bereich Medienwirtschaft hat Goldmedia im Januar 2017 erstmalig vergeben. Im Rahmen einer Blogreihe stellen wir die Ausgezeichneten vor – heute Timo Diers und seine Abschlussarbeit, geschrieben an der Popakademie Baden-Württemberg. Die Fakten im Überblick:

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Timo Diers, Auseichnung im Rahmen des Goldmedia-Preises für innovative Abschlussarbeiten im Bereich Medienwirtschaft 2016

Auszeichnung für Timo Diers

Die Personalisierung der digitalen Musikindustrie: Empfehlungssysteme cloudbasierter Streaming On Demand Services in Theorie und Praxis

  • Popakademie Baden-Württemberg, Fachrichtung Musikbusiness
  • Bachelorarbeit
  • Dezember 2015

Timo Diers stellte sich drei grundlegende Forschungsfragen: 1. Wie funktionieren automatisierte Musikempfehlungssysteme aus technischer und anwendungsbezogener Sicht? 2. Wie werden die Themen „Personalisierung“ und „Empfehlungssysteme“ in der Praxisrealität der Anwender behandelt und erlebt? und 3. Lassen sich aus der Praxisrealität der Anwender Relativierungen und Bestätigungen der theoretischen Grundlagen von Empfehlungssystemen vornehmen?

Wir haben Timo Diers nach dem Grund gefragt, genau dieses Thema zu wählen und was die wichtigsten Erkenntnisse sind.

Nachgefragt bei Timo Diers: Wieso, weshalb …

Warum haben Sie gerade dieses Thema für Ihre Bachelorarbeit gewählt?

TD: In Zeiten des unbeschränkten Zugangs von Medieninhalten – in diesem Falle von Musik durch Streaming – ist es von kritischer Wichtigkeit, dass die Nutzer in der Flut des Angebots auch genau die Inhalte finden, die ihnen am besten gefallen werden. Kennt der Nutzer seine Lieblingssongs schon, ist das ganz einfach: Er muss einfach danach mit dem Songtitel oder dem Künstlernamen suchen. Aber ein ganz zentraler Vorteil des Streamens ist ja, dass wenn der Nutzer einmal die monatliche oder ggf. wöchentliche Gebühr bezahlt, keine finanziellen Hindernisse oder Hemmnisse hat, jeden beliebigen Inhalt zu konsumieren. Nur diesen riesigen Katalog an Inhalten überblicken, kann der Nutzer zu großen Teilen nicht. So sähe er sich mit der Aufgabe konfrontiert, einen immensen Zeitaufwand in das „analysieren“ der Inhalte zu stecken, um herauszufinden, was ihm gefällt und was nicht.

An dieser Stelle kommen Empfehlungssysteme und die Personalisierung des Angebots ins Spiel. Hierdurch kann ein großer Teil der Inhalte, die der Nutzer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht konsumieren würde, ausgeklammert werden und er kann sich auf sein individuelles Nutzererlebnis konzentrieren. Ohne dabei Titel für Titel skippen zu müssen.

Die Verbesserung des Nutzererlebnisses auf diese Weise wird in der Industrie als eine der zentralen Herausforderungen – Musikgeschmack ist ja schließlich ein hoch persönliches und individuelles Thema – aber auch als eine der zentralen Chancen angesehen. Gerade im qualitativen Bereich ist hier noch nicht viel geforscht worden. Wie funktionieren automatisierte Musikempfehlungssysteme aus technischer und anwendungsbezogener Sicht? Wie werden die Themen „Personalisierung“ und „Empfehlungssysteme“ in der Praxisrealität der Anwender behandelt und erlebt? Lassen sich aus der Praxisrealität der Anwender Relativierungen und Bestätigungen der theoretischen Grundlagen von Empfehlungssystemen vornehmen? Mit Hilfe dieser Fragen habe ich meine Untersuchungen vorgenommen.

