Die Verteilungskämpfe werden naturgemäß härter, wenn das Geld knapper wird

Interview mit Volker Herres, Programmdirektor des Ersten, promedia 01/2010

Der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, geht davon aus, dass sich die fehlenden 200 Millionen Euro, die der ARD bis 2012 an Gebühreneinnahmen fehlen sollen, nicht spürbar im Ersten Programm niederschlagen werden. „Die Verteilungskämpfe werden naturgemäß härter, wenn das Geld knapper wird. Ich weiß aber, dass in den Landesrundfunkanstalten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie wichtig Das Erste als gemeinsame Klammer der ARD, als das nationale Vollprogramm, ist. Das wird nicht jeden Verteilungskampf lösen, aber zumindest Prioritäten bestimmen“, so Herres in einem promedia-Gespräch. Er sei auch ständig mit Produzenten über neue und preiswertere Produktionen im Gespräch und man werde in bestimmten Herstellungsprozessen – und hier spielen auch technische Entwicklungen eine Rolle – Kosten reduzieren können, aber er halte nichts davon, „dass wir bei den fiktionalen High-End-Produkten die Standards senken und dem Zuschauer nicht mehr die gewohnte Qualität zu bieten. Großes Fernsehen muss auch so aussehen – und nicht, als wäre es an drei Tagen in einer Lagerhalle bei Kerzenlicht abgedreht worden.“

Volker Herres, Programmdirektor Das Erste
Volker Herres, Programmdirektor Das Erste

promedia: Herr Herres,  Ihre Zuschaueranteile waren 2009 rückläufig. Wird 2009 zum Schwächeanfall der Kreativität der ARD?
Volker Herres: Davon kann überhaupt keine Rede sein. Richtig ist, dass wir gegenüber dem Vorjahr an Marktanteilen eingebüßt haben und 2009 ein schwieriges Jahr war. 2008 fanden mehrere Sportgroßereignisse statt, die immer eine Lokomotivfunktion ausüben. Mit den Olympischen Spielen in Vancouver und der Fußball-WM in Südafrika werden wir solche Ereignisse aber 2010 wieder erleben. Einbrüche hatten 2009 auch die anderen nationalen Vollprogramme, so dass wir immer noch auf Platz eins liegen. Der Wettbewerb wird aber härter, weil immer mehr neue Programme am Kuchen nagen und sich Sehgewohnheiten fragmentieren. Es ist nicht mehr so leicht, im nationalen Fernsehwettbewerb auf die ganz hohen Ratings zu kommen.

promedia: Können Sie nur mit Sport Bester sein?

Volker Herres: Nein. Wir sind als nationales Vollprogramm auf Platz 1. Zu dieser Position gehört nicht nur Sport, sondern vor allem Information, das Fiktionale und auch Unterhaltung.

promedia: RTL muss sparen und hat trotzdem zugelegt. Was können Sie diesem massenattraktiven Programm entgegensetzen? Oder wollen Sie das vielleicht gar nicht?
Volker Herres: Wir wollen und können kein Programm machen, wie es RTL anbietet. Der Sinn des dualen Systems liegt darin, sich zu unterscheiden. Wir planen deshalb zum Beispiel Brüche im Audience Flow bewusst ein, um mit attraktiven fiktionalen und Unterhaltungsprogrammen die schwierigere Informationskost zu stützen. Solche Brüche würde ein kommerzieller Sender so nie hinnehmen. Wir nutzen unsere Lokomotiven, um allen Genres zu möglichst großem Erfolg zu verhelfen. Hinzu kommt, dass wir bestimmte Programmfarben der Kommerziellen nicht umsetzen. Die jüngsten Erfolge von RTL sind getragen von den Nachmittagsformaten wie „Verdachtsfälle“ oder „Familien im Brennpunkt“, die bei uns nichts verloren hätten.

promedia: Wo liegen hierbei Ihre Bedenken?
Volker Herres: Bei „Familien im Brennpunkt“ werden soziale Konflikte von Laiendarstellern gespielt, in einer Ausrichtung, die zu uns nicht passt.

promedia: Diese Formate zählen im weitesten Sinn zur Rubrik „Lebenshilfe“. Hat die ARD nicht weiterhin einen Nachholbedarf in diesem Bereich?
Volker Herres: „Familien im Brennpunkt“ bietet Lebenshilfe? Okay, da hat die ARD ein anderes Verständnis. Praktische Lebenshilfe ist aber weiterhin ein interessantes und notwendiges Feld, wenn man es auf öffentlich-rechtliche Weise beackert. Aus diesem Grund haben wir z.B. Tim Mälzer mit einer wöchentlichen Sendung ins Programm genommen. Ich kann mir im Ersten perspektivisch weitere Formate vorstellen, die sich aber von denen der kommerziellen Konkurrenz unterscheiden. Diese Formate würden sehr konkret Beratung bieten, wie es unsere Ratgeber-Klassiker seit Jahren tun.

promedia: Aber das ist „Zeigefinger“-Fernsehen.
Volker Herres: Nein, es sind die bewährten und viel gesehenen Service- und Beratungssendungen im Ersten Deutschen Fernsehen, die gute und nützliche journalistische Arbeit leisten. Bei den Hybridformaten kann man sicher immer wieder darüber nachdenken, was sich noch entwickeln lässt. Sendungen wie das „ARD Buffet“ sind aber bereits sehr erfolgreich und geben täglich auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise Tipps für alle möglichen Lebenslagen.

