Ein Mehrwert für NRW. Interview mit Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, promedia Special Medienforum NRW, Juni 2012

Film-und Medienstiftung NRW hat 2011 133 Projekte mit 35 Mio. Euro gefördert

Ein Mehrwert für NRW

Interview mit Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW

Petra Müller
Petra Müller

Vor einem Jahr ist aus der Filmstiftung NRW die Film- und Medienstiftung entstanden. Drei Schwerpunkte hatte sich das Team unter Geschäftsführerin Petra Müller im ersten Jahr gesetzt:  Neben der zentralen Verantwortung für Film und Filmförderung wollte man sich für die neuen Medien öffnen, die Standortaktivitäten bündeln, die Vernetzung von Unternehmen und Akteuren verbessern und vor allem das Marketing für den Standort verstärken. Diese Ziele  wurden erreicht. Zu den konkreten Aktivitäten gehörten Förderprogramm für digitale Inhalte  und der Ausbau der Kinoförderung.
„ Nach meiner Wahrnehmung, so Petra Müller,  wird inzwischen von den Meisten gesehen, dass durch die Neuausrichtung der Filmstiftung ein spürbarer Mehrwert für das Filmland bzw. die Film- und Medienschaffenden entsteht.“

promedia: Frau Müller, vor einem Jahr wurde die Filmstiftung zur Film- und Medienstiftung. Was hatten Sie sich für dieses erstes Jahr vorgenommen?
Petra Müller: Bei der Neuausrichtung der Filmstiftung hatten wir uns im Kern drei Dinge vorgenommen. Neben der zentralen Verantwortung für Film und Filmförderung wollten wir uns für die neuen Medien öffnen, die Standortaktivitäten bündeln, die Vernetzung von Unternehmen und Akteuren verbessern und vor allem das Marketing für den Standort verstärken.
Wir haben die Förderung für Film- und Fernsehprojekte 2010 und 2011 auf gleichbleibend hohem Niveau halten können und ein Förderprogramm für digitale Inhalte gestartet. Daneben haben wir die Kinoförderung verstärkt, haben einen Kinokongress und eine Konferenz für den Filmnachwuchs ins Leben gerufen.In Sachen Marketing haben wir die Standortkommunikation in jeder Hinsicht ausgebaut, unsere Veranstaltungen optimiert und NRW national und international auf Festivals und Messen präsentiert, so unter anderem bei den International Emmys und der MIP, bei der Gamescom und der dmexco, in Cannes, Venedig und Berlin.
Darüber hinaus haben wir das Mediencluster NRW integriert und das Gründerzentrum neu aufgestellt. Zur Verbesserung der Vernetzung haben wir u.a. Jahr Round Tables mit Verbänden, Dienstleistern, Verleihern, Hochschulen etc. veranstaltet. Gerade sind wir dabei, ein nordrhein-westfälisches Mediennetzwerk aufzubauen. Ich würde sagen, wir haben unsere Ziele erreicht.

promedia: Inwieweit ist diese inhaltliche Veränderung der Film- und Medienstiftung auch organisatorisch umgesetzt worden?
Petra Müller: In der Film- und Medienstiftung arbeiten jetzt vier Abteilungen Hand in Hand. Zu „Förderung“, „Kommunikation“ und der klassischen „Verwaltung“ ist das „Standortmarketing“ hinzugekommen, das Präsentationen, Messeauftritte, Publikationen etc. verantwortet. Personell haben wir uns im Marketing, bei der Nachwuchsförderung und bei der Förderung der digitalen Inhalte verstärkt. In unserer Tochtergesellschaft Mediencluster NRW werden wesentliche Aufgaben zur Standortentwicklung umsetzen. Damit sind wir jetzt so aufgestellt, dass wir unsere erweiterten Aufgaben erfüllen können. Und das braucht es auch, denn NRW ist ein großes Land mit einer weit gefächerten Medienindustrie.