Was war die größte Herausforderung bei der Arbeit an diesem Thema?

TD: Schwierig war es, ein geeignetes Sample für den qualitativen empirischen Teil zu finden. Hierbei habe ich mich an einem Paper von Forschern der University of Washington orientiert, die Nutzertypen von Streaming Services anhand ihrer Hörgewohnheiten unterschieden und definiert haben. Die Definitions-Parameter dieser beschriebenen Personas habe ich zurück in geeignete Fragen übersetzt und gestreut, um so ein geeignetes Sample zu finden. Es hat funktioniert, brauchte aber einige Runden von Pre-Tests.

Was ist das wichtigste oder überraschendste Ergebnis?

TD: Wichtig zu verstehen ist, dass nicht nur das Angebot personalisiert werden muss, sondern auch der Personalisierungs-Vorgang selber. Und das ganz implizit, ohne dass der Nutzer dem Service viel vorgeben muss. Denn genau wie der Musikgeschmack, ist auch die Suche nach neuer Musik höchst individuell!

Zusammenfassung (Abstract) der Bachelorarbeit: Die Personalisierung der digitalen Musikindustrie: Empfehlungssysteme cloudbasierter Streaming On Demand Services in Theorie und Praxis (von Timo Diers)

Cloud-basiertes Streaming ist ein Modell zur Musikvermarktung mit steigender Relevanz und Beliebtheit. Das Modell birgt sowohl Vorteile, als auch Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Der größte nennenswerte Vorteil sei hierbei wohl der einfache Zugang zu jeglicher Musik, die über professionelle Strukturen distribuiert wird. Der Hörer muss die Musik weder kaufen, noch lokal speichern. Hinzu kommt die wachsende Verbreitung von mobilen Datennetzen und die immer weiter steigende Nutzung von Smartphones, über die sich Streaming Angebote ansteuern lassen.
Eine zentrale Herausforderung ist die Konversion von werbebasierten, hin zu tatsächlich zahlenden Hörern. Nutzer, die als Gegenleistung zum Musikkonsum nur Werbeunterbrechungen der Anbieter in Kauf nehmen, gelten langfristig finanziell als nicht tragbar. Einen Lösungsansatz sehen Experten hierbei in der Verbesserung der Nutzungsqualität. Neben rein technischen Herausforderungen, stellt sich dabei die Frage, wie Nutzer mit dem verfügbaren Repertoire umgehen. Sie können nun auf jegliche Musikstücke ohne weitere Hürde zugreifen. Um ihr Nutzungserlebnis so positiv wie möglich zu gestalten, möchten die Hörer also auf genau die Inhalte zugreifen, die ihnen gefallen und gegebenenfalls auch für den jeweiligen Hörer neu sein müssen.

Bei einem so großen Angebot kann sich der Nutzer selbst aber praktisch keinen eigenen Überblick verschaffen. Empfehlungssysteme haben das Ziel, die richtige Musik vorzuschlagen und somit den Service für den individuellen Nutzer im positiven Sinne zu personalisieren. Beim technischen Empfehlungsvorgang von Angeboten, insbesondere auch außerhalb der Musik-Distribution, gibt es immer ein rechnerisches Maß der Genauigkeit. Innerhalb der Musik-Distribution kommt es jedoch vor, dass diese Genauigkeit rechnerisch zwar maximiert, die empfundene Qualität beim Nutzer aber mangelhaft ist. In dieser Diskrepanz setzt die vorliegende Bachelorarbeit an, um ein Verständnis über Anwendungsparadigmen und technische Verfahrensweisen von Empfehlungssystemen zu erlangen und diese theoretische Grundlage mit der Anwendungsrealität der Nutzer zu vergleichen. Daraus ergeben sich die folgenden Forschungsfragen:

Forschungsfrage 1: Wie funktionieren automatisierte Musikempfehlungssysteme aus technischer und anwendungsbezogener Sicht?
Forschungsfrage 2: Wie werden die Themen „Personalisierung“ und „Empfehlungssysteme“ in der Praxisrealität der Anwender behandelt und erlebt?
Forschungsfrage 3: Lassen sich aus der Praxisrealität der Anwender Relativierungen und Bestätigungen der theoretischen Grundlagen von Empfehlungssystemen vornehmen?