promedia: Was ist 2010 an Neuem im Programm zu erwarten?
Volker Herres: Der Fokus wird nicht auf Neuem liegen, sondern darauf, in vorhandenen, erfolgreichen Strukturen Highlights und in allen Genres möglichst attraktives Programm anzubieten. Wir werden bei der Fußball-WM, wie zuletzt bei den Olympischen Spielen in China, den Fokus der Berichterstattung auf den Austragungsort legen, das heißt den etwas vergessenen Kontinent Afrika. Wir werden das durch die WM entstehende Interesse nutzen, um auch über Gesellschaft, Politik, Umwelt und andere Themen zu berichten. Zudem wird es im kommenden Jahr ein ganzes Kaleidoskop fiktionaler Highlights geben: Bereits im Januar zeigen wir „Gier“ von Dieter Wedel, ein starkes Stück mit einer Top-Besetzung, im zweiten Quartal folgt die zweiteilige Mankell-Verfilmung „Kennedys Hirn“, im dritten Quartal „Der letzte Patriarch“ mit Mario Adorf und im vierten Quartal „Lakonia“ über den Seefahrtskrieg im Zweiten Weltkrieg. Auch bei Einzelfilmen werden wir ein starkes Jahr erleben, ebenso bei den Serien, etwa „Weißensee“, eine Familiengeschichte aus der DDR der 80er Jahre. Ein wirklich innovatives Format werden wir mit Dominik Grafs achtteiliger Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ ins Programm bringen. Im journalistischen Bereich setzen wir die Reihe „Deutschland, deine Künstler“ fort. Im nächsten Jahr finden auch eine ganze Reihe Jubiläen statt, angefangen mit 10 Jahre „Debüt im Ersten“, dann 25 Jahre „Lindenstraße“, 40 Jahre „Tatort“ und zu guter Letzt werden wir selbst, die ARD, auch noch 60.

promedia: Sie feiern sich selbst kräftig?
Volker Herres: Wir versuchen, ein attraktives Programm anzubieten, anstatt zu einem großen Festakt 1000 Multiplikatoren und enge Freunde einzuladen. Es sind zwei große Unterhaltungsshows am 15. und 17. April geplant, dazu vier Themennächte mit Highlights der Programmgeschichte sowie eine Dokumentation am 12. April. „60 Jahre ARD“ ist ein Programmereignis, bei dem wir auch die kritischen Aspekte nicht aussparen. Es gibt aber auch, zumindest in der Nachbetrachtung, komische Dinge, etwa die vertauschte Neujahrsansprache von Helmut Kohl.

promedia: Zu den Jubiläen gehört auch der 20. Jahrestag der Einheit. Die Arbeitsteilung zwischen ARD und ZDF bei der Berichterstattung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls war meiner Meinung nach nicht optimal und dem Ereignis nicht angemessen. Wie kommen solche Programmentscheidungen zustande?
Volker Herres: Über den Verlauf der Berichterstattung am 9. November bin auch ich nicht glücklich. Aber wir mussten uns damit abfinden, dass der Veranstalter, der Senat von Berlin, eine Medienpartnerschaft mit dem ZDF eingegangen ist. Dadurch bekam die Veranstaltung einen spezifischen Charakter. Meiner Meinung nach haben wir journalistisch nichts falsch gemacht. Ab 18.50 Uhr wurde live im Ersten berichtet, mit Zeitzeugen und den Ereignissen vor Ort. Wir haben auch Teile des Staatsaktes abgebildet, sind verspätet in die “Tagesschau” gegangen, um die Merkel-Rede live zu übertragen und haben dann nach 21.00 Uhr noch einmal einen 75-minütigen Rückblick auf 20 Jahre Mauerfall gezeigt. Dass der Zeitplan der Veranstaltung ein anderer war als angekündigt, machte für uns die Planung nicht einfach.

promedia: Sind Medienpartnerschaften die Zukunft der politischen Berichterstattung?
Volker Herres: Ich glaube nicht, dass es ein Zukunftsmodell sein kann, weil ich nicht der Ansicht bin, dass sehr viele Menschen damit glücklich waren. Es ist gut, wenn es Ereignisse gibt, die man angemessen begeht und bei denen die Medien die Rolle des Berichterstatters einnehmen.

promedia: Sie sind ein Jahr Programmdirektor des Ersten. Was zählen Sie zu Ihren Erfolgen und Niederlagen in dieser Zeit?
Volker Herres: Natürlich war ich enttäuscht, dass die Serie „Eine für alle“ im Vorabend nicht den Erfolg hatte, den ich mir gewünscht hätte. Aber Fernsehen ist auch ‚Trial and Error’. Wir haben jetzt mit der Nachfolgesendung „Das Duell“ ein Format, das auf Anhieb erfolgreicher ist und bei dem der Trend stimmt: Es liegt heute bei acht Prozent Marktanteil, immer noch kein Grund zum Jubeln, aber eine Trendwende auf diesem Platz, denn die Reichweite steigt langsam aber stetig. Es bleibt aber weiterhin eine Aufgabe, den Vorabend zu stärken.

