Wir sind keine Provinz Hollywoods. Stefan Arndt, Geschäftsführer X-Filme, im Gespräch mit promedia

“Cloud Atlas” wird mit 100-Millionen-Euro der zweitteuerste deutsche Spielfilm

X-Film plant einen deutschen Blockbuster mit Produktionskosten von 100 Millionen Euro. Die renommierten Regisseure Andy und Lana Wachowski und Tom Tykwer, preisgekrönter Regisseur und Autor von „Das Parfüm“,  führen gemeinsam Regie bei „Der Wolkenatlas“ („Cloud Atlas“). Zusammen mit den vielfach ausgezeichneten Produzenten Grant Hill und Stefan Arndt  werden sie den Film unter dem neu gegründeten Label Five Drops realisieren. Philip Lee komplettiert das Team als Executive Producer. Tom Hanks spielt die Hauptrolle in dieser spektakulären internationalen Produktion, die auf dem weltweit erfolgreichen und preisgekrönten Roman von David Mitchell basiert. Der Film befindet sich derzeit in Produktionsvorbereitung. Drehstart ist im September 2011.

Stefan Arndt
Stefan Arndt

promedia: Herr Arndt, X Filme gehört zu den produktivsten und, wie ich finde, innovativsten unabhängigen Spielfilmproduzenten. Wie schafft man das?
Stefan Arndt: Es wundert mich auch manchmal, dass wir das alles überleben. Eigentlich ist es aber ziemlich simpel. Wir sind sehr wertkonservativ, also betreiben das Geschäft einerseits nach ganz normalen kaufmännischen Grundsätzen und andererseits wollten wir von Anfang an kein Industriebetrieb werden, sondern eine Manufaktur bleiben. Wir stellen Einzelstücke her. Das gelingt mal, mal gelingt es nicht – wir haben kein Abonnement auf Erfolg, weder künstlerisch noch wirtschaftlich. Wenn man das Ganze aber vernünftig betreibt, kann man eine Firma, die 40 Leute ernährt, am Laufen halten. Eine Besonderheit bei uns ist außerdem, dass wir uns auf Kino spezialisiert haben und zwar auf Filme, die Unikate sind, die nicht den Moden hinterherlaufen, sondern durch Einzigartigkeit glänzen. Insofern sind wir vielleicht eine Premiummarke. Zu diesem Premiumgedanken kommt hinzu, dass wir nicht nur auf diesen deutschen Markt beschränkt sind, sondern schon immer weltweit versucht haben, unsere Filme auszuwerten.promedia: Wie würden Ihre Filme ohne Filmförderung aussehen?
Stefan Arndt:
Wir würden nichts anderes produzieren. Als wir anfingen, betrug der Anteil der Förderung an die Finanzierung unserer Filme 70 bis 80 Prozent. Dann haben wir uns hochgearbeitet und hatten noch 30 Prozent Förderung zu unseren Budgets. Inzwischen haben wir drei Mal erlebt, uns von einer nahezu voll subventionierten Situation wieder zu einer Form hochzuarbeiten, in der wir weniger von der Förderung abhängig waren. Gegenwärtig befinden wir uns wieder in einer „Negativphase“. Die Sender fahren gerade ihre Investitionen in manche Kinofilme massiv zurück. Die Lizenzzahlen gehen stark zurück, die Verwertungsformen, wie Pay-TV, wurden durch Änderungen des FFG sehr erschwert. International sind zudem die Märkte durch die Wirtschaftskrise noch immer sehr schwach. Also sind wir wieder stark auf Subventionen angewiesen. Insofern müssen in Deutschland, ähnlich wie in Frankreich oder den USA, maßgeblich die Rahmenbedingungen seitens der Politik geändert werden, um diese Subventionen wirklich unnötig zu machen. Wenn nicht, sind weiter Subventionen nötig. Frankreich geht einen anderen Weg, mit weniger Subventionen. Dafür gibt es dort an zwei Tagen keine Spielfilme im Fernsehen, die  Zahl der TV-Sender ist beschränkt und es existiert eine Gleichbehandlung der französischen mit den amerikanischen Produzenten. Deutsche Produktionen kommen auf 20 Prozent Marktanteil, französische auf über 40 Prozent.

