Tag Archives: Rundfunkkommission

Ein Bedrohungspotenzial für die Meinungsbildung. Interview mit Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, promedia Mai 2012

Die Novellierung des Medienkonzentrationsrechts verzögert sich weiter

„Ein Bedrohungspotenzial für die Meinungsbildung“

Interview mit Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz

In Deutschland existieren gegenwärtig etwa 5 Millionen internetfähige Fernsehgeräte. Die Zahl ist schnell steigend. Durch das Zusammentreffen der Web-TV-Angebote, neuer Video-on-Demand-Portale und der klassischen Fernsehkanäle auf dem Fernsehbildschirm verändern sich die Wettbewersbedingungen für die Fernsehanbieter und die Mediennutzung radikal. Der VPRT fordert deshalb eine neue Medienordnung, „die ein Level-Playing-Field und fairen Wettbewerb für alle Marktteilnehmer schafft.“ Themen, über die die Medienpolitiker der Länder gegenwärtig im Zusammenhang mit der Novellierung des Medienkonzentrationsrechts und der Plattformregulierung diskutieren. Der Chef der Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz Martin Stadelmaier plädiert dafür, dabei „Suchmaschinenbetreiber in die Regeln zur Sicherung der Meinungsvielfalt grundsätzlich mit einzubeziehen und sie bei der Betrachtung der vor- und nachgelagerten Märkte im Hinblick auf eine verstärkende Wirkung für bestehende Meinungsmacht zu berücksichtigen.“

Martin Stadelmaier
Martin Stadelmaier

promedia: Herr Stadelmaier, die Ministerpräsidenten wollten ursprünglich in diesem Jahr über eine Novellierung des Medienkonzentrationsrechts entscheiden. Wie ist hier gegenwärtig der Stand der Dinge?
Martin Stadelmaier: Die von der Rundfunkkommission eingesetzte Arbeitsgruppe Medienkonzentration und regionale Vielfalt unter bayerischem Vorsitz hat sich im vergangenen Jahr auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Neuordnung des Medienkonzentrationsrechts verständigt. Zwischenzeitlich wurde auf dieser Basis im Dialog mit den Betroffenen ein erster Regelungsvorschlag erarbeitet. Dieser konkrete Regelungsvorschlag sollte erstmals im März 2012 auf politischer Ebene diskutiert werden. Einige Länder sahen hierfür jedoch noch nicht die Zeit gekommen und plädierten stattdessen dafür, bei der KEK und der Wissenschaft eine weitere Untersuchung zu einem crossmedialen Ansatz in Auftrag zu geben, die im Herbst des laufenden Jahres fertig gestellt sein soll. Derzeit ist eine Arbeitsgruppe dieser Länder noch damit befasst, einen konkreten Arbeitsauftrag für dieses Gutachten zu formulieren. Über die genauen Hintergründe dieses Anliegens könnte ich an dieser Stelle nur spekulieren, da es aus meiner Sicht durchaus Sinn gemacht hätte, zunächst einmal die Continue reading Ein Bedrohungspotenzial für die Meinungsbildung. Interview mit Martin Stadelmaier, Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz, promedia Mai 2012

Beck schlägt Einstellung von vier der sechs Digitalkanäle von ARD und ZDF vor. Ministerpräsident Kurt Beck im Gespräch mit der promedia

„ARD und ZDF sind gefordert, stärker Prioritäten zu setzen“ : Interview mit Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder

Ministerpräsident Kurt Beck
Ministerpräsident Kurt Beck

In einem promedia-Gespräch hat Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz von ARD und ZDF gefordert, „zukünftig stärker Prioritäten zu setzen. Das bedeutet auch, von der einen oder anderen Aktivität Abstand zu nehmen.“ Gleichzeitig sehe er derzeit „keinen beitragssteigernden Spielraum für neue inhaltliche Vorhaben“. Stattdessen schlägt der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder vor, dass ARD und ZDF ihre Infokanäle aufgeben und Phoenix als gemeinsamen Ereignis- und Dokumentationskanal stärken. Auch sehe er keine Notwendigkeit, neben Arte und 3sat zwei weitere öffentlich-rechtliche Kulturkanäle anzubieten. Auf der anderen Seite fordert Beck die privaten Veranstalter auf, die „staatsvertraglichen Vor­gaben, nämlich ein „angemessener Anteil an Information, Kultur und Bildung“ einzuhalten. In dem Zusammenhang sprach er sich auch gegen Anreizmodelle aus, die nicht schon die Einhaltung staatsvertrag­licher Normen mit Zusatzvergünstigungen honorieren dürften.