Sehr erfolgreich waren die fiktionalen Angebote, von „Mogadischu“ bis „Jenseits der Mauer“ und „Willkommen zu Hause“. Es gab eine ganze Reihe von erfolgreichen fiktionalen Formaten im Regelprogramm, aber auch von herausgehobenen Event-Produktionen. Solche Marken zu setzen und das Fiktionale mit dem Journalistischen zu verbinden, um das geweckte Interesse in Gesprächssendungen oder Dokumentationen zu vertiefen, ist uns 2009 bereits sehr gut gelungen, weswegen wir auch 2010 solche Themenabende planen. Die Verbindung von Fiktion und Information erfüllt idealtypisch das, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten muss: bei wichtigen Themenstellungen, auf konsumierbare Art und Weise, große Aufmerksamkeit zu schaffen. Darüber hinaus ist es sehr erfreulich, dass wir den „Echo“ wieder im Ersten haben, weil er uns beim jüngeren Publikum gut positioniert. Ich freue mich außerdem über die Zusammenarbeit mit Stefan Raab, die wir für den Vorentscheid des „Eurovison Song Contests“ vereinbart haben.

promedia: Und die Bundesliga haben Sie für die ARD ja auch wieder gesichert…
Volker Herres: Eine meiner ersten Aufgaben – da war ich kaum durch die Tür – waren die Bundesliga-Verhandlungen. Besonders freue ich mich darüber, dass die Bundesliga-Sportschau am Samstag durch die Veränderungen des Spielplans keinen Schaden genommen hat. Im journalistischen Bereich haben wir eine tolle Wahlberichterstattung abgeliefert. Das Publikum stellt uns glänzende Noten aus, mit 74 Prozent „sehr gut“ und „gut“ für die Berichterstattung vor der Wahl und an den Wahlabenden. 82 Prozent des Informationsangebotes zu den Wahlen im Fernsehen fanden ausschließlich bei ARD und ZDF statt. Auch ein solches Zuschauerurteil ist ein großer Erfolg, gerade weil das Interesse an Politik insgesamt nicht so stark ausgeprägt war. Uns ist es aber trotzdem gelungen, ein Millionenpublikum mit politischen Themen und dem Wahlkampf zu beschäftigen. Das ist ein Beitrag zur öffentlichen Kultur in einer Demokratie, der manchmal schon vergessen wird, auch von Politikern. Umso mehr bin ich darüber erfreut, dass die „Tagesschau“ mit ihrer 20.00-Uhr-Ausgabe unverändert ganz weit oben ist. Ein weiterer Erfolg ist der „Tatort“, der gerade einen wahren Höhenflug erlebt: Einzelne Folgen bewegten sich um die Zehn-Millionen-Marke herum.

promedia: Der „Tatort“ greift vermehrt gesellschaftlich relevante Themen auf, die er durch gute Bücher und Schauspieler umsetzt. Er unterscheidet sich damit stark von klassischen Krimis…
Volker Herres: Er ist weit mehr als ein Krimi, weil er relevante gesellschaftliche Fragen stellt. Hier reihe ich auch den „Polizeiruf 110“ ein, der etwa zuletzt das Thema Kriegstrauma aufgegriffen hat. Es geht nicht darum, Politik abzubilden, aber einen Zusammenhang mit Themen herzustellen, die die Gesellschaft bewegen, macht die Qualität von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ aus.

promedia: Während die Privaten sich immer stärker Einzelschicksalen zuwenden, ist das die Marschrichtung für öffentlich-rechtliche Formate?
Volker Herres: Unsere Vorhaben für das kommende Jahr sind genau solche Stoffe. Dabei können sich Einzelschicksal und gesellschaftlich relevantes Thema im Übrigen überlappen: In der Produktion „Haltet die Welt an“ geht es um das Schicksal einer Frau, aber auch um Kindesentführung und -missbrauch. Auch nach der Krimikomödie und Gesellschaftssatire „Gier“ werden wir in „Hart aber fair“ und mit einer Dokumentation über die Finanz- und Wirtschaftskrise bewusst anschließen.

promedia: Sie haben diverse neue Projekte aufgezählt, darunter sehr aufwendige. Gehen die Gebührenrückgänge, die der ARD-Vorsitzende bis 2012 mit 200 Mio. Euro bezifferte, spurlos an Ihnen vorbei?
Volker Herres: Der Eindruck, wir würden im Geld schwimmen, ist sicherlich verkehrt. Wir haben die Einnahmeverluste zu verkraften, die allen Landesrundfunkanstalten richtig wehtun. Das spürt selbstverständlich auch der Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen, weil das Programm von der Leistungskraft der Landesrundfunkanstalten lebt. Es wird enger, aber wir sind uns einig, dass unsere Zuschauer Einsparungen am wenigsten spüren sollen. Deshalb hat der ARD-Vorsitzende zuletzt das Thema Kooperation in den Mittelpunkt gestellt. Die Situation im Norden kenne ich aus persönlicher Anschauung und weiß, wie eng Radio Bremen und der NDR inzwischen administrativ und produktionstechnisch verzahnt sind. Es lassen sich viele Kooperationen denken, die wirtschaftliche Effekte erbringen können. Darin wird die Hauptaufgabe liegen, damit man es im Programm zuletzt spürt.