promedia: Sie planen einen neuen Film: „Cloud Atlas“. Warum wird das eine internationale Koproduktion?
Stefan Arndt:
Dieser Film ist die Lehre daraus, dass wir nicht eine Provinz Hollywoods sind, die die Welt mit ihren Bildern ausbeutet, sondern dass wir die Bilder selbst herstellen können und die Wertschöpfung hier in Deutschland stattfindet. Es ist deshalb auch nur eine internationale Kofinanzierung, keine Koproduktion. X Filme ist der zentrale Mittelpunkt. Das können wir, weil es uns gelungen ist, aus China, Korea, aus der ganzen Welt Geld einzusammeln und wir natürlich internationale Stars wie z.B. Tom Hanks haben werden. Aber auch amerikanischer Studios werden bestimmte Teile übernehmen, unter anderem den Verleih in den USA. Den Weltvertrieb übernimmt Focusfeatures. Ein solcher Blockbuster, der normalerweise von einem amerikanischen Studio produziert wird, würde dort doppelt so viel kosten, wie wir es planen. Und ich bin davon überzeugt, dass es dennoch funktioniert.

promedia: Wie sammelt man in der ganzen Welt Geld für solch einen Film ein? Davon träumt doch jeder Produzent.
StefanArndt:
Wenn man eine gute Idee hat, dann findet man genug Menschen, die dafür Geld geben. Wir haben ein solches einzigartiges Projekt. Das Besondere daran ist, dass man nicht nur Menschen gefunden hat, die das finanzieren – die ansonsten Hollywood finanzieren würden – sondern, dass diese Finanziers auch daran glauben, dass ein solcher Film auch außerhalb Hollywoods, auch in Deutschland entstehen kann. Wenn das funktioniert, steigen natürlich die Chancen deutscher Produzenten für weitere internationale Filmprojekte.

promedia: Sind das Einzelpersonen?
Stefan Arndt:
Die Grundidee war, dass wir uns Verleiher suchen, die weniger Garantie zahlen als normalerweise und die Differenz als Koproduktionsanteil finanzieren. Das hat sich nun ganz anders entwickelt, aber im Wesentlichen ist es so, dass wir vorab Partner gefunden haben, die in die Rechte investiert haben und dafür etwas vom Gewinn abbekommen. Die anderen sind Investoren, die eine gute Geldanlage gesucht haben und die wir überzeugen konnten.

promedia: Sie haben für diesen Film eine Firma gegründet. Warum war das notwendig?
Stefan Arndt: In diesen Größenordnungen geht es zum einen darum, bestimmte Risikoabgrenzungen zu haben – dafür braucht man einzelne Rechtsformen. Auf der anderen Seite wollen wir, dass die Kreativen und nicht die Investoren letztendlich die Entscheidung über die Umsetzung des Stoffes behalten. In dem Fall ist es so, dass das fünf Personen maßgeblich bestimmen – die beiden Produzenten, Grant Hill und ich, und die drei maßgeblichen Kreativen, Andy und Lana Wachowski, und Tom Tykwer. Die Cloud Atlas GmbH ist eine 100-prozentige X Film-Tochter.

promedia: Es ist also kein neues Label, unter dem Sie später weitere international finanzierte Produktionen starten werden?
Stefan Arndt:
Das Label ist nicht nötig. Nötig sind Produzenten, die das können. Ich bin größenwahnsinnig und ehrgeizig genug, um mir so etwas zuzutrauen. Ich brauche aber jemanden wie Grant Hill, der schon „Titanic“ durchgeführt hat, der schon etliche Blockbusterproduktionen gemacht hat, um gemeinsam etwas Neues zu erfinden, einen Low-Budget-Blockbuster.

promedia: Was wird er kosten?
StefanArndt:
Etwa um die 100 Millionen Dollar. Es ist der zweitteuerste deutsche Film.