promedia: Herr Ministerpräsident, die Rundfunkgebühr/Rundfunkbeitrag soll vorerst bis Ende 2014 stabil bleiben. Sehen Sie eine politische Notwendigkeit, diese Stabilität auch darüber hinaus zu sichern?

Kurt Beck: Zunächst sind wir als Länder sehr zufrieden, dass die Rundfunkgebühr trotz des Modellwechsels in den nächsten Jahren stabil bleibt. Das war letztlich auch ein zentrales Anliegen im Zusammenhang mit der Neujustierung des Finanzierungssystems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat dies im Zusammenhang mit der Vorlage des aktuellen Entwurfs des 18. KEF-Berichts bestätigt, in dem sie auf Grund der bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die Entwicklung der Ertragslage der einzelnen Rundfunkanstalten in der Folge der Umstellung des Finanzierungssystems aktuell keine Gebührenempfehlung ausgesprochen hat.

Nach Durchführung der für 2014 geplanten Evaluation der Grundlagen und Rahmenbedingungen des Modellwechsels, wird die KEF erneut auf Basis der dann vorliegenden aktuellen Zahlen zur Ertragslage der Anstalten über eine mögliche Beitragsanpassung zu befinden haben. Ob hierbei am Ende eine Beitragsanpassung, in moderater Höhe, stehen wird, ist derzeit nicht abzusehen. Continue reading Beck schlägt Einstellung von vier der sechs Digitalkanäle von ARD und ZDF vor. Ministerpräsident Kurt Beck im Gespräch mit der promedia

Abrüstung medienpolitisch oder: Wieviel Frieden bringt der Verzicht auf den Verzicht?

Von Dr. Tobias Schmid und Anne Pietrzak, RTL-Television, promedia 7/2010

Der „bittere Medienkrieg“, wie der bekannte Verteidigungsexperte Peter Boudgoust ihn nannte, endete vorerst am 10.6.2010 durch Kapitulation der Politik vor dem scheinbar Unberechenbaren. Es gab keine Gewinner.
Noch am Tag zuvor hatte sich die Rundfunkkommission der Länder in einem für deutsche Verhältnisse geradezu  spektakulären Schnellritt darauf geeinigt, die geräteabhängige Rundfunkgebühr durch eine pauschale Haushaltsabgabe zu ersetzen. Nach dieser Entscheidung muss sich dann aber akute Mutlosigkeit breitgemacht haben. Das ursprünglich geforderte Werbe- und Sponsoringverbot für ARD und ZDF, über das seit Jahrzehnten parteienübergreifend diskutiert wird und das in den vergangenen Wochen kaum noch einen ernstzunehmenden Gegner hatte, landete erneut in der medienpolitischen Zwischenablage. Vom großen Wurf bleibt nur das Verbot von Sponsoring nach 20 Uhr, mit Ausnahme von Sportereignissen. Diese Miniatur-Reform soll mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag 2013 in Kraft treten.

Dr. Tobias Schmid
Dr. Tobias Schmid, RTL Television

Anne-Mary Pietrzak
Anne-Mary Pietrzak, RTL Television

Warum sich in einem politischen Gestaltungsraum – noch weit von den Zwängen der Globalisierung entfernt und innerhalb klarer nationaler und föderaler Kompetenzen organisiert –  immer wieder eine derartige Mut- und Kraftlosigkeit breitmacht, ist Außenstehenden kaum zu erklären.