promedia: Würde es Ihre Arbeit erleichtern, wenn sich einzelne Anstalten auf spezifische Formate beschränken?
Volker Herres: Im Moment stehen administrative und produktionstechnische Bereiche im Fokus. Beim Sport, dessen Großereignisse einen immensen Produktionsaufwand bedeuten, haben wir uns jedoch bereits auf eine neue Form der Koordinierung verständigt. Hier haben wir uns auf eine klare Federführung geeinigt, um die Kompetenz gebündelt regelmäßig abrufen zu können. Im Idealfall werden die Produktionen dadurch besser und billiger. Ich habe diese Federführung für Sportgroßereignisse sehr begrüßt und befördert.

promedia: Die Produzenten haben mehr preiswerte Formate angekündigt, um den Sendern das Sparen zu erleichtern. Sind Sie mit den Produzenten über solche billigeren Formate im Gespräch?
Volker Herres: Naturgemäß bin ich mit Produzenten sehr regelmäßig im Gespräch und dieses Thema wird natürlich diskutiert. Nur geht es dabei nicht darum, qualitativ andere Ware anzubieten. Man wird in bestimmten Herstellungsprozessen – und hier spielen auch technische Entwicklungen eine Rolle – Kosten reduzieren können. Das wird bei Serien und Telenovelas sehr gut funktionieren, weil auch kleine Einsparungen auf Grund der Stückzahlen sehr wirksam werden. Ich halte aber nichts davon, dass wir bei den fiktionalen High-End-Produkten die Standards senken und dem Zuschauer nicht mehr die gewohnte Qualität zu bieten. Großes Fernsehen muss auch so aussehen – und nicht, als wäre es an drei Tagen in einer Lagerhalle bei Kerzenlicht abgedreht worden.

promedia: Wird es möglicherweise zu einer Zweiteilung im Programm kommen: Festbeleuchtung nach 20.15 Uhr und vor der Tagesschau Kerzenlicht?
Volker Herres: Auch im Vorabendprogramm wird es bei uns kein Kerzenlicht geben.  Bei seriellen Formaten kann man aber eine ganze Menge zum Beispiel durch bessere Logistik erreichen. Bei den Serien nach 20.00 Uhr geht es um Feintuning. Damit kein Missverständnis aufkommt: Auch bei Hochglanzproduktionen wird in der Kalkulation über jeden Drehtag gestritten, nur gibt es hier ein Grundeinverständnis, dass ein großer Stoff mit erstklassigen Schauspielern nicht auf den Standard einer Telenovela heruntergedrückt wird. Das wäre absurd.

promedia: 200 Mio. Euro innerhalb von drei Jahren lassen sich doch nicht durch kleinere Einsparungen erwirtschaften und im Programm soll man es nicht merken. Es muss doch irgendwo Konsequenzen geben?
Volker Herres: Wir reden hier nicht über Einsparungen beim Kantinenessen, sondern über Personalabbau. Ich behaupte auch nicht, dass man es im Programm nicht spüren wird. Es wird in einigen Programmstrecken enger werden. Sollte etwa die Kostenexplosion der letzten Jahre im Spitzensport anhalten, wird man hier sicherlich das eine oder andere nicht mehr machen können. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass die Preise zumindest stabil bleiben.

promedia: Wird der WDR seine zu erwartenden 80 Mio. Euro Gebührenausfälle nicht lieber bei den Zulieferungen als in seinem eigenen Programmen einsparen? Werden Sie härter mit den Anstalten verhandeln müssen?
Volker Herres: Die Verteilungskämpfe werden naturgemäß härter, wenn das Geld knapper wird. Ich weiß aber, dass in den Landesrundfunkanstalten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie wichtig Das Erste als gemeinsame Klammer der ARD, als das nationale Vollprogramm, ist. Das wird nicht jeden Verteilungskampf lösen, aber zumindest Prioritäten bestimmen.

promedia: Ab 2013 wird im Abendprogramm Sponsoring wie Werbung behandelt. Heute gibt es dort kaum eine Sendung ohne Sponsoring. Lassen sich diese Sendungen ohne Sponsoring noch finanzieren?
Volker Herres: Es ist keineswegs so, dass die meisten unserer Angebote gesponsert werden. Und Sponsoringgelder werden nicht automatisch der jeweiligen Sendung zugeschlagen, sondern gelten als Einnahmen der Gemeinschaft und werden entsprechend aufgeteilt. Wir produzieren diese Sendungen nicht deshalb, weil sie soundso viel  Sponsoring einbringen, sondern wir zeigen die Sendung und dann erst melden sich Sponsoren, die interessiert sind. Wenn Sponsoring wegfällt, fehlt es auf der Einnahmeseite insgesamt und stellt nicht die einzelne Sendung in Frage.

promedia: Wird es hauptsächlich den fiktionalen und Unterhaltungsbereich treffen?

Volker Herres: Der Verlust trifft erst einmal alle. Die Sponsoringmittel werden auch nicht nach Programmgenres verteilt, sondern fließen in die Haushalte der Sender und werden dort den Programmmitteln insgesamt zugewiesen.