promedia: Das heißt, das Low Budget ist nicht so ganz ernst gemeint.
Stefan Arndt:
Doch. Der Film ist extrem aufwändig. Er spielt zwischen dem 19. Jahrhundert bis zum Jahr 2500 – ein Film über die Zukunft der Menschheit. Man wird unfassbare Dinge sehen, es geht um den Sinn des Lebens. Es wird etwas behandelt, das den Menschen weltweit einen Grund gibt, ins Kino zu gehen. Blockbuster brauchen etwas Einzigartiges. Das können wir bieten. Wir werden den Film nach allen Regeln der Kunst auswerten, so wie man Filme dieser Art auswerten kann und muss. Deswegen müssen der Cast, der Production Value und die Bilder stimmen. Allein, dass wir internationale Stars für relativ überschaubare Gagen überzeugen konnten mit uns zu arbeiten, zeigt, dass wir etwas Großartiges planen.

promedia: Ist das Fernsehen bei der Finanzierung auch mit im Boot?
StefanArndt:
Wir haben das große Glück, mit der ARD degeto einen ausgezeichneten und verlässlichen Partner an unserer Seite zu haben. Mit Hans-Wolfgang Jurgan und Bettina Reitz haben wir schon in der Vergangenheit z.B. bei „Das weisse Band“  sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Es gibt eben Gott sei Dank in Deutschland noch mutige und engagierte Redakteure.

promedia: Wann ist Premiere?
Stefan Arndt:
Thanksgiving nächstes Jahr.

promedia: Da müssen Sie sich aber beeilen. Im September ist doch erst Drehstart…
Stefan Arndt:
Das ist anders, als in der deutschen Filmproduktion üblich. Allein die Zinsen pro Tag sind enorm hoch.

promedia: Sie sprachen die Probleme mit dem Fernsehen an. Das ZDF verkündete kürzlich, zusätzliche fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen zu wollen, um auch als Koproduzent deutsche Filme zu unterstützen…
Stefan Arndt:
Ich finde es gut, wenn das ZDF fünf Millionen mehr ausgeben will. Die Frage ist, in was sie es investieren. Viel wichtiger fand ich die Zahlen von Media Control zur geringen Anzahl deutscher Kinofilme im deutschen Fernsehen und den Sendeplätzen. Der Prozentsatz des Programms mit deutschen Kinofilmen liegt im Promillebereich. Aber es geht nicht nur um Kofinanzierungen, es geht vor allem um Sendeplätze. Ein Kinofilm hat keine Länge von 88 Minuten und 30 Sekunden, wie bei einem genormten TV-Produkt. Es gibt quasi, wenn man sich beispielsweise das Sendeschema der ARD anschaut, keinen Platz mehr für Spielfilme. Nur wenn ein deutscher Film mehrere Auszeichnungen erhalten hat, wird er in der Prime Time ausgestrahlt. Ansonsten gibt es nur noch Sendeplätze spät in der Nacht. Es geht nicht so sehr ums Geld, sondern um eine bestimmte Art von Wertschätzung und Relevanz.

promedia: Ein Programmdirektor steckt aber auch im Dilemma, da er zwei Jahre warten muss, um interessante deutsche Filme zu bekommen. Sollte man das nicht ändern?
Stefan Arndt:
Ich sprach mich schon sehr früh dagegen aus, dass die TV-Sender in den Förderinstitutionen sitzen, und bekam dafür viel Ärger. Mein Sendungsbewusstsein richtet sich nur noch auf gute Filme und Stoffe. Die Welt zu verbessern, wird mir nicht gelingen. Aber gerade mit den Verantwortlichen der ARD setzen wir den Kampf gemeinsam fort.

promedia: Aber haben Sie nicht auch einen Vorteil davon, wenn die exklusiven Auswertungsfristen Im Kino verkürzt werden ?
Stefan Arndt:
Diese Schutzfristen haben den Sinn, das Kino als Premiummarke zu unterstützen. Das wurde allerdings vor 40 Jahren erfunden. Leider glauben manche immer noch, dass wir die Probleme in der digitalen Welt mit den Mitteln der 50er Jahre lösen könnten. Sicher, die wirtschaftliche Lage der Kinos ist schwierig, aber man sollte sich lieber um die Wirtschaftlichkeit der Kinos kümmern, als um die Erziehung unseres Publikums. Ist die Sperrfrist nicht mehr so lang, werden wir den Film günstiger z.B. bei einer VoD-Plattform verwerten können. Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Mehrwert auch im Kino wieder ankommt. Wir müssen dann mit den Kinobetreibern die zusätzlichen Einnahmen aus der digitalen Verwertung teilen.