Entsprechend ihrer Ziele beruht die Arbeit auf einem theoretischen und einem empirischen Teil. Der theoretische Teil definiert durch eine Literaturanalyse die Grundlagen zu den Bereichen digitale Musikdistribution und Personalisierung. Hierüber wird die erste Forschungsfrage beantwortet. Begründet auf der theoretischen Basis und der Untersuchungsintention, umfasst der empirische Teil die Methodik, den Aufbau, die Darstellung und Auswertung der erhobenen Daten. Abgeschlossen wird dieser Teil mit einer kritischen Betrachtung des gesamten Vorgehens.
Der Schlussteil der Arbeit zieht die Ergebnisse zusammen und interpretiert sie, sodass eine Beantwortung der zweiten und dritten Forschungsfrage erfolgen kann und zusätzlich weitere Forschungsansätze identifiziert werden.

Hinsichtlich der definitorischen Grundlagen sei innerhalb der digitalen Musikdistribution zunächst das Streaming vom Download abzugrenzen. Musik wird hier nicht als proprietäres Gut gehandhabt und der Fokus liegt auf dem Zugang zur Musik.
Innerhalb der Personalisierung gibt es zwei zentrale Elemente: Nutzer und Items. Nutzer sind jene Personen, welche die Ergebnisse eines Empfehlungssystems ausgespielt bekommen, die Items hingegen sind eben die Objekte, die dem Nutzer empfohlen werden. Es gibt verschiedene Vorgehensweisen der Personalisierung, wovon die meisten auf einen Vergleichsprozess, entweder unter den Nutzern oder Items, zurückgreifen. Alternativ kann ein Empfehlungsverfahren auch auf im Vorfeld von Nutzern oder externen Experten festgelegten Regeln basieren. Mischformen sind ebenfalls möglich.

Vorangegangene Forschung im Hinblick auf Empfehlungssysteme findet vorzugsweise mit quantitativen Methoden statt. Musik ist jedoch ein emotionales und sehr persönliches Thema und findet im normalen Alltag der Nutzer statt. Da über die konkrete, nutzerbezogene Anwendung von Empfehlungssystemen im Musik Streaming Kontext bisher nur wenig bekannt ist, hat die Arbeit einen qualitativen und explorativen Ansatz. Hierdurch lässt sich die Diskrepanz zwischen rechnerischer Genauigkeit und der empfundenen Qualität der Empfehlungen widerspiegeln. Ebenfalls lassen sich neue Forschungsansätze identifizieren, um dieses Feld weiter zu vertiefen.

Grundlage für die Zusammenstellung des Untersuchungssamples ist eine Unterteilung von Streaming Service Nutzern nach Kriterien, die im Zusammenhang mit der Verwendung von Empfehlungssystemen grundliegend relevant sind. Hierbei handelt es sich um genau sieben verschiedene Personas, die durch vorangegangene Forschungsarbeiten bereits definiert wurden. Der Sample-Rahmen wurde per Haushalts-Prüfung und Ketten-Sampling selbst gesteckt, sodass Zugehörige der sieben Personas identifiziert werden konnten. Jener Vertreter einer jeden Persona, der die definitorischen Merkmale am deutlichsten aufzeigte, wurde zur Datenerhebung über ein problemzentriertes Interview durch einen Interviewer mit Leitfaden befragt. Ein so kleines Sample ist für eine qualitative Untersuchung vorteilhaft, da das Besondere im Detail der Aussagen erfasst werden kann. Zur Auswertung wurden die jeweiligen Interviews wörtlich transkribiert, um sie im Anschluss der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mairing zu unterziehen. Dieses Vorgehen beinhaltet eine schrittweise Analyse, wobei induktiv und theoriegeleitet ein Kategoriesystem erarbeitet wird. Entsprechende Aussagen der Probanden werden hier subsummiert.