Über Volker Herres

  • Geboren: 1957
  • Studium Volkswirtschaftslehre, Publizistik und Politik
  • Während des Studiums freier Mitarbeit für Zeitungen
  • Ab 1983 Redakteur beim ZDF
  • Ab 1987 NDR, zunächst Referent in der Intendanz
  • 1991 Leiter und Sprecher der Intendanz
  • 1995 Fernseh-Chefredakteur des NDR
  • Bis April 2004 verantwortlich für alle
  • Informationssendungen des NDR im Ersten
  • Ab April 2004 TV-Programmdirektor des NDR
  • Seit November 2008 Programmdirektor Das Erste

Weitere Informationen: promedia

Der Programmdirektor des Ersten, Volker Herres, geht davon aus, dass sich die fehlenden 200 Millionen Euro, die der ARD bis 2012 an Gebühreneinnahmen fehlen sollen, nicht spürbar im Ersten Programm niederschlagen werden. „Die Verteilungskämpfe werden naturgemäß härter, wenn das Geld knapper wird. Ich weiß aber, dass in den Landesrundfunkanstalten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie wichtig Das Erste als gemeinsame Klammer der ARD, als das nationale Vollprogramm, ist. Das wird nicht jeden Verteilungskampf lösen, aber zumindest Prioritäten bestimmen“, so Herres in einem promedia-Gespräch. Er sei auch ständig mit Produzenten über neue und preiswertere Produktionen im Gespräch und man werde in bestimmten Herstellungsprozessen – und hier spielen auch technische Entwicklungen eine Rolle – Kosten reduzieren können, aber er halte nichts davon, „dass wir bei den fiktionalen High-End-Produkten die Standards senken und dem Zuschauer nicht mehr die gewohnte Qualität zu bieten. Großes Fernsehen muss auch so aussehen – und nicht, als wäre es an drei Tagen in einer Lagerhalle bei Kerzenlicht abgedreht worden.“

promedia: Herr Herres, Ihre Zuschaueranteile waren 2009 rückläufig. Wird 2009 zum Schwächeanfall der Kreativität der ARD?

Herres: Davon kann überhaupt keine Rede sein. Richtig ist, dass wir gegenüber dem Vorjahr an Marktanteilen eingebüßt haben und 2009 ein schwieriges Jahr war. 2008 fanden mehrere Sportgroßereignisse statt, die immer eine Lokomotivfunktion ausüben. Mit den Olympischen Spielen in Vancouver und der Fußball-WM in Südafrika werden wir solche Ereignisse aber 2010 wieder erleben. Einbrüche hatten 2009 auch die anderen nationalen Vollprogramme, so dass wir immer noch auf Platz eins liegen. Der Wettbewerb wird aber härter, weil immer mehr neue Programme am Kuchen nagen und sich Sehgewohnheiten fragmentieren. Es ist nicht mehr so leicht, im nationalen Fernsehwettbewerb auf die ganz hohen Ratings zu kommen.

promedia: Können Sie nur mit Sport Bester sein?

Herres: Nein. Wir sind als nationales Vollprogramm auf Platz 1. Zu dieser Position gehört nicht nur Sport, sondern vor allem Information, das Fiktionale und auch Unterhaltung.

promedia: RTL muss sparen und hat trotzdem zugelegt. Was können Sie diesem massenattraktiven Programm entgegensetzen? Oder wollen Sie das vielleicht gar nicht?

Herres: Wir wollen und können kein Programm machen, wie es RTL anbietet. Der Sinn des dualen Systems liegt darin, sich zu unterscheiden. Wir planen deshalb zum Beispiel Brüche im Audience Flow bewusst ein, um mit attraktiven fiktionalen und Unterhaltungsprogrammen die schwierigere Informationskost zu stützen. Solche Brüche würde ein kommerzieller Sender so nie hinnehmen. Wir nutzen unsere Lokomotiven, um allen Genres zu möglichst großem Erfolg zu verhelfen. Hinzu kommt, dass wir bestimmte Programmfarben der Kommerziellen nicht umsetzen. Die jüngsten Erfolge von RTL sind getragen von den Nachmittagsformaten wie „Verdachtsfälle“ oder „Familien im Brennpunkt“, die bei uns nichts verloren hätten.

promedia: Wo liegen hierbei Ihre Bedenken?

Herres: Bei „Familien im Brennpunkt“ werden soziale Konflikte von Laiendarstellern gespielt, in einer Ausrichtung, die zu uns nicht passt.

promedia: Diese Formate zählen im weitesten Sinn zur Rubrik „Lebenshilfe“. Hat die ARD nicht weiterhin einen Nachholbedarf in diesem Bereich?

Herres: „Familien im Brennpunkt“ bietet Lebenshilfe? Okay, da hat die ARD ein anderes Verständnis. Praktische Lebenshilfe ist aber weiterhin ein interessantes und notwendiges Feld, wenn man es auf öffentlich-rechtliche Weise beackert. Aus diesem Grund haben wir z.B. Tim Mälzer mit einer wöchentlichen Sendung ins Programm genommen. Ich kann mir im Ersten perspektivisch weitere Formate vorstellen, die sich aber von denen der kommerziellen Konkurrenz unterscheiden. Diese Formate würden sehr konkret Beratung bieten, wie es unsere Ratgeber-Klassiker seit Jahren tun.

promedia: Aber das ist „Zeigefinger“-Fernsehen.

