Jede Branche hat ihre Lernkurve. Interview mit Peter Dinges, Vorstand der Filmförderungsanstalt (FFA) in der promedia

Die Zahl der Kinobesucher ist in Deutschland im Jahr 2010 deutlich gesunken. Mit 126,6 Mio. verkauften Tickets (2009: 146,3 Mio.) verzeichneten die Filmtheater einen Rückgang von 13,5 Prozent. Im selben Zeitraum sank der Gesamtumsatz der Branche mit 920,4 Mio. Euro dank des Umsatzmotors 3D lediglich um 55,7 Mio. (5,7%). Der deutsche Film erreichte im Vorjahresvergleich mit 20,9 Mio. Besuchern (Marktanteil: 16,8%) nur rund die Hälfte seiner Besucher aus dem Vorjahr (39,9 Mio.).

Peter Dinges, Vorstand der FFA
Peter Dinges, Vorstand der FFA

promedia: Herr Dinges, hat die Förderkrise der FFA, ausgelöst durch die Klage der Kinobetreiber, dem deutschen Film derart geschadet, dass der Marktanteil so drastisch gesunken ist?

Peter Dinges: Eindeutig: Nein! Allerdings hat das Umfeld der rechtlichen Probleme um das FFG mit Sicherheit auch nicht unbedingt eine Atmosphäre der Kreativität gefördert oder gar in irgendeiner Form die Bedingungen für den deutschen Film verbessert. Aber dass das Absinken im Marktanteil damit unmittelbar kausal verbunden ist, glaube ich nicht. Zutreffend ist allerdings, dass es Unsicherheiten in der prognostischen Finanzierung von Projekten gibt, weil man nicht weiß, ob die FFA morgen noch Partner bei der Filmfinanzierung ist. Das wirkt sich natürlich auch atmosphärisch auf die Stimmung der Produzenten aus.

promedia: Wie viel Geld hatten Sie im letzten Jahr weniger für Ihre Förderung zur Verfügung?Peter Dinges: Wir haben im letzten Jahr an einigen Stellen gespart, aber nicht in der Produktionsförderung. Möglich war das, weil wir an einigen Stellen im Hause umgeschichtet und die Lücken, die sich ansonsten aufgetan hätten, mit eigenen Reserven gefüllt haben. Das ist uns gerade so gelungen und war auch nur dieses eine Mal in dieser Form möglich.

promedia: Merken Sie zu Beginn des Jahres 2011 eine Zurückhaltung bei den Produzenten, Anträge einzureichen aus einer gewissen Unsicherheit heraus, wie es in diesem Jahr weitergeht?

Peter Dinges: Nein, das haben wir noch nicht gemerkt. Ich gehe auch nicht davon aus, dass es da eine Zurückhaltung geben wird.

promedia: Zieht jetzt nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Rechtmäßigkeit des  Filmfördergesetzes wieder Ruhe ein?

Peter Dinges: Ich würde es mir sehr wünschen. Schließlich wollen wir ja alle gemeinsam an der Zukunft des deutschen Films arbeiten und wieder Strategien miteinander entwerfen, wie wir den deutschen Film noch weiter entwickeln können. Dazu gehören selbstverständlich auch eine Planungssicherheit und eine Atmosphäre des Vertrauens. Wir müssen diesen Streit so schnell es geht beenden.

promedia: Müsste man trotz der positiven gerichtlichen Entscheidung über strukturelle Fragen neu nachdenken, um das nächste Mal eine solche Krise zu vermeiden?

Peter Dinges: Zunächst sind hier die Partner der Filmförderungsanstalt gefragt. Das heißt, auf der einen Seite die Branche selber, die mit ihren Verbänden in den Gremien der FFA sitzt, und auf der anderen Seite die Politik. Diese beiden Parteien müssen zunächst einmal miteinander in den Dialog treten und sich der Frage stellen, ob sie zur Tagesordnung übergehen oder ob sie das nicht können. Ich glaube, wir können –und sollten – nicht zur Tagesordnung übergehen. Viel besser und perspektivischer wäre es aus meiner Sicht, wie wir gemeinsam nach nunmehr 42 Jahren die FFA gestalten und für die Zukunft aufstellen wollen. Dazu gehören sicherlich auch Überlegungen, welche Reformen notwendig sind, um das System insgesamt besser an die Bedürfnisse seiner Partner anzupassen.

promedia: Die Branche hatte große Erwartungen an 3D. Abgesehen von „Avatar“ sind die nur in wenigen Fällen aufgegangen. Waren die großen Erwartungen überzogen?

Peter Dinges: Jede Branche braucht ihre eigene Lernkurve. Das gilt insbesondere dann, wenn eine neue Technik auf den Markt kommt, aber auch eine neue Form von Kreativität gefragt ist. Denn im Kern geht es bei 3D auch um eine andere Form der Stoffentwicklung und der Umsetzung in bewegte und bewegende Bilder. Auch der Umgang mit dem Kinopublikum ist ein Lernprozess für Produzenten und Verwerter, ich denke da an Real-3D oder Pseudo-3D. Von daher war es sicherlich eine durchaus kluge Entscheidung, „Harry Potter“ nicht nachträglich in ein 3D-Produkt zu konvertieren, das dann hinterher den ästhetischen Ansprüchen des Kinopublikums sehr wahrscheinlich nicht entsprochen hätte. Diese Erfahrung muss man erst einmal machen, um weiter erfolgreich sein zu können. Ich finde, da ist man sehr vorsichtig geworden, und dies zu Recht, um die neu gewonnene Faszination an der Innovation nicht gleich wieder zu verspielen.

promedia: Ändert das etwas an den Plänen, die Kinos auf 3D aufzurüsten?

Peter Dinges: Nein, das ist ein folgerichtiger Entschluss, denn man kann mit einer 3D-Leinwand einen höheren Umsatz erreichen, wie unsere Statistiken auch ganz klar belegen. Wenn das Publikum, wie in den letzten beiden Jahren, bereit ist, einen Mehrwert zu bezahlen, und man auf diese Weise volle Häuser hat, ist es für die Kinobetreiber nur folgerichtig, auf 3D umzurüsten. Dass die gesamte Infrastruktur der Branche digitale Leinwände braucht, um den Transport-, Verwertungs- und Distributionsprozess preiswerter, schneller und effizienter zu gestalten, ist eine andere Frage.

Veröffentlich in der promedia 3/2011

www.promedia-berlin.de

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