Trendmonitor 2015: Multichannel-Networks läuten neue Ära der TV- und Videoproduktion ein. Trend-Ausblick von Marcus Hochhaus

MCNs sind Major-Studios 3.0: Multichannel-Networks läuten neue Ära der TV- und Videoproduktion ein

Dr. Marcus Hochhaus, © Goldmedia
Dr. Marcus Hochhaus, © Goldmedia

Werbefinanzierte VoD-Angebote erwirtschaften heute ein Viertel des gesamten Video-on-Demand-Umsatzes in Deutschland. 2019 wird deren Anteil schon rund die Hälfte ausmachen (Goldmedia VoD-Forecast 2019). Der größte Teil davon entfällt heute auf YouTube. Treiber dieses Wachstums sind vor allem die Multichannel-Networks – sogenannte MCNs, deren Bedeutung als Produzenten, Distributoren und Vermarkter von Videoinhalten über digitale Plattformen im kommenden Jahr weiter steigen wird.

Multichannel-Networks werden für Filmstudios und TV-Sender als Produzenten, Aggregatoren und Vermarkter von Content zu starken Konkurrenten, weil sie ihren Kompetenzvorsprung in einem neuen und kräftig wachsenden Bereich schnell und systematisch ausbauen. Damit stehen die MCNs in der Tradition der Filmstudios und TV-Netzwerke, die seinerzeit auch in Reaktion auf die Entwicklung neuer Distributionswege entstanden sind.

Der Blick in die Filmgeschichte

Die US-amerikanischen Filmstudios waren anfangs ebenfalls Independents, die sich vor allem durch neue, filmische Erzählformen und Innovationen gegen die bis 1917 u.a. von Edison, Pathe und Kodak beherrschte Motion Picture Patent Company (MPPA) durchsetzen konnten. Später zu erfolgreichen Major-Studios gewachsen, mussten sie selber auf neuen Wettbewerb reagieren: die Entwicklung des Fernsehens und dessen Massenattraktivität. Einer anfänglich starken Abwehrhaltung gegenüber dem neuen Medium folgte bald die „Umarmung“ – in den USA ebenso wie in Deutschland: Eigene TV-Produktionsgesellschaften wurden gegründet und schließlich auch weltweit eigene TV-Sender. Damit konnte man vor allem die Kompetenz in der Content-Produktion erweitern und die Marktposition in der Distribution ausbauen.

Geburtsstunde für MCNs

Vor allem unter dem Makel der mangelnden Professionalität der Inhalte blieben Online-Videos lange das Stiefkind der Werbemärkte. Einen wichtigen Innovationsschub gab es erst 2011 durch die von YouTube gegründete Audience Development Group und die Schaffung wichtiger Rahmenbedingungen, so etwa die Bündelung und gemeinsame Vermarktung von YouTube-Kanälen. In gewisser Weise war dies die Geburtsstunde der MCNs.

Endlich konnten die sogenannten YouTuber sich nicht nur über hohe Zuschauerzahlen freuen, sondern auch an deren Reichweite verdienen – quasi eine Demokratisierung des TV-Vermarktungsmodells. Die MCNs unterstützen aber nicht nur die Content-Produzenten und steigern deren Reichweite signifikant, sondern sie bündeln einzelne Amateur-Kanäle zu berechenbaren Werbeumfeldern. Damit tragen sie wesentlich zur Entwicklung dieser Content-Gattung bei, was derzeit vor allem der weltweit wichtigsten Plattform YouTube zugutekommt. YouTube ist ganz klar der Gatekeeper dieses Trends. Allerdings: Es stehen in allen wichtigen Märkten alternative Plattformen und Player in den Startlöchern, die auf ihre Chance warten.

Die Eigengründungen und Akquisitionen von MCNs durch RTL/Freemantle und ProSiebenSat.1 wie auch die Beteiligungen der internationalen Majors und TV-Networks sind ein klares Signal: Marginalisierung und Abwertung dieses Zukunftssegments sind längst Anerkennung und Respekt gewichen. Sollten sich die Veränderungen von Technologie und Mediennutzung mit unveränderter Geschwindigkeit fortsetzten, werden die MCNs bald nicht nur den werbefinanzierten VoD-Markt dominieren, sondern schnell auch neue Content-Angebote und Geschäftsmodelle etablieren. In der Tradition der Major-Studios könnten sie damit eine ganz neue Ära des TV- und VoD-Marktes einläuten, deren Zeuge wir bereits in 2015 werden: die Major-Studios 3.0.

Autor: Dr. Marcus Hochhaus, Goldmedia Consulting GmbH

Der Beitrag wurde bei kress.de als Gastbeitrag erstveröffentlicht.

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