Das flüchtige Medium Radio wird greifbar. Stefan Warbeck, Chefredakteur Radio Fritz, rbb im Gespräch mit promedia

Die neue Webseite von fritz.de vereint zwei grundsätzlich verschiedene Aspekte: Die jederzeit garantierte Verfügbarkeit von Informationen eines Internetangebots und die unterhaltsame Flüchtigkeit eines Radioprogramms. Auf den ersten Blick funktioniert das neue fritz.de genauso wie ein Radio: Während das Programm unaufhaltsam, linear aus den Rundfunkempfangsgeräten tönt, läuft auf der Webseite genau dasselbe Programm in Form von Bildern zeitlich synchronisiert über den Bildschirm – eine neue Form von „Visual Radio“ ist entstanden.

Stefan Warbeck
Stefan Warbeck

promedia: Herr Warbeck, welche Funktion hat das neue Onlineangebot für das Gesamtkonzept von Fritz?
Stefan Warbeck: Ein junges Radioprogramm ohne ein starkes Standbein im Netz ist heute nur die Hälfte Wert. Gerade junge Leute verbringen viel Zeit im Internet, informieren sich dort, lassen sich unterhalten oder unterhalten sich in sozialen Netzwerken. Der Hauptgrund ist uns seit langem bekannt: Es geht immer um eine unabhängige oder sehr individuelle Nutzung. Auf fritz.de bieten wir jetzt so gut wie alle Inhalte des Radios an. Die Website folgt dem flüchtigen Medium auf „Track und Ton“. Damit geben wir allen Hörerinnen und Hörern eine einfache Möglichkeit, wann und wo sie wollen auf unsere vielfältigen Angebote zuzugreifen. Das flüchtige Medium Radio wird damit sehr greifbar.

promedia: Eine Rubrik heißt „Neues Wort“. Welche Rolle spielt das Wort überhaupt noch in einem Jugendprogramm, in dem es in erster Linie um Musik geht?
Stefan Warbeck: Es geht in der Tat in erster Linie um die Musik, es geht bei Fritz aber auch immer um das Wort. Seit wir 1993 gestartet sind, hatten wir immer einen relativ großen Wortanteil im Programm. Daran halten wir weiter fest, denn es ist ein wichtiger Bestandteil. Allein mit Musik ist es schwer, sich im Wettbewerb durchzusetzen. Deswegen geht es im Programm auch stark um Inhalte, um sich von anderen Programmen zu unterscheiden. Fritz ist ein öffentlich-rechtliches Angebot, und wir verfügen über junge Reporterinnen und Reporter, redaktionelle Mitarbeiter, die sehr gut in der Lage sind, Inhalte für eine junge Zielgruppe aufzubereiten. Wir haben hier mittlerweile eine gute Handschrift entwickelt, mit kürzeren Stücken, die eine gute inhaltliche Qualität haben und formal sehr kreativ für eine junge Zielgruppe produziert werden. Für solche Leistungen bekommen wir ab und an auch Preise, wie dieses Jahr den CIVIS Medienpreis und den Axel-Springer-Preis für junge Journalisten. Wir erreichen so tagtäglich eine junge Zielgruppe, für die nicht nur Musik, sondern auch relevante Information von großer Bedeutung ist. Mit dem Netz haben wir noch mal andere Möglichkeiten, diese Inhalte zu präsentieren.

promedia: Auf Ihrer Onlineseite gibt es fritz.TV. Wollen Sie damit dem rbb-Fernsehen Konkurrenz machen?
Stefan Warbeck: Wir profitieren davon, dass der rbb seine Programmbereiche in einer multimedialen Programmdirektion zusammengeführt hat. Damit ist es wichtig, auf vielen Medienebenen Kompetenzen zu erwerben. Fritz.tv ist vor allem ein Experimentierfeld, wo wir jungen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben sich als VJs an das Thema Fernsehen heranzutasten und Ideen aktionsbezogen für die Website umzusetzen. Es sollen Handschriften und Kompetenzen entwickelt werden, die später auch im rbb-Fernsehen genutzt werden. …

promedia: Wie geht es bei Videos nach diesem Test weiter?
Stefan Warbeck: Wir arbeiten in der multimedialen Programmdirektion eng zusammen, sind Teil der neuen Hauptabteilung „Neue Zeiten“. Dadurch haben wir mit Fernsehwelten zu tun. Es sind so auch bi- oder trimediale Projekte wie die „Fritz Nacht der Talente“ im Fernsehen entstanden. In einem größeren Projekt haben wir mit Christian Ulmen in seiner Rolle als Uwe Wöllner zusammengearbeitet und es sind Sendungen für Fernsehen, Radio und Online entstanden. Das wollen wir weiter ausbauen. Schon jetzt arbeiten einige VJs, die wir hier ausgebildet haben, in Sendungen des rbb-Fernsehens und bringen zum Teil Beiträge, die sie für uns erstellen, dort unter.
promedia: Inwieweit erfüllt Ihre neue Internetseite die politische Vorgabe sendungsbegleitend zu sein?
Warbeck: Das wird von dieser Website vollständig erfüllt. Auch redaktionelle Strukturen sind so gebaut, dass die Multimediaredaktion parallel zum Radio arbeitet. Das wurde vom Drei-Stufen-Test, den der rbb durchführte, anerkannt und bestätigt. Mit der Idee – die wir übrigens bereits hatten, bevor wir wussten, was genau auf uns zukommt – haben wir das gleich mit erfüllt.