promedia: Die Umbenennung bzw. Neuausrichtung ist von manchen Film- und TV-Produzenten kritisch gesehen worden. Wird die klassische Filmbranche heute in NRW weniger gefördert als früher?
Petra Müller: Im Gegenteil. Dank der Beteiligung von WDR, RTL, ZDF, lfm und Land sowie der Kooperation mit Prosieben.Sat1 ist die Filmstiftung NRW nach wie vor die am besten ausgestattete Länderförderung Deutschlands. Allein in 2011 haben wir so 133 Projekte mit 35 Mio. Euro fördern können. Filme für das große Publikum, Filme mit großer künstlerischer Ambition,von der internationalen Koproduktion bis zum Debüt, vom deutschen Arthouse bis zur aufwändigen TV-Produktionen, Dabei haben wir die Förderung ein wenig fokussiert auf Projekte, die gleichermaßen inhaltlich überzeugen wie auch ihre Wirkung für den Filmstandort NRW entfalten.
So können in diesem Jahr ausnehmend interessante Projekte in NRW realisiert werden. Die Kölner Produzentin Bettina Brokemper hat gerade „Hannah Arendt“ abgedreht – unter der Regie Margarete von Trotta mit Barbara Sukowa in der Hauptrolle – und bereitet den mit Spannung erwarteten neuen Lars von Trier vor, der vollständig in NRW gedreht wird. Pandora Film dreht aktuell „Mein Freund Vijay“ mit Moritz Bleibtreu und Patricia Arquette und kommt im August mit dem neuen Jim Jarmusch mit Tilda Swinton in der Hauptrolle. Der neue Film von Jungregisseur Christian Schwochow, eine Julia Franck-Verfilmung, wird ebenso hier realisiert wie die Verfilmung des „Medicus“. Und die ersten Bilder von „Rush“ mit Daniel Brühl als Niki Lauda, produziert von Action Concept, in der Regie von Oscar-Preisträger Ron Howard, sehen vielversprechend aus. Außerdem hervorzuheben: die starken Kinodokus aus NRW wie „Pina“, „Klitschko“, „Gerhard Richter“ oder jetzt aktuell „Deutschland von oben“.
Dass diese Entwicklung gesehen wird, zeigt u.a. die Eröffnung der deutschen Niederlassung einer der international führenden Completion Bonds Film Finances in Köln. Die Oscar-Nominierung für Wim Wenders und der Studenten-Oscar für den ifs-Abschlussfilm „Die Schaukel des Sargmachers“ von Elmar Imánov sind ebenfalls großartige Signale aus und für NRW. Nach meiner Wahrnehmung wird inzwischen von den Meisten gesehen, dass durch die Neuausrichtung der Filmstiftung ein spürbarer Mehrwert für das Filmland bzw. die Film- und Medienschaffenden entsteht.

promedia: Einer der von Ihnen genannten Schwerpunkte ist die digitale Umrüstung der Kinos. Wie ist hier der Stand?
Petra Müller: Bislang wurde die digitale Umrüstung wie auch die Modernisierungsmaßnahmen und Kinoprogrammprämien aus Landesmitteln in der Filmstiftung gefördert. Das waren insgesamt 2011 1,3 Mio. Euro. Mit einem Budget von 500.000 Euro konnten jährlich 25 Kinos umgerüstet werden. Das wird jetzt anders. Im Programm „Digitales Medienland“ stellt das Land bis zu 3 Millionen Euro Infrastrukturmitteln für die Digitale Umrüstung der Kinos zur Verfügung, die bis Ende 2013 mit Hochdruck vorangetrieben werden soll.

