All Eyes on NRW. Petra Müller, Geschäftsführerin der Filmstiftung NRW, im Gespräch mit promedia

Strategie, Förderung und Marketing für den Medienstandort NRW kommen aus einer Hand

Die Filmstiftung NRW ist im Wandel von einer Filmförderungs- zu einer Medienförderungsinstitution. Seitdem Petra Müller vor zehn Monaten die Geschäftsführung übernommen hat, sind bereits wichtige Strukturveränderungen erfolgt. Von hier „werden in Zukunft Strategie, Förderung und Marketing für den Standort aus einer Hand kommen“, so Petra Müller in einem promedia-Gespräch.

Petra Müller
Petra Müller

promedia: Frau Müller, kann man nach dieser kurzen Zeit schon Ergebnisse nennen?
Petra Müller: Ich bin nach NRW gekommen, um die Filmstiftung zum integrierten Förderhaus und zur zentralen Anlaufstelle für Film und Medien weiter zu entwickeln. Konkret geht es darum, das Haus für neue Medien zu öffnen und das Standortmarketing zu stärken. Die Neuausrichtung ist in vollem Gange und zum medienforum.nrw sind wie angekündigt die ersten Ergebnisse da: Die Filmstiftung hat – jetzt ganz offiziell – das Mediencluster.NRW übernommen. So werden in Zukunft Strategie, Förderung und Marketing für den Standort aus einer Hand kommen. Wie geplant starten wir im Juli mit der Prototypenförderung für innovative audiovisuelle Medieninhalte – 360 Grad, Games, Web, Mobile. Das sind wichtige strukturelle Meilensteine.promedia: Mit der Neuausrichtung soll sich das Haus, wie Sie sagen, auch stärker um das Standortmarketing kümmern, wie weit sind sie hier?
Petra Müller: Die Standortmarketingabteilung ist im Aufbau und hat als Grundlage für unsere Arbeit zunächst alle verfügbaren Daten und Fakten zu Film und Medien in NRW – von TV, Radio, Verlage, Games, Internet bis zu Telekommunikation – recherchiert, die wir zum Medienforum in einer umfassenden Standortbroschüre vorstellen werden. Seit Ende des vergangenen Jahres informieren wir in allen unseren Publikationen und insbesondere in regelmäßigen E-News nicht nur über Film und Kino, sondern über alles, was in Sachen Medien in NRW passiert. Wir haben NRW in Venedig, Berlin und Cannes präsentiert, ebenso wie bei den International Emmys, der MIPCOM und der MIPTV in Cannes. Im April haben wir dort in Kooperation mit Hamburg und Berlin-Brandenburg einen Deutschen Empfang ausgerichtet usw. Wir haben die NRW-Filmbranche zu Gesprächsrunden eingeladen, Kreative aus Film, Literatur und Games zusammengebracht, um die standortinterne Vernetzung und Kommunikation zu verstärken.

promedia: Wo sehen Sie die größten Stärken, wo die größten Defizite im Vergleich zu anderen Medienstandorten?
Petra Müller: Fernsehen und Film, Telekommunikation und Verlage, Internet und Games, Werbung und Kommunikation – in diesen wie in den meisten anderen Branchen der Medien- und Kommunikationswirtschaft spielt das Land Nordrhein-Westfalen in der ersten Liga. Hier sitzen international agierende Medienkonzerne wie Bertelsmann und die Telekom, die Marktführer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des privaten Fernsehens in Europa, WDR und RTL, Ubisoft und Electronic Arts als internationale Spieler der Gamesbranche, umsatzstarke Werbeagenturen, die führenden deutschen Produzenten für TV und Entertainment, ambitionierte, international arbeitende Filmproduzenten und rund herum eine große Zahl an Kreativschmieden, Dienstleistern und Studios, die Nordrhein-Westfalen zum „Hauptlieferanten“ medialer Inhalte machen. NRW ist ein – Verzeihung verehrte Frau Ministerpräsidentin – kreatives Kraftwerk. Aber es scheint, dass die Stärken des Standortes in den letzten Jahren nicht immer die angemessene Wahrnehmung gefunden haben. Das wollen wir ändern.

promedia: Wo liegen gegenwärtig die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Petra Müller: Die Förderung von Film, Fernsehen und Kino verlangt kontinuierlich die größte Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Hinzu kommt jetzt die Implementierung der neuen Förderaufgaben in Verbindung mit der Integration des Medienclusters. Auch das ist noch ein gutes Stück Arbeit, bis hier alle Räder ineinander greifen. „All Eyes on NRW“ – das ist unser Leitspruch für das Standortmarketing in der zweiten Jahreshälfte. Und das NRW-Medienjahr liefert uns zahlreiche Anlässe, den Standort angemessen zu präsentieren. Nach dem medienforum bzw. dem Filmkongress folgen die c/o pop und  die FilmSchauPlätze im Juli, im August die Gamescom, im September und Oktober RadioDay und Hörspielforum, Fernsehpreis und Comedy-Festival, im November dann der NRW-Filmherbst mit kleinen, feinen Fachfestivals in Köln, dem Kinoprogrammpreis und dem Kinofest Lünen. International werden wir in Locarno, Venedig und bei der MIP präsent sein. Ganz wichtig ist mir persönlich die Nachwuchsarbeit.

promedia: Spüren Sie bei der Filmwirtschaft die Sorge, dass diese Branche künftig zu kurz kommen könnte?
Petra Müller: Wir haben von Beginn an klar gemacht, dass die Neuausrichtung des Hauses und die Erweiterung der Aufgeben nicht zu Lasten der Förderung von Film und Fernsehproduktionen gehen wird. Da die Förderung unter der Leitung von Christina Bentlage kontinuierlich, verlässlich und hoch professionell weitergeführt wurde, ist nach meiner Wahrnehmung an dieser Stelle Entspannung eingetreten.

