Mobiles Internet für Alle?, promedia-Artikel von Dr. Gunnar Bender, Leiter Unternehmenskommunikation & Politik sowie Mitglied der Geschäftsleitung der E-Plus-Gruppe und Deniz Taskiran, Managerin Corporate Affairs bei E-Plus

Das mobile Internet verändert grundlegend die Funktionsbedingungen der digitalen Kommunikation. Angetrieben durch Konvergenzprozesse und die Fortentwickelung technischer Möglichkeiten steht heute nicht mehr allein der Zugriff auf Informationen, sondern zunehmend die soziale Interaktion im Vordergrund der Nutzungsformen. Menschen möchten in der Lage sein, jederzeit und überall miteinander in Kontakt zu treten. In Zukunft wird sich dieser Trend noch verstärken: Bereits für 2011 prognostizieren Studien Werte einer mobilen Breitbandnutzung von über 30 Prozent der privaten Mobilfunknutzer.[1] Der Fokus beim Wachstum mobiler Applikationen liegt dabei perspektivisch vor allem im Bereich der Sozialen Medien, Videodienste, ortsbezogener Dienste und Cloud-Anwendungen.

Dr. Gunnar Bender
Dr. Gunnar Bender
Deniz Taskiran
Deniz Taskiran

Um die daraus resultierende wachsende Nachfrage nach Kapazitäten und höheren Bandbreiten zu befriedigen, will die Bundesregierung im Rahmen ihrer Breitbandstrategie die flächendeckende Versorgung Deutschlands mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen und dem Aufbau von Netzen der nächsten Generation vorantreiben. Zugleich beabsichtigt die Europäische Kommission in ihrem Aktionsplan „Digitale Agenda“ den Zugang der Europäer zum schnellen und ultraschnellen Internet zu verbessern. Dabei kommt insbesondere der mobilen Breitbandversorgung eine wichtige Rolle zu.

Die wirtschaftliche, soziale und politische Bedeutung des mobilen Internet zeigt, dass leistungsfähige Mobilfunkinfrastrukturen Gradmesser für eine offene Gesellschaft und moderne Volkswirtschaft sind. Um die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen zu können, bedarf die Branche aber geeigneter Rahmenbedingungen für einen nachhaltig chancengleichen Wettbewerb. Hierzu gehören sowohl marktadäquate regulatorische Maßnahmen als auch eine ausreichende Frequenzausstattung aller Mobilfunkbetreiber. 

I. Technischer Erfolgsfaktor: Ausbau der Datennetze

Die stetig wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Internetzugängen, Anwendungen und Inhalten führt dazu, dass das Datenvolumen im Mobilfunk ein rasantes Wachstum verzeichnet. Bis 2015 wird es von heute 121 Mio. GB auf ca. 920 Mio. GB ansteigen.[2]

Infolge dieser Entwicklung müssen die drahtlosen Zugangsnetze ausgebaut werden. Die zunehmende Bedeutung des Internet im privaten und unternehmerischen Bereich macht den Aus- und Aufbau geeigneter Infrastrukturen somit zu einer wichtigen Aufgabe der Zukunftsvorsorge. Aufgrund des steigenden Datenvolumens stellt dabei vor allem die Netzkapazität einen erfolgskritischen Faktor dar. Aus diesem Grund arbeiten die Mobilfunkbetreiber mit Hochdruck am Ausbau ihrer Datennetze. Die E-Plus Gruppe bspw. investiert bis 2012 rund zwei Milliarden Euro in den flächendeckenden Aufbau ihres HSPA+-Netzes. Darüber hinaus stellen sich gegenwärtig alle Netzbetreiber der wichtigen Aufgabe, die Entwicklung des jungen Mobilfunkstandards LTE voranzutreiben.

Um schnelle Internetverbindungen flächendeckend zeitnah zu ermöglichen, sind Frequenzen aus dem 900-MHz-Band besonders gut geeignet. Zum einen bieten diese – qualitativ gleichwertig mit der sog. Digitalen Dividende im 800-MHz-Bereich – aufgrund ihrer günstigen Wellenausbreitungseigenschaften die Chance, breitbandige Datendienste wirtschaftlich in der Fläche auszubauen. Der Vorteil des 900-MHz-Bands im Vergleich zur Digitalen Dividende liegt zum anderen darin, dass hier für Datendienste bereits heute ausreichend einsatzbereite Endgeräte verfügbar sind. Im 800-MHz-Bereich müssen massenmarktreife Endgeräte demgegenüber erst noch entwickelt werden – ein Prozess der unter Umständen noch Jahre dauern kann. Auf Grundlage der 900-MHz-Frequenzen könnte eine Versorgung ländlicher Räume mit Breitbandinternet indes ohne weitere Verzögerung beginnen.

