Die Politik sollte kein Qualitätswächter öffentlich-rechtlicher Angebote werden. Marc Jan Eumann, Medien-Staatssekretär in NRW und Vorsitzender der SPD-Medienkommission im Gespräch mit promedia

Der Medienstaatssekretär in NRW und Vorsitzende der SPD-Medienkommission Marc Jan Eumann, hält es für denkbar, das für die Zweitverwertung von öffentlich-rechtlichen Programmen auch bezahlt werden muss: „Die Frage, ob jedes Angebot für jeden Verbreitungsweg grundsätzlich kostenfrei sein sollte, halte ich für diskussionswürdig“, so Eumann in einem promedia- Gespräch.  Es sei allerdings wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine gemeinsame Strategie entwickele. „Im Kern geht es um eine Balance zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Anbietern im Netz. Wir müssen diese duale Vielfalt auch im Netz erhalten“, betont der SPD-Medienexperte.Eumann machte in dem Gespräch zugleich deutlich, dass die Abgaben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 2013 und 2014 die jetzigen 17,98 Euro nicht überschreiten müssen, da die KEF über entsprechende Möglichkeiten verfügt. Der Vorsitzende der SPD-Medienkommission rief ARD und ZDF dazu auf, eigene Vorschläge für eine Strukturreform zu präsentieren. „Das ist ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziert“, unterstrich Eumann.
Auch eine Präzisierung des Online-Auftrages, wie von den Verlegern gefordert, lehnte Eumann
ab.

Marc Jan Eumann
Marc Jan Eumann

promedia: Herr Eumann, die Ministerpräsidenten haben dem Entwurf des 15. RäStV zugestimmt. Ist damit für Sie das Thema eines neuen Gebührenmodells „abgehakt“ oder gibt es Punkte über die bis zum Dezember noch diskutiert werden müsste?
Marc Jan Eumann:
Die Regierungschefinnen und die Regierungschefs der Länder haben dem Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages noch nicht formell zugestimmt. Sie haben diesen Text zur Kenntnis genommen. Zunächst müssen nun die Landesparlamente unterrichtet werden. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Sollten jetzt noch Parlamentarier Vorbehalte haben, so muss darüber gesprochen werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass jeder Staatsvertrag immer nur ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Positionen sein kann. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir nach der parlamentarischen Vorunterrichtung auf der Ebene der Regierungschefinnen und Regierungschefs zu einer Einigung kommen werden.

promedia: Die KEF soll erst 2014 über eine Anpassung der Haushaltsabgabe befinden. Das bedeutet ein Einfrieren der Abgabe bis mindestens 2015. Wie ist das mit dem Grundsatz einer bedarfsgerechten Finanzierung vereinbar?
Marc Jan Eumann:
Es bleibt weiterhin bei dem verfassungsrechtlichen Grundsatz einer bedarfsgerechten Finanzierung und dem Verfahren, wie es im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag festgelegt ist. Hier wurde nichts am Entwurf des Textes des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags geändert. Die Rundfunkanstalten werden jetzt ihren Bedarf anmelden und die KEF wird ihn im nächsten Jahr prüfen. Ich gehe davon aus, dass ein entsprechender Entwurf eines Berichts auch zu der Frage, ob und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt eine Änderung des Rundfunkbeitrags notwendig ist, Stellung nehmen wird.
Allerdings gibt es hier eine Schwierigkeit: Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt zuverlässig voraussagen, wie hoch die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach der Umstellung auf das Beitragssystem sein werden. Die Rundfunkanstalten haben versucht, dies so genau wie möglich zu analysieren, und diese Berechnungen werden durch die KEF geprüft. Trotzdem bleibt ein Rest von Unsicherheit. Deshalb halte ich es für denkbar, dass die KEF – jedenfalls für die Jahre 2013 und 2014 – keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorschlägt. Diese Entscheidung trifft aber alleine die KEF.
Richtig ist, dass die Arbeitsgruppe „Beitragsstabilität“ der Rundfunkkommission ihre Arbeit unter dem Vorsitz des Landes Sachsen fortsetzen soll. Dabei geht es um die Fortentwicklung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sollen bis zur MPK-Jahreskonferenz 2014 vorliegen. Ob dies Auswirkungen auf die Rundfunkabgabe ab 2015 haben wird, kann ich noch nicht vorhersagen. Dies hängt auch davon ab, welche Vorschläge die ‚Arbeitsgruppe Beitragsstabilität’ vorlegen wird und wie die Regierungschefinnen und Regierungschefs dann darüber beschließen werden.

promedia: Wo sehen sie bei der Struktur und den Aufgaben einen Anpassungsbedarf?
Marc Jan Eumann:
Die SPD-geführten Länder haben sich beim 12. RFStV dafür eingesetzt, dass der öffentlich-rechtlich Rundfunk seinen Verfassungsauftrag umfassend linear wie non-linear erfüllen kann. Das ist der Status Quo. Ich begrüße es aber außerordentlich, dass sich die Intendantinnen Monika Piel und Dagmar Reim offen für eine Strukturdiskussion innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass die Akteure und Akteurinnen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die richtigen Vorschläge für eine Struktur präsentieren. Das ist ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziert.