Im Schlussteil der Arbeit werden die Ergebnisse zusammengezogen und interpretiert. Hier lässt sich eine hohe Diversität der Nutzer im Umgang mit Empfehlungssystemen bestätigen, was auf eine Notwendigkeit der Individualisierung des Empfehlungsvorgangs an sich hindeutet. Dies bezieht sich insbesondere auf folgende Kriterien: Qualitative Anforderungen an die Empfehlungs-Ergebnisse, Situation und Absicht des Nutzers, Zeitinvestment, Intensität und Systematik des Suchvorgangs, sowie Darstellungsformen der hervorgebrachten Items.

Ein homogenes Ergebnis erzielte die Untersuchung dahingehend, dass Nutzer nicht, oder nur sehr eingeschränkt an die Funktionalität bzw. das Potenzial von Empfehlungssystemen glauben, sodass Empfehlungssysteme an sich auch nicht unbedingt einen Mehrwert in Streaming Services für Nutzer darstellen. Ebenfalls sind sich die Probanden einig, dass zwei empfohlene Items nicht zu ähnlich sein dürfen, da sonst der Eindruck von Original und Fälschung aufkommt. Hierin bestätigt sich die angesprochene Diskrepanz zwischen rechnerischer Genauigkeit und empfundener Qualität der Ergebnisse.

Abschließend zeichnet sich ab, dass Nutzer selten explizite Rückmeldungen über die Qualität der Empfehlung geben, bspw. über ein Daumen-hoch / Daumen-runter Prinzip. Da implizit bisher aber nur positive Rückmeldungen erhoben werden können und negative Rückmeldungen essenziell für die Qualität eines Empfehlungssystem sein können, liegt hier weiteres Untersuchungspotenzial: Wie können negative Rückmeldungen an ein Empfehlungssystem implizit erhoben werden?

Darüber hinaus sollte der Individualisierung des Empfehlungsvorgangs an sich Rechnung getragen werden. An dieser Stelle könnte zukünftig untersucht werden, wie individuelle Nutzer anhand ihres Verhaltens implizit einer der sieben Personas zugeordnet werden können, um so den grundsätzlichen Empfehlungsvorgang anzupassen. Abschließend sollte untersucht werden, ob, auch wenn Empfehlungssysteme an sich keinen zentralen Mehrwert für die Nutzer darstellen, der Empfehlungs-Effekt ggf. eine Verbesserung des Nutzungserlebnisses darstellt und Kunden unbewusst dazu bewegt, den Service intensiver zu nutzen, um letztlich in das Premium-Segment zu wechseln.

Goldmedia-Preis für innovative Abschlussarbeiten im Bereich Medienwirtschaft – Informationen

Bewerben konnten sich alle Absolventinnen und Absolventen, die im Jahr 2016 oder im Vorjahr ihren Abschluss erreicht haben.  Die Ausschreibung war offen für deutsch- und englischsprachige Arbeiten aus unterschiedlichen Fachrichtungen (u.a. Publizistik, Kommunikationswissenschaft, Medienwirtschaft, Medienmanagement, Medienrecht, BWL, VWL, Informationswissenschaft, Medieninformatik). Einsendeschluss war der 31. August 2016. Der Preis ist mit insgesamt 1.500,00 Euro dotiert und wurde in diesem Jahr auf drei Preisträgerinnen und Preisträger zur je 500,00 Euro verteilt. Aufgrund der Vielzahl und des hohen Niveaus der eingereichten Abschlussarbeiten wurden weitere 10 Arbeiten mit einer Urkunde gewürdigt. Alle Informationen: www.goldmedia.com/preis

 

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