II. Wettbewerblicher Erfolgsfaktor: symmetrische Frequenzausstattung

Mit der GSM-Änderungsrichtlinie 2009/113/EG hat die Europäische Union für den Frequenzbereich 900 MHz auch die rechtliche Grundlage für den Einsatz mobiler Breitbanddienste geschaffen. Die Richtlinie sieht die Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte im 900-MHz-Band vor. Mit diesem sog. Refarming wird die bisherige Beschränkung auf GSM-Dienste aufgehoben und die Nutzung für neue Technologien (bspw. UMTS, HSPA, LTE) geöffnet.

Allerdings sind die 900-MHz-Frequenzen unter den deutschen Mobilfunkanbietern derzeit gravierend ungleich verteilt. Dies hat zur Folge, dass die E-Netzbetreiber[3] nicht über ausreichend Spektrum verfügen, um vom Refarming profitieren zu können. Die Ursache liegt in historisch regulierungsbedingten Wettbewerbsverzerrungen im deutschen Mobilfunkmarkt.[4] Neben der sequentiellen Lizenzierung der Mobilfunknetzbetreiber wurde ein chancengleicher Wettbewerb v.a. durch die behördliche Ausgestaltung der Vergabeverfahren für neue Frequenzen behindert.  Lediglich die Deutsche Telekom und Vodafone könnten daher derzeit im 900-MHz-Band parallel Sprach- und Datendienste anbieten. Um in der Fläche vergleichbare Angebote zu schaffen, müssten die E-Netzbetreiber Datendienste auf Basis von 1800 MHz anbieten. Beim Ausbau der Datennetze müssen im 1800-MHz-Band aber deutlich mehr Basisstationen errichtet werden, was mit jährlichen Kostennachteilen in Millionenhöhe verbunden ist.[5]

Aufgrund dessen besteht die Gefahr, dass die gegenwärtigen Asymmetrien zwischen den Netzbetreibern auf neue Mobilfunktechnologien übertragen werden. Die damit verbundenen Kostennachteile der E-Netzbetreiber führen zu hohen Netzkosten und geringerer Profitabilität im Vergleich zu Vodafone und der Deutschen Telekom.[6] Eine asymmetrische Frequenzverteilung am UMTS-, HSPA- und LTE-Markt würde dieses Ungleichgewicht festigen und die die Wettbewerbsintensität des Markts deutlich reduzieren. Die Konsequenz wäre ein gesamtwirtschaftlicher Schaden, den der Regulierungsökonom Prof. Torsten Gerpott[7] auf 350 Mio. Euro pro Jahr beziffert. Für die deutschen Verbraucher bedeutete dies letztlich höhere Endkundenpreise und einen aufgrund des geringen Wettbewerbsdrucks verlangsamten Ausbau des Breitbandinternet insbesondere in ländlichen Gebieten.

III. Rechtlicher Erfolgsfaktor: Frequenzneuverteilung

Um diese negativen Effekte zu vermeiden und stattdessen eine chancengleiche Frequenznutzungsflexibilisierung zu ermöglichen, ist eine Neuverteilung des 900-MHz-Spektrums unter den Mobilfunkbetreibern unverzichtbar. Das Spektrum sollte so umverteilt werden, dass die D-Netzbetreiber[8] ein gleich effizientes Netz wie bisher betreiben können, die Frequenznachteile der E-Netzbetreiber jedoch ausgeräumt werden. Die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eines solchen Vorgehens würden die erforderlichen Umrüstungskosten der D-Netze (rund 27 Mio. Euro p.a.) deutlich übersteigen.[9]

Die Umverteilung ist ultima ratio: Frequenzhandel, National Roaming oder gemeinsame Formen der Netznutzung sind zur Problemlösung ungeeignet, weil die finanzstärkeren und mit besserem Frequenzspektrum ausgestatteten D-Netzbetreiber hierbei erhebliche Wettbewerbsvorteile und größere Verhandlungsmacht hätten.

Eine Rechtsgrundlage um flexibilisierungsbedingten Wettbewerbsverzerrungen durch eine Frequenzumverteilung entgegenzuwirken sieht die Europäische Union in ihrer GSM-Richtlinie vor. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten auf, zu untersuchen ob aufgrund der bestehenden Zuteilung des 900-MHz-Bands Wettbewerbsverzerrungen auf den Mobilfunkmärkten wahrscheinlich sind. Anschließend sind die festgestellten Wettbewerbsverzerrungen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu beheben.