promedia: Machen neue Technologien wie HbbTV die digitalen Spartenkanäle überflüssig?
Marc Jan Eumann:
Bei HbbTV handelt es sich um eine spannende, aber noch relativ neue Technik mit derzeit noch geringer Marktdurchdringung. Die Frage, ob dadurch die digitalen Spartenkanäle überflüssig werden, stellt sich deshalb zurzeit nicht. Unabhängig davon wären die digitalen Spartenkanäle aber auch nur dann überflüssig, wenn sich ihr Angebot vollständig mit demjenigen deckte, welches über HbbTV zugänglich gemacht wird. Das ist aber nicht der Fall.

promedia: Das ZDF strukturiert seinen digitalen Theaterkanal zu einem jugendlich-orientierten Kulturkanal um. Ähnlich wie Neo. Wäre es nicht sinnvoller, einen digitalen Jugendkanal zu etablieren, vielleicht als Gemeinschaftskanal von ARD und ZDF?
Marc Jan Eumann:
Ein klares Ja. Denn der Gebührenzahler zahlt nicht für einzelne öffentlich-rechtliche Anstalten, sondern für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und deshalb ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk gefordert, ein konsistentes Programm zu machen. Es gibt ja mit Phoenix und Kika bereits gute Beispiele der Zusammenarbeit zwischen ARD und ZDF. Von solchen Kooperationsmodellen können wir mehr gebrauchen.

promedia: Muss im Rahmen der Arbeitsgruppe auch der Online-Auftrag präzisiert werden?
Marc Jan Eumann:
Wir könnten das Thema natürlich in der Arbeitsgruppe aufgreifen. Aber derzeit sehe ich dafür keine Notwendigkeit, da der Online-Auftrag gerade erst durch den Drei-Stufen-Test präzisiert worden ist.

promedia: Das ZDF und die Produzentenallianz  denken über eine kommerzielle Video-on-Demand-Plattform nach. Was halten Sie von dieser Idee, wenn der Nutzer für Programme, die aus Gebühren bezahlt worden sind erneut zur Kasse gebeten wird?
Marc Jan Eumann:
Im Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist geregelt, dass Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Rundfunkgebühr den Empfang der öffentlich-rechtlichen Programme zahlen. Dies gilt sowohl für das lineare als auch für das non-lineare Angebot. Dennoch musste der Gebührenzahler auch schon früher „extra“ bezahlen, wenn er beispielsweise eine Sendung als DVD beim Sender gekauft hat. Die Frage, ob jedes Angebot für jeden Verbreitungsweg grundsätzlich kostenfrei sein sollte, halte ich für diskussionswürdig. Es ist allerdings wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine gemeinsame Strategie entwickelt. Im Kern geht es um eine Balance zwischen öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Anbietern im Netz. Wir müssen diese duale Vielfalt auch im Netz erhalten. Deswegen lohnt es sich auch, diesen schwierigen Aspekt intensiver zu betrachten.

promedia: Wann steht das Thema des Werbeverzichtes bei ARD und ZDF auf der Agenda der Ministerpräsidenten, so dass der Ausstieg entschieden wird?
Marc Jan Eumann:
Die SPD und insbesondere Ministerpräsident Kurt Beck haben sich mit dem Umstieg auf das neue Beitragsmodell, auch für den Ausstieg aus der Werbung ausgesprochen. Das ist jedoch am Widerstand der CDU-geführten Länder gescheitert. Die Länder haben nun verabredet, dass zunächst festgestellt werden muss, welche finanziellen Auswirkungen der Modellwechsel auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat. Dies soll mit dem 19. KEF-Bericht, der voraussichtlich Ende 2013 fertig gestellt sein dürfte, erfolgen.
Um eine objektive Entscheidungsbasis zu haben, ist die KEF für diesen 19. Bericht gebeten worden, ihre bereits im 15. KEF-Bericht vorgelegten Berechnungen zu den finanziellen Auswirkungen einer Reduzierung von Werbung und Sponsoring zu aktualisieren. Danach soll die Frage einer weiteren Reduzierung bzw. des kompletten Ausstiegs aus der Werbung und des Sponsoring im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschieden werden. Ich werde mich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen so schnell wie möglich werbefrei wird. Ausnahmen soll es nur bei bedeutenden kulturellen und sportlichen Ereignissen geben.