Vor- und Nachteile eines werbe- und sponsoringfreien öffentlich-rechtlichen Programms waren hinreichend diskutiert. Mochte man es lieber  bildhaft, konnte ein Blick aufs sogenannte Werberahmenprogramm ebenso Aufschlüsse bieten wie einer auf das wochentägliche Programmschema von ARD und RTL. Wer da noch substanzielle Unterschiede fand, die die signifikante Ungleichheit der Finanzierungsstruktur rechtfertigten, musste schon gute Augen haben.
Dennoch ist es wieder nicht zum klaren Cut gekommen. Politiker scheuen offenbar nicht nur jede potenzielle Gebührenerhöhung der Öffentlich-Rechtlichen, sie scheuen auch, der Bevölkerung ehrlich mitzuteilen, was sie ihr über Continue reading Abrüstung medienpolitisch oder: Wieviel Frieden bringt der Verzicht auf den Verzicht?

Goldmedia-Kolumne: Werbefreie Zone? Eine alte Debatte neu aufgelegt

Nach dem Motto, „jeder darf mal“, wird zurzeit ein Ideenwettbewerb veranstaltet, wie die Zukunft der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aussehen könnte. Neben den von den Ländern gerade geprüften Modellen einer Haushaltsabgabe oder einer modifizierten geräteabhängigen Rundfunkgebühr kommt von den Linken der Vorschlag einer Koppelung der Gebühren an die Einkommenssteuer und von Hamburgs Vertreter in der Rundfunkkommission die Idee der Verknüpfung an das Haus- bzw. Wohneigentum.

Staatssekretär a.D. Clemens Appel

Im Geleitzug dieser öffentlichen Debatte hat sich ein anderer, lange diskutierter, aber auch tabuisierter Streitpunkt in den Fokus geschoben: Immer wieder ist, insbesondere von den privaten Sendeanstalten, aber auch aus der Politik die Forderung laut geworden, den Öffentlich-Rechtlichen die Sponsoring- und Werbeeinnahmen zu entziehen, wenn sie denn nun schon gebührenfinanziert sind. Die Diskussion verlief jedoch immer wieder im Sande, weil der Verzicht auf Sponsoring und Werbung einen Finanzierungsausfall für die Anstalten bedeutet, der kompensiert werden müsste. Bei dem herkömmlichen, d.h. bei dem derzeit geltenden Gebührensystem würde das immerhin 1,40 Euro pro Monat mehr für den Gebührenzahler bedeuten. Ausgehend vom aktuellen Monatsbeitrag in Höhe von 17,98 Euro wäre damit die Grenze von 19 Euro überschritten.

Bei der Frage des Sponsorings sind sich die Ministerpräsidenten der Länder seit letztem Jahr einig. Ab 2013 soll, mit Ausnahme bei sportlichen Großereignissen, kein Sponsoring mehr nach 20:00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen in den Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stattfinden. Wenn man hier auf einer Linie ist, dann sollten die Ministerpräsidenten die Gebührendebatte nutzen, um auch bei der Werbung ernst zu machen mit dem dualen Rundfunksystem in Deutschland: Hier der gebührenfinanzierte werbefreie Öffentlich-Rechtliche und dort die werbefinanzierten Privaten. Die Chancen stehen gut, gibt es doch Stimmen aus den Parteien wie auch den Medienanstalten, die in diese Richtung gehen wollen. Ministerpräsident Kurt Beck, der Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, möchte den Werbeverzicht allerdings in Stufen (2015/2017) verwirklichen. – Ein zu kurzer Sprung! Das Ziel der Medienpolitik sollte – ja muss sein, möglichst schnell „das Vertrauen der Menschen in die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stärken und so dessen öffentlich-rechtliches Profil deutlich hervorzuheben“ (so MP Kurt Beck selbst in promedia 4/2010). Recht hat er, aber das kann nicht warten bis 2017.

Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass wir in dieser Diskussion heute schon so weit sein würden. Nun müssen die Länder diese Chance auch nutzen.

Autor: Staatssekretär a.D. Clemens Appel, Geschäftsführer Goldmedia Political & Staff Advising GmbH

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