Herres: Nein, es sind die bewährten und viel gesehenen Service- und Beratungssendungen im Ersten Deutschen Fernsehen, die gute und nützliche journalistische Arbeit leisten. Bei den Hybridformaten kann man sicher immer wieder darüber nachdenken, was sich noch entwickeln lässt. Sendungen wie das „ARD Buffet“ sind aber bereits sehr erfolgreich und geben täglich auf eine sehr unterhaltsame Art und Weise Tipps für alle möglichen Lebenslagen.

promedia: Was ist 2010 an Neuem im Programm zu erwarten?

Herres: Der Fokus wird nicht auf Neuem liegen, sondern darauf, in vorhandenen, erfolgreichen Strukturen Highlights und in allen Genres möglichst attraktives Programm anzubieten. Wir werden bei der Fußball-WM, wie zuletzt bei den Olympischen Spielen in China, den Fokus der Berichterstattung auf den Austragungsort legen, das heißt den etwas vergessenen Kontinent Afrika. Wir werden das durch die WM entstehende Interesse nutzen, um auch über Gesellschaft, Politik, Umwelt und andere Themen zu berichten. Zudem wird es im kommenden Jahr ein ganzes Kaleidoskop fiktionaler Highlights geben: Bereits im Januar zeigen wir „Gier“ von Dieter Wedel, ein starkes Stück mit einer Top-Besetzung, im zweiten Quartal folgt die zweiteilige Mankell-Verfilmung „Kennedys Hirn“, im dritten Quartal „Der letzte Patriarch“ mit Mario Adorf und im vierten Quartal „Lakonia“ über den Seefahrtskrieg im Zweiten Weltkrieg. Auch bei Einzelfilmen werden wir ein starkes Jahr erleben, ebenso bei den Serien, etwa „Weißensee“, eine Familiengeschichte aus der DDR der 80er Jahre. Ein wirklich innovatives Format werden wir mit Dominik Grafs achtteiliger Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ ins Programm bringen. Im journalistischen Bereich setzen wir die Reihe „Deutschland, deine Künstler“ fort. Im nächsten Jahr finden auch eine ganze Reihe Jubiläen statt, angefangen mit 10 Jahre „Debüt im Ersten“, dann 25 Jahre „Lindenstraße“, 40 Jahre „Tatort“ und zu guter Letzt werden wir selbst, die ARD, auch noch 60.

promedia: Sie feiern sich selbst kräftig?

Herres: Wir versuchen, ein attraktives Programm anzubieten, anstatt zu einem großen Festakt 1000 Multiplikatoren und enge Freunde einzuladen. Es sind zwei große Unterhaltungsshows am 15. und 17. April geplant, dazu vier Themennächte mit Highlights der Programmgeschichte sowie eine Dokumentation am 12. April. „60 Jahre ARD“ ist ein Programmereignis, bei dem wir auch die kritischen Aspekte nicht aussparen. Es gibt aber auch, zumindest in der Nachbetrachtung, komische Dinge, etwa die vertauschte Neujahrsansprache von Helmut Kohl.

promedia: Zu den Jubiläen gehört auch der 20. Jahrestag der Einheit. Die Arbeitsteilung zwischen ARD und ZDF bei der Berichterstattung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls war meiner Meinung nach nicht optimal und dem Ereignis nicht angemessen. Wie kommen solche Programmentscheidungen zustande?

Herres: Über den Verlauf der Berichterstattung am 9. November bin auch ich nicht glücklich. Aber wir mussten uns damit abfinden, dass der Veranstalter, der Senat von Berlin, eine Medienpartnerschaft mit dem ZDF eingegangen ist. Dadurch bekam die Veranstaltung einen spezifischen Charakter. Meiner Meinung nach haben wir journalistisch nichts falsch gemacht. Ab 18.50 Uhr wurde live im Ersten berichtet, mit Zeitzeugen und den Ereignissen vor Ort. Wir haben auch Teile des Staatsaktes abgebildet, sind verspätet in die “Tagesschau” gegangen, um die Merkel-Rede live zu übertragen und haben dann nach 21.00 Uhr noch einmal einen 75-minütigen Rückblick auf 20 Jahre Mauerfall gezeigt. Dass der Zeitplan der Veranstaltung ein anderer war als angekündigt, machte für uns die Planung nicht einfach.

promedia: Sind Medienpartnerschaften die Zukunft der politischen Berichterstattung?

Herres: Ich glaube nicht, dass es ein Zukunftsmodell sein kann, weil ich nicht der Ansicht bin, dass sehr viele Menschen damit glücklich waren. Es ist gut, wenn es Ereignisse gibt, die man angemessen begeht und bei denen die Medien die Rolle des Berichterstatters einnehmen.

promedia: Sie sind ein Jahr Programmdirektor des Ersten. Was zählen Sie zu Ihren Erfolgen und Niederlagen in dieser Zeit?

Herres: Natürlich war ich enttäuscht, dass die Serie „Eine für alle“ im Vorabend nicht den Erfolg hatte, den ich mir gewünscht hätte. Aber Fernsehen ist auch ‚Trial and Error’. Wir haben jetzt mit der Nachfolgesendung „Das Duell“ ein Format, das auf Anhieb erfolgreicher ist und bei dem der Trend stimmt: Es liegt heute bei acht Prozent Marktanteil, immer noch kein Grund zum Jubeln, aber eine Trendwende auf diesem Platz, denn die Reichweite steigt langsam aber stetig. Es bleibt aber weiterhin eine Aufgabe, den Vorabend zu stärken.