promedia: Die Debatte über die Aufgaben wird auch mit einer Qualitätsdebatte der Programme verbunden. Sollte die Politik öffentlich-rechtliche Qualitätskriterien definieren?
Marc Jan Eumann:
Ich halte nichts von einer Definition der Qualitätskriterien für öffentlich-rechtliche Angebote durch die Politik. Die Definition von Qualitätskriterien lässt sich schwerlich allgemeingültig in eine gesetzliche Norm gießen. Es ist außerdem problematisch, wenn sich die Politik zum Qualitätswächter über öffentlich-rechtliche Angebote aufschwingt. Außerdem nutzen normative Festschreibungen nur wenig, wenn ihre Verletzung keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Ich kann es mir aber nur schlecht vorstellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei einer unterstellten Verletzung gesetzlicher Qualitätskriterien mit Sanktionen belegt wird.
Zu den positiven Errungenschaften der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehört die Binnenkontrolle. Eine Qualitätsdebatte sollte deshalb in den zuständigen Gremien der Rundfunkanstalten geführt werden. Beim Drei-Stufen-Test hat sich gezeigt, dass die Gremien verantwortungsvoll arbeiten. Eine andere Frage ist jedoch, ob wir für die immer vielfältiger werdende Medienlandschaft ein Instrument der Orientierung etablieren sollten, wie es seinerseits die Weizsäcker-Kommission mit einer Stiftung Medientest angeregt hat. Ich bin davon überzeugt: der Wunsch nach Orientierung wird größer.

promedia: Wenn Sie zehn Jahre weiter blicken, wie muss (sollte) sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis 2020 verändert haben?
Marc Jan Eumann:
Eines hoffentlich bleibt: Auch in zehn Jahren muss und wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag als Mediun und Faktor erfüllen. Auch in zehn Jahren werden Journalistinnen und Journalisten Spannendes aus Deutschland und der ganzen Welt berichten, auch in zehn Jahren wird es gute Unterhaltung, Informatives und Innovatives geben.
Ich bin mir sicher: Sozialdemokratisch geführte Länder werden jetzt und im Jahr 2010 die Rahmenbedingungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so ausgestalten, dass er dieser Aufgabe gerecht werden kann. Für die Inhalte ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst verantwortlich. Nochmals: Ich bin davon überzeugt, dass die zukünftige ARD-Vorsitzende, Frau Monika Piel, hier wichtige Weichen in die richtige Richtung stellen wird.

promedia: Die KEK hat eine Änderung bei der Betrachtung vorherrschender Meinungsmacht gefordert und schlägt eine crossmediale Analyse vor, wobei die Aktivitäten bei klassischen Medien mit einem festen Faktor, die bei den digitalen Medien mit einem flexiblen Faktor berücksichtigt werden sollen. Findet dieses Modell Ihre Zustimmung?
Marc Jan Eumann:
Ich halte die Vorschläge der KEK für ausgesprochen plausibel. Zunächst ist aber festzuhalten: Es bleibt Pflichtaufgabe, vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern; unabhängig an welchem Glied der crossmedialen Kette sie zu entstehen droht. Ich halte es deshalb für sinnvoll, über die Kombination von Zuschaueranteil und Punktemodell nachzudenken, um die crossmedialen Entwicklungen angemessen zu bewerten. Zu diesem Punktemodell gehört für mich auch die Etablierung eines Anreizsystems. Angesichts der immer schwieriger werdenden Finanzierung von Inhalten ist das in der digitalen Welt ein wichtiges Thema. Unstrittig ist: Auch Telemedien leisten einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung. Deswegen müssen wir auch hier ein System entwickeln, das solche Angebote berücksichtigt.

promedia: Ist die damit verbundene Fernsehzentriertheit noch zeitgemäß?
Marc Jan Eumann:
Bis auf Weiteres ja, aber klar ist: Wir müssen Schritt für Schritt von der Fokussierung auf das Fernsehen wegkommen. Fernsehen ist und bleibt Leitmedium, aber Neues kommt hinzu: Es ist ausgesprochen schwierig, den Einfluss von Inhalten, die über das Internetprotokoll transportiert wurden, auf die Meinungsbildung zu messen und dies auf das akzeptierte Zuschaueranteil-Modell zu übertragen. Aber es steht für mich außer Frage, dass Telemedienangebote die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Merkmale – Suggestivkraft, Breitenwirkung und Aktualität – auch alle erfüllen können.
Dies gilt ebenso für andere Akteure, die mächtig sind und Macht ausüben wie Suchmaschinen und EPGs. Hier halte ich auch die Überlegung der KEK für überzeugend, dies im Rahmen einer Einzelbewertung zu prüfen und dann gegebenenfalls zu berücksichtigen.

Marc Jan Eumann, Medien-Staatssekretär  in NRW und Vorsitzender der SPD-Medienkommission

Über Marc Jan Eumann

  • Geboren: 26. Februar 1966
  • 1985-1991 Studium der Geschichte und des Völkerrechts
  • 1990-1992 Referent im Büro des OB der Stadt Köln
  • 1992 Referent und ab 1993 Leiter des Referates Kommunikation im Ministerium für Arbeit, NRW
  • 1995-2010 Abgeordneter des NRW-Landtages; Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion,
    Mitglied im WDR-Rundfunkrat
  • Seit 2006 Vorsitzender der SPD-Medienkommission
  • Seit 2010 Staatssekretär für Medien in NRW

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