promedia: Die Kinobesitzer haben auf ihrem jüngsten Kongress in Baden Baden festgestellt, dass sie einen Marktanteil am deutschen Film von mehr als 30 Prozent benötigen, damit das Kino wieder profitabel ist. Das ist doch ein positives Signal an die deutschen Produzenten…
Stefan Arndt:
Die Kinos haben gegen eine im niedrigsten Prozentbereich liegende Abgabe geklagt, die eine wesentliche Grundlage dafür ist, dass sie einen verminderten Mehrwertsteuersatz zahlen. Sie zahlen 1,5 Prozent dafür, dass sie sieben Prozent Mehrwertsteuer sparen und die Schutzmechanismen bei der Filmauswertung genießen. Es war erstaunlich zu sehen, wie eine Branche, die uns vier Jahre lang wirklich den letzten Nerv kostete, damit derart uninnovativ umgeht: Hätte das Verwaltungsgericht nicht so klug entschieden, hätten wir heute auch ein Interview darüber führen können, wie ich eine Firma abwickle – den nahtlosen Wegfall der Geschäftsgrundlage hätten wir nicht überleben können. Ich hoffe, dass wir jetzt wieder vernünftig ins Gespräch kommen können, wie die deutschen Filme noch besser und auch innovativer – schließlich werden die Kinos gegenwärtig digital aufgerüstet – in den Kinos ausgewertet werden können und so mehr Zuschauer erreicht werden.

promedia: Wann produzieren Sie Ihren ersten 3D-Film?
Stefan Arndt:
Wenn es Sinn macht.

promedia: Wann macht es Sinn?
Stefan Arndt:
Damit 3D wirklich sinnvoll sein soll, müssen wir eine neue Filmsprache dafür erfinden. Die Aufnahmefähigkeit des Gehirns ist konträr zu den komplexen Bildinformationen, die ein Zuschauer bei 3D aufnimmt. Deshalb benötigen wir eine andere bildliche Umsetzung. Zum Beispiel müssen die Einstellungen länger stehen, es muss ruhiger geschnitten werden. Zwar empfindet man es als aufregend, wenn jemand seinem Gegner mit dem Degen im Augapfel bohrt, aber die Aufregung muss der Verstand erst einmal verarbeiten. Das heißt, die Szene muss eigentlich eine Minute länger stehen als normalerweise. Das bedeutet für Dramaturgie, Story Telling etc. eine große Umstellung. Insofern  gibt es im Moment –  abgesehen von der einen Ausnahme „Avatar“ – keinen Film, der mich überzeugt hat. Ab 3D ist die Produktion zudem wesentlich teurer, das ist aber nicht unbedingt das Problem. Man muss ein geniales Projekt finden. Mein Lieblings-3D-Film ist „Bei Anruf Mord“ von Hitchcock. Den hat er in den 50er-Jahren schwarz-weiß in 3D gedreht. Dieser Film spielt in einer 1 ½-Zimmer-Wohnung, mit einem Schreibtisch, einem Telefonhörer und einer Schere. Es gibt nur eine Szene, die wirklich diese „3D-Angst“ bedient. Durch diese Technik wird die Beschränkung durch ein 1 ½-Zimmer- Appartement aufgebrochen und es entsteht eine außergewöhnliche Spannung. Ein solches Projekt, bei dem 3D zu einem starken emotionalen Erlebnis beim Zuschauer führt, das mit 2D vielleicht nicht zu erreichen ist, haben wir im Moment nicht.

Stefan Arndt, Filmproduzent, Geschäftsführer X-Filme

Weitere Informationen: promedia

 

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