Sehr erfolgreich waren die fiktionalen Angebote, von „Mogadischu“ bis „Jenseits der Mauer“ und „Willkommen zu Hause“. Es gab eine ganze Reihe von erfolgreichen fiktionalen Formaten im Regelprogramm, aber auch von herausgehobenen Event-Produktionen. Solche Marken zu setzen und das Fiktionale mit dem Journalistischen zu verbinden, um das geweckte Interesse in Gesprächssendungen oder Dokumentationen zu vertiefen, ist uns 2009 bereits sehr gut gelungen, weswegen wir auch 2010 solche Themenabende planen. Die Verbindung von Fiktion und Information erfüllt idealtypisch das, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten muss: bei wichtigen Themenstellungen, auf konsumierbare Art und Weise, große Aufmerksamkeit zu schaffen. Darüber hinaus ist es sehr erfreulich, dass wir den „Echo“ wieder im Ersten haben, weil er uns beim jüngeren Publikum gut positioniert. Ich freue mich außerdem über die Zusammenarbeit mit Stefan Raab, die wir für den Vorentscheid des „Eurovison Song Contests“ vereinbart haben.

promedia: Und die Bundesliga haben Sie für die ARD ja auch wieder gesichert…

Herres: Eine meiner ersten Aufgaben – da war ich kaum durch die Tür – waren die Bundesliga-Verhandlungen. Besonders freue ich mich darüber, dass die Bundesliga-Sportschau am Samstag durch die Veränderungen des Spielplans keinen Schaden genommen hat. Im journalistischen Bereich haben wir eine tolle Wahlberichterstattung abgeliefert. Das Publikum stellt uns glänzende Noten aus, mit 74 Prozent „sehr gut“ und „gut“ für die Berichterstattung vor der Wahl und an den Wahlabenden. 82 Prozent des Informationsangebotes zu den Wahlen im Fernsehen fanden ausschließlich bei ARD und ZDF statt. Auch ein solches Zuschauerurteil ist ein großer Erfolg, gerade weil das Interesse an Politik insgesamt nicht so stark ausgeprägt war. Uns ist es aber trotzdem gelungen, ein Millionenpublikum mit politischen Themen und dem Wahlkampf zu beschäftigen. Das ist ein Beitrag zur öffentlichen Kultur in einer Demokratie, der manchmal schon vergessen wird, auch von Politikern. Umso mehr bin ich darüber erfreut, dass die „Tagesschau“ mit ihrer 20.00-Uhr-Ausgabe unverändert ganz weit oben ist. Ein weiterer Erfolg ist der „Tatort“, der gerade einen wahren Höhenflug erlebt: Einzelne Folgen bewegten sich um die Zehn-Millionen-Marke herum.

promedia: Der „Tatort“ greift vermehrt gesellschaftlich relevante Themen auf, die er durch gute Bücher und Schauspieler umsetzt. Er unterscheidet sich damit stark von klassischen Krimis…

Herres: Er ist weit mehr als ein Krimi, weil er relevante gesellschaftliche Fragen stellt. Hier reihe ich auch den „Polizeiruf 110“ ein, der etwa zuletzt das Thema Kriegstrauma aufgegriffen hat. Es geht nicht darum, Politik abzubilden, aber einen Zusammenhang mit Themen herzustellen, die die Gesellschaft bewegen, macht die Qualität von „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ aus.

promedia: Während die Privaten sich immer stärker Einzelschicksalen zuwenden, ist das die Marschrichtung für öffentlich-rechtliche Formate?

Herres: Unsere Vorhaben für das kommende Jahr sind genau solche Stoffe. Dabei können sich Einzelschicksal und gesellschaftlich relevantes Thema im Übrigen überlappen: In der Produktion „Haltet die Welt an“ geht es um das Schicksal einer Frau, aber auch um Kindesentführung und -missbrauch. Auch nach der Krimikomödie und Gesellschaftssatire „Gier“ werden wir in „Hart aber fair“ und mit einer Dokumentation über die Finanz- und Wirtschaftskrise bewusst anschließen.

promedia: Sie haben diverse neue Projekte aufgezählt, darunter sehr aufwendige. Gehen die Gebührenrückgänge, die der ARD-Vorsitzende bis 2012 mit 200 Mio. Euro bezifferte, spurlos an Ihnen vorbei?

Herres: Der Eindruck, wir würden im Geld schwimmen, ist sicherlich verkehrt. Wir haben die Einnahmeverluste zu verkraften, die allen Landesrundfunkanstalten richtig wehtun. Das spürt selbstverständlich auch der Programmdirektor Erstes Deutsches Fernsehen, weil das Programm von der Leistungskraft der Landesrundfunkanstalten lebt. Es wird enger, aber wir sind uns einig, dass unsere Zuschauer Einsparungen am wenigsten spüren sollen. Deshalb hat der ARD-Vorsitzende zuletzt das Thema Kooperation in den Mittelpunkt gestellt. Die Situation im Norden kenne ich aus persönlicher Anschauung und weiß, wie eng Radio Bremen und der NDR inzwischen administrativ und produktionstechnisch verzahnt sind. Es lassen sich viele Kooperationen denken, die wirtschaftliche Effekte erbringen können. Darin wird die Hauptaufgabe liegen, damit man es im Programm zuletzt spürt.

promedia: Würde es Ihre Arbeit erleichtern, wenn sich einzelne Anstalten auf spezifische Formate beschränken?