promedia: Der Filmkongress steht in diesem Jahr unter dem Motto „Von hier aus!“ Was ist damit gemeint?
Petra Müller: „Von hier aus!“ war vor fast genau 25 Jahren der Titel einer Ausstellung mit Werken junger deutscher Künstler, eine Art Standortbestimmung der bildenden Kunst in dieser Zeit, die in der Düsseldorfer Messe gezeigt wurde. Ein Motto, das Aufbruch signalisiert, Vergangenheit, Zukunft und das Jetzt zueinander ordnet. Das passt gut zum Internationalen Filmkongress und seinen Themen. Denn hier geht es um Film und die digitale Revolution, um die Zukunft des Films im Internetzeitalter. Wir wollen fragen, wo die Reise hingeht in Sachen technologischer Entwicklung, neue Geräte und neue Märkte, Nutzerverhalten, neue Plattformen und Distribution, Produktion und innovativer Contententwicklung. Auch hier wollen wir uns öffnen, denn diese Fragen treibt ja nicht nur die Filmleute um, sondern auch Medienbranche. Kuratiert wurde die erwähnte Düsseldorfer Ausstellung seinerzeit von Kasper König, dem heutigen Direktor des Museum Ludwig. Dazu gehört dann noch ein sehr prägnanter Schriftzug von Joseph Beuys. Mehr NRW geht irgendwie nicht. Und es hat mir Freude gemacht, diesen Persönlichkeiten mit dieser kleinen Reminiszenz Respekt zu zollen.

promedia: Der Filmkongress kümmert sich um die digitale Verwertung von Filmen im Netz und auch die Film- und Medienpolitik spielt eine wichtige Rolle. Warum?
Petra Müller: Die Distributionswege für Filme und TV-Programme haben sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht, Bewegtbild-Inhalte sind überall zu haben: Sei es auf  Video-on-Demand-Plattformen wie YouTube, Sevenload  oder Maxdome, bei den Mediatheken der TV-Sender, auf Plattformen wie Hulu, als Internet-TV-Angebote wie „Entertain“. Für Content-Produzenten ist und bleibt die zentrale Frage, wie ihre Inhalte in Zukunft finanziert werden können, wie neue Verwertung, Distribution und Wertschöpfung aussehen werden. Ohnehin sind rund die Hälfte aller Filme, die jährlich im deutschen Kino starten, sind schon jetzt im Netz verfügbar, ein Drittel davon bereits Tage vor dem Kinostart. Als illegale Raubkopien. Das zeigt einerseits, dass das Internet auch im Film längst seinen Siegeszug angetreten hat, zum Anderen liegt hier der film- und medienpoltische Regelungsbedarf auf der Hand.

promedia: Welche Konsequenzen haben diese Veränderungen, die sich für die Filmbranche aus der Digitalisierung ergeben, für Ihre Arbeit?
Petra Müller: Wir sehen schon jetzt die neuen Möglichkeiten des Geschichtenerzählens. Im Kongress wollen wir genau hierüber mit Tom Tykwer und Oskar Röhler sprechen und im Anschluss die wichtigsten deutschen CGI-Spezialisten, von scanline oder pixomondo mit ihren neuen Filmprojekten vorstellen. In der Förderung ist die Kinodigitalisierung nach wie vor ein wichtiges Thema und  auch 3D-Projekte nehmen zu. Darüber hinaus erhalten wir gerade auch vom kreativen Nachwuchs mehr und mehr transmediale Projekte, die das Internet und die Interaktivität von vornherein mitdenken. Für unsere Arbeit bedeutet das, dass wir unseren Förderkanon wie beschrieben ausdifferenzieren müssen, aber auch, dass man selbst wie auch das Team ständig dazu lernen muss, um der Branche ein professioneller Partner sein zu können.

promedia: Welche Chancen sehen Sie, die Anziehungskraft von NRW für internationale Projekte zu verstärken?
Petra Müller: Mit Pandora, Heimatfilm und Zentropa International und anderen verfügt NRW über sehr engagierte, inhaltlich starke Produzenten, die außerordentlich erfolgreich internationales Arthouse-Kino herstellen und z.B. gerade in Cannes mit Mika Kaurismäki’s „Le Havre“ (Pandora), Lars von Triers „Melancholia“ (Zentropa Int.) präsent waren. Deren Arbeit gilt es nachhaltig zu unterstützen. NRW und vor allem die Filmstiftung hat international und vor allem europäisch seit langem einen guten Namen. Das zeigen die zahlreichen internationalen Filmprojekte, die hier allein in den vergangenen Monaten realisiert wurden: Ari Folman war begeistert von den Locations, als er „Der Kongress“ mit Robin Wright drehte, István Szabó hat Helen Mirren nach NRW gebracht, die die konzentrierte Arbeit der MMC Studios gelobt hat. David Cronenberg hat mit „A Dangerous Method“ mit Viggo Mortensen, Keira Knightley und Michael Fassbinder in den MMC-Studios einen großartigen Film gemacht. Und in naher Zukunft kommt Lasse Halström mit Nicole Kidman und Rachel Weisz für „The Danish Girl“. Diese und andere Projekte sprechen für sich und die Attraktivität von NRW. Aber wir werden national wie international verstärkt für den Produktionsstandort werben.

 

Petra Müller, Geschäftsführerin der Filmstiftung NRW

Weitere Informationen: promedia

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