promedia: Sind Sie nicht gegenüber anderen Onlineseiten, auch privaten Radioanbietern, im Nachteil, die ihre Onlineseite ganz bewusst als Zusatz und Weiterführung ihres Programms oder als Teil einer Medienfamilie sehen, in der jedes Medium seine eigene Aufgabe hat?
Stefan Warbeck: Nein, wir haben gerade mit der neuen Website bewiesen, dass Sendungsbegleitung kein Nachteil sein muss, weil wir unsere Inhalte sehr gut aufbereiten können. Es ist zum Teil auch gar nicht möglich originäre Inhalte ausschließlich für das Netz bereitzustellen. Aber gerade weil wir bei Fritz eine Menge vielfältiger Inhalte haben, umfasst die Marke Fritz das Radio, Events – und mittlerweile ganz stark den Internetbereich.

promedia: Welche Rolle spielt die Community meinfritz.de insgesamt für Ihr Angebot, Ihr Programm und die Bindung zum Hörer?
Stefan Warbeck: Alle Community-Aktivitäten, egal ob auf meinfritz.de oder den Pendants auf Facebook und studiVZ, sind als ein Element der Hörerbindung wichtig. Darüber bekommen wir unglaublich viele Rückmeldungen der Hörerinnen und Hörer. Wir haben zugleich die Möglichkeit, bestimmte Inhalte weiterzuverbreiten und sind froh, dass ein Konstrukt wie meinfritz.de sehr gut funktioniert.  Musikerinnen und Musikern aus der Region etwa, die mit neuer Musik auf den Markt wollen, haben damit eine Plattform, die wir eng an das Radio angebunden haben. Das Angebot erfährt eine gute Nutzung, die kontinuierlich wächst. Es ist der richtige Weg auf solchen Ebenen den Fritz-Freundeskreis zusammenzuhalten.

promedia: Welche Inhalte werden von Ihren Nutzern am meisten abgefragt?
Stefan Warbeck: Der Livestream gehört zur Top 10 in der regelmäßigen monatlichen Nutzung. Das ist nicht die größte Nutzung, weil Fritz in Berlin und Brandenburg über eine exzellente UKW-Frequenzkette verfügt und wir Hörerinnen und Hörer vor allem in der Region haben. Die Startseite mit allen aktuellen Informationen wurde auf der alten Website sehr viel geklickt, auch Angebote wie die Podcasts oder die Fritz-Inside-Seite, auf der das Team abgebildet ist. Wir sind sehr gespannt, wie sich die Nutzung nun verteilt, weil wir neu sortiert und gruppiert und die Navigation vereinfacht haben. Wir hoffen, dass damit mehr Inhalte als bisher genutzt werden.

promedia: Gibt es eine Fritz-App?
Stefan Warbeck: Nein, bisher noch nicht, weil wir noch keine richtig gute Idee hatten, was eine Fritz-App leisten sollte – wo ist der Mehrwert? Wir wollen nach dem Relaunch von fritz.de jetzt auch lieber versuchen, die Website für die mobile Nutzung zu optimieren statt an Apps zu schrauben.

promedia: Der ARD-Vorsitzende hat vor wenigen Tagen wieder das Thema eines Jugendfernsehkanals ins Spiel gebracht. Was halten Sie von einem ARD-Jugendradio? Es gibt aktuell fünf oder sechs Jugendradios. Kann man daraus nicht ein national verbreitetes Jugendradio machen?
Stefan Warbeck:
Zurzeit ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk föderal strukturiert.

promedia: Das ist ja kein Widerspruch…
Stefan Warbeck: Wir sind Teil einer Landesrundfunkanstalt. Deswegen halte ich nicht viel davon, an bundesweite Angebote zu denken. Die jungen Programme bespielen sehr unterschiedliche Regionen mit sehr unterschiedlichen Vorlieben. Damit sind sie Teil einer vielfältigen Radiolandschaft in Deutschland. Wir arbeiten seit Jahren mit anderen jungen Programmen in der ARD intensiv zusammen. Wir treffen uns regelmäßig, und tauschen auch Inhalte aus. Den New Music Award, einen Award für junge Künstlerinnen und Künstler in Deutschland, haben wir im vergangenen Jahr mit acht jungen Programmen der ARD zusammen organisiert. Im Wortbereich und überall dort, wo es sich auch noch anbietet, reden wir über Inhalte und versuchen gemeinsam Projekte auf die Beine zu stellen. Beim „Kanzlercheck“ zur Bundestagswahl waren zum Beispiel alle jungen Programme der ARD zusammengeschaltet. Mit der LateLine, der nächtlichen Talkshow, die von mehreren jungen Programmen der ARD zusammen gestaltet, geschaltet und gesendet wird, haben wir ein weiteres Projekt, bei dem wir zusammenarbeiten. Wir sind auf einem guten Weg, wo auf der einen Seite eine starke regionale Bindung besteht und andererseits der Begriff „ARD = Arbeitsgemeinschaft“ ernstgenommen wird: zusammenarbeiten und gemeinsam Projekte entwickeln – auch um Kosten zu sparen.

Stefan Warbeck, Chefredakteur Radio Fritz, rbb

Über Stefan Warbeck

  • Geboren: 1966
  • Studium der Publizistik und der Politologie an der FU Berlin
  • Erste journalistische Arbeiten als freier Mitarbeiter bei Radio 4U (SFB)
  • Mit Sendestart von Fritz 1993 als Reporter, Redakteur, Moderator, Programm-Manager und Wortchef tätig
  • Seit 1. August 2005 Programmchef vonFritz

Weitere Informationen: promedia

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