Herres: Im Moment stehen administrative und produktionstechnische Bereiche im Fokus. Beim Sport, dessen Großereignisse einen immensen Produktionsaufwand bedeuten, haben wir uns jedoch bereits auf eine neue Form der Koordinierung verständigt. Hier haben wir uns auf eine klare Federführung geeinigt, um die Kompetenz gebündelt regelmäßig abrufen zu können. Im Idealfall werden die Produktionen dadurch besser und billiger. Ich habe diese Federführung für Sportgroßereignisse sehr begrüßt und befördert.

promedia: Die Produzenten haben mehr preiswerte Formate angekündigt, um den Sendern das Sparen zu erleichtern. Sind Sie mit den Produzenten über solche billigeren Formate im Gespräch?

Herres: Naturgemäß bin ich mit Produzenten sehr regelmäßig im Gespräch und dieses Thema wird natürlich diskutiert. Nur geht es dabei nicht darum, qualitativ andere Ware anzubieten. Man wird in bestimmten Herstellungsprozessen – und hier spielen auch technische Entwicklungen eine Rolle – Kosten reduzieren können. Das wird bei Serien und Telenovelas sehr gut funktionieren, weil auch kleine Einsparungen auf Grund der Stückzahlen sehr wirksam werden. Ich halte aber nichts davon, dass wir bei den fiktionalen High-End-Produkten die Standards senken und dem Zuschauer nicht mehr die gewohnte Qualität zu bieten. Großes Fernsehen muss auch so aussehen – und nicht, als wäre es an drei Tagen in einer Lagerhalle bei Kerzenlicht abgedreht worden.

promedia: Wird es möglicherweise zu einer Zweiteilung im Programm kommen: Festbeleuchtung nach 20.15 Uhr und vor der Tagesschau Kerzenlicht?

Herres: Auch im Vorabendprogramm wird es bei uns kein Kerzenlicht geben. Bei seriellen Formaten kann man aber eine ganze Menge zum Beispiel durch bessere Logistik erreichen. Bei den Serien nach 20.00 Uhr geht es um Feintuning. Damit kein Missverständnis aufkommt: Auch bei Hochglanzproduktionen wird in der Kalkulation über jeden Drehtag gestritten, nur gibt es hier ein Grundeinverständnis, dass ein großer Stoff mit erstklassigen Schauspielern nicht auf den Standard einer Telenovela heruntergedrückt wird. Das wäre absurd.

promedia: 200 Mio. Euro innerhalb von drei Jahren lassen sich doch nicht durch kleinere Einsparungen erwirtschaften und im Programm soll man es nicht merken. Es muss doch irgendwo Konsequenzen geben?

Herres: Wir reden hier nicht über Einsparungen beim Kantinenessen, sondern über Personalabbau. Ich behaupte auch nicht, dass man es im Programm nicht spüren wird. Es wird in einigen Programmstrecken enger werden. Sollte etwa die Kostenexplosion der letzten Jahre im Spitzensport anhalten, wird man hier sicherlich das eine oder andere nicht mehr machen können. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass die Preise zumindest stabil bleiben.

promedia: Wird der WDR seine zu erwartenden 80 Mio. Euro Gebührenausfälle nicht lieber bei den Zulieferungen als in seinem eigenen Programmen einsparen? Werden Sie härter mit den Anstalten verhandeln müssen?

Herres: Die Verteilungskämpfe werden naturgemäß härter, wenn das Geld knapper wird. Ich weiß aber, dass in den Landesrundfunkanstalten ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie wichtig Das Erste als gemeinsame Klammer der ARD, als das nationale Vollprogramm, ist. Das wird nicht jeden Verteilungskampf lösen, aber zumindest Prioritäten bestimmen.

promedia: Ab 2013 wird im Abendprogramm Sponsoring wie Werbung behandelt. Heute gibt es dort kaum eine Sendung ohne Sponsoring. Lassen sich diese Sendungen ohne Sponsoring noch finanzieren?

Herres: Es ist keineswegs so, dass die meisten unserer Angebote gesponsert werden. Und Sponsoringgelder werden nicht automatisch der jeweiligen Sendung zugeschlagen, sondern gelten als Einnahmen der Gemeinschaft und werden entsprechend aufgeteilt. Wir produzieren diese Sendungen nicht deshalb, weil sie soundso viel Sponsoring einbringen, sondern wir zeigen die Sendung und dann erst melden sich Sponsoren, die interessiert sind. Wenn Sponsoring wegfällt, fehlt es auf der Einnahmeseite insgesamt und stellt nicht die einzelne Sendung in Frage.

promedia: Wird es hauptsächlich den fiktionalen und Unterhaltungsbereich treffen?

Herres: Der Verlust trifft erst einmal alle. Die Sponsoringmittel werden auch nicht nach Programmgenres verteilt, sondern fließen in die Haushalte der Sender und werden dort den Programmmitteln insgesamt zugewiesen.

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