Guter Deal: Warum Facebook dank WhatsApp überlebt. Gastbeitrag von Florian Kerkau für kress.de

Dr. Florian Kerkau
Dr. Florian Kerkau

Eine lose Masse, die nicht wächst, muss zwangsläufig zerfallen. Das bereits vor über 50 Jahren von Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti formulierte Konzept (“Masse und Macht”) zeigt dies in ungeahnter Aktualität. Die Medien überschlagen sich derzeit mit Meldungen zur Übernahme des immer stärker wachsenden NachrichtendienstesWhatsApp durch Facebook, das letzthin bei jüngeren Nutzern in einigen westlichen Ländern sogar rückläufige Nutzerzahlen verzeichnete.

Canetti hatte bereits früh erkannt, dass eine Masse nur Bestand hat, wenn sie entweder ständig wächst oder sich eigene Begrenzungen auferlegt, so wie dies z.B. Religionen über Jahrhunderte geschaffen haben. Beschränkungen verlangsamen oder verhindern zwar ein Wachstum, sichern so aber das Überleben der nicht wachsenden Masse. Es kann aber nicht in Facebooks Sinne sein, als offenes Netzwerk solche Beschränkungen zu entwickeln, da diese der gesamten Philosophie und Daseinsberechtigung widersprächen und damit das System zerstören würden.

Somit ist klar, dass Facebook auf Wachstum angewiesen ist, um zu überleben. Dass dies aber gegenwärtig für das soziale Netzwerk schwierig scheint, zeigt das langsame eigene Wachstum, insbesondere bei den Jüngeren. Ob WhatsApp ein funktionierendes Geschäftsmodell hat oder nicht, ist also zunächst zweitranging für Facebook. Viel wichtiger ist die Tendenz, dass insbesondere die jungen Nutzer über WhatsApp anstatt Facebook mit Bekannten kommunizieren. Das zeigt auch der aktuelle Mobile Monitor 2014 (Goldmedia): WhatsApp ist erneut die beliebteste App der Deutschen und die Nutzergemeinde wächst beständig. Der Facebook-eigene Messenger hat sich bislang eher schwer getan, eine One-to-One-Kommunikation oder eine One-to-Group-Kommunikation im großen Stil abzuwickeln. Genau diese beiden Kommunikationsformen sind aber bei den Nutzern zurzeit am stärksten nachgefragt. Zu sehr ist Facebook bisher als persönlicher Newsstream genutzt worden und dafür steht die Marke Facebook auch heute noch.

Der weltweit boomende Instant-Messaging-Dienst WhatsApp ist somit Facebooks direkter Konkurrent und durch die Übernahme auf einen Schlag deutlich ungefährlicher als zuvor. Denn: Facebook hat nun einerseits eine direkte Verbindung zu denjenigen, die ihre Nutzung von Facebook zu WhatsApp verlagern, aber auch zu denjenigen, die bisher noch keine Verbindung zu Facebook hatten. Außerdem kann sich das soziale Netzwerk über sehr viele Daten von Nutzern freuen, die über die mobile Nutzung von WhatsApp vorliegen und nun vollständig für Facebook verwendbar sein dürften.

Facebook ließ sich die WhatsApp-Übernahme 19 Milliarden Dollar kosten und hat damit einen guten Deal gemacht. Ganz nüchtern betrachtet ist bei Facebook ein User nach dem Börsenwert des Unternehmens 83 Dollar wert, ein Nutzer von WhatsApp nach dem Übernahmepreis von 19 Milliarden Dollar lediglich 42 Dollar, also gerade einmal die Hälfte. Vielleicht hätte Jan Koum, der Mitgründer und bisherige Chef von WhatsApp, demnach auch 40 Milliarden Dollar verlangen können. Facebook hat jedenfalls ein gutes Geschäft gemacht, das sich fürs Erste auszahlen wird. Nichtsdestotrotz muss sich der Konzern dringend mit der Frage beschäftigen, wie er die Phase nach dem Wachstumsende (durch Zukäufe oder eigenes Wachstum) gestaltet.

Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia Custom Research GmbH

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