Hiermit ist der Bundesnetzagentur ein wirkungsvolles Instrument an die Hand gegeben, um die Frequenzen im 900-MHz-Band umzuverteilen.[10] Ein entsprechendes Verfahren hat sie im Juni 2010 eingeleitet, bislang aber noch nicht abgeschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass sie die europäischen Vorgaben konsequent umsetzt und die Voraussetzungen für einen chancengleichen Wettbewerb um die flächendeckende Versorgung Deutschlands mit mobilem Breitbandinternet schafft.

IV. Fazit

Nur wenn es der Politik gelingt, die Rahmenbedingungen für Vielfalt und chancengleichen Wettbewerb der Mobilfunkanbieter zu schaffen, werden alle deutschen Verbraucher nachhaltig vom mobilen Breitbandinternet profitieren können. Der Bundesnetzagentur bietet sich hierzu mit der Umverteilung der 900-MHz-Frequenzen im Rahmen ihrer Flexibilisierung die Gelegenheit zu verhindern, dass sich die historisch gewachsenen Asymmetrien aufgrund der ungleichen Frequenzverteilung verfestigen. Angesichts der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des mobilen Internet darf sich dieses Handlungsfenster nicht ungenutzt schließen.

Es gibt verschiedene juristische Möglichkeiten eine Frequenzumverteilung durchzuführen. Die GSM-Richtlinie bietet hierfür einen europarechtlichen Anknüpfungspunkt. Um dies in nationales Recht umzusetzen, sieht der aktuelle Regierungsentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG-RegE) nun ausdrücklich einen Widerrufsgrund für Frequenznutzungsrechte vor, „wenn nach der Frequenzzuteilung Wettbewerbsverzerrungen wahrscheinlich sind“ (§ 63 I Nr. 3). Weitere Impulse liefert der TKG-RegE auch indem er die Bundesnetzagentur ausdrücklich auffordert zu gewährleisten, „dass es im Bereich der Telekommunikation (…) keine Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen“ mehr gibt (§ 2 II Nr. 2) und in den „Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher“ zu schützen (§ 2 III Nr. 3). Ferner hat jüngst das Bundesverwaltungsgericht (Az. BVerwG 6 C 2.10) bestätigt, dass die Bundesnetzagentur zur Förderung chancengleichen Wettbewerbs Frequenzen mittels einer sog. Frequenzverlagerung umverteilen kann.

In Anbetracht dieser Sachlage sollte das wettbewerbspolitische Ziel der Mobilfunkregulierung sein, die aufgrund staatlicher Entscheidungen entstandenen Asymmetrien im deutschen Mobilfunkmarkt abzubauen und dadurch unter Mobilfunknetzbetreibern wirksamen Wettbewerb herzustellen. Nur auf diese Weise lassen sich die Wettbewerbsbedingungen auf dem Endkundenmarkt fördern, was wiederum attraktivere Endkundenangebote ermöglicht. Hierdurch können letztlich die Bedürfnisse der Mobilfunknutzer bestmöglich befriedigt werden.

Anderenfalls drohen den deutschen Verbrauchern erhebliche Wohlfahrtsverluste – und das gesellschaftspolitische Ziel des „mobilen Internet für alle“ wird wieder in weite Ferne rücken.

Autoren: Dr. Gunnar Bender, Leiter Unternehmenskommunikation & Politik sowie Mitglied der Geschäftsleitung  der E-Plus-Gruppe und Deniz Taskiran, Managerin Corporate Affairs bei E-Plus

Weitere Informationen: promedia



[1] http://www.bitkom.org/67386_67381.aspx.

[2] Booz & Co., Zukunft der Telekommunikation, 2011.

[3] E-Plus und Telefonica O2.

[4] Sörries, Verpasste Chancen und zukünftige Handlungsoptionen im Mobilfunk, 2010.

[5] Gerpott, Öffnung von GSM-Frequenzen für UMTS-Angebote, 2008.

[6] Gerpott, Wettbewerbs- und Regulierungsimplikationen der 900 MHz-Frequenzausstattung von Mobilfunknetzbetreibern in Deutschland, 2010.

[7] Gerpott, Öffnung von GSM-Frequenzen für UMTS-Angebote, 2008.

[8] Deutsche Telekom und Vodafone.

[9] Gerpott, Öffnung von GSM-Frequenzen für UMTS-Angebote, 2008.

[10] Holznagel, Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Flexibilisierung des 900 MHz-Spektrums aufgrund der RL 2009/114/EG.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

4 × 3 =