promedia: Sie fördern jetzt auch neue Medien. Was fördern Sie hier eigentlich genau? Und was wollen Sie damit strategisch erreichen?
Petra Müller: NRW hat eines der größten Gamescluster Deutschlands und auch die Web- und Internetszene wächst schnell. Unser Ziel ist es, die Entwicklung kreativer und innovativer Projektideen zu befördern und dabei die Startbedingungen für junge Medienentwickler in NRW zu verbessern. 2011 haben wir zunächst ein Pilotförderprogramm für innovative audiovisuelle Inhalte gestartet. In diesem Programm fördern wir vorrangig Konzept- und Projektentwicklungen junger Unternehmen in den Feldern, Games, Mobile und Web 2.0. Dafür steht aktuell ein jährliches Budget von 500.000 Euro zur Verfügung.
Gefördert wurden unter anderem die Entwicklung eines  Video-Spiels für Kinder „The Gardeneer“ um einen heldenhaften Gartenzwerg, die interaktive Webdokumentation „Europas Grenzen 360°“ zum Thema europäische Identität und eine Web 2.0 Community-Anwendung zur Vernetzung der Filmbranche „Chaka Pro“. Angesichts der Fülle und Qualität der eingehenden Anträge wäre hier eine Aufstockung gut vertretbar. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es oftmals keine großen Summen braucht, um hier Impulse zu setzen und Projekten zur Realisierung zu verhelfen.

promedia: Eine der Stärken des Medienstandortes NRW ist das Entertainment. Braucht diese Branche die Unterstützung der Film- und Medienstiftung NRW?
Petra Müller: Als ökonomisch außerordentlich erfolgreiche Medienbranchen brauchen weder die Entertainment-Industrie noch die international aufgestellte Games-Industrie Förderung im eigentlichen Sinne. Wenn wir in diesen Feldern etwas tun, geht es uns immer um Entwickler aus NRW und deren Chancen im Markt. Und wenn wir in unserem Kongress beim Medienforum einen Tag dem Thema „Entertainment“ widmen, dann geht es uns auch darum, die Bedeutung des Entertainment und seiner Produzenten für die deutsche Medienbranche und im internationalen Kontext aufzuzeigen. Auch das gehört zu unserem erweiterten Auftrag.
Es geht es nicht darum, dass die Entertainmentbranche NRW braucht, sondern dass NRW das Entertainment braucht, wenn es auch in Zukunft erfolgreich sein will.

promedia:Wo liegen Ihre Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Monate?
Petra Müller: Nach den Neuwahlen hat NRW endlich eine stabile Regierungsmehrheit, die auf Grund der Haushaltssituation aber unter großem Spardruck steht. Also werden wir uns darum kümmern, die Filmförderung zu sichern, wenn möglich auszubauen und zeitgemäß zu optimieren. Gleichzeitig muss die Digitalisierung der Kinos beschleunigt werden. Die Neuaufstellung des Medienclusters und die Gründung eines Netzwerkes für NRW habe ich erwähnt. Neben dem bereits angelaufenen Pilotförderprogramm für innovative Inhalte starten wir in der zweiten Jahreshälfte gemeinsam mit Land ein unternehmensbezogenes Innovationsprogramm, das u.a. die sehr lebendige Start-Up Szene in NRW stärken soll.

promedia: München baut ein neues großes Studio für Filmproduktionen und hat den Neubau der Filmhochschule in Betrieb genommen, Berlin rollt den Teppich für internationale Filmpremieren aus und präsentiert sich als Mekka für Startups aus dem Online-Bereich. Was kann NRW dem entgegen setzen?
Petra Müller: Tatsächlich verfügt jeder deutsche Medienstandort über ein spezifisches Leistungsprofil, was durchaus auch Arbeitsteilungen nahelegen würde. Andererseits ist es ist vollkommen legitim, dass jeder Standort seine Projekte vorantreibt und seine Stärken ins Schaufenster stellt. Im Vergleich ist NRW ganz sicher der Standort des Fernsehens, des Entertainments und der Telekommunikation. Das Land beheimatet die größten deutschen Sender und Medienkonzerne, liefert den größten Produktionsoutput, verfügt entsprechend über ausgezeichnete Produktionsbedingungen und profilierte, international agierende Filmproduzenten. Verlage und Werbung spielen eine wichtige Rolle, die internationale Games-Industrie ist mit wichtigsten Unternehmen hier vertreten. Zusammen genommen mit dem kreativen Nachwuchs und innovativen Start-Ups, die ich in zwischen kennen lernen durfte, sind das hervorragende Voraussetzungen für eine dynamische Standortentwicklung, auch und gerade in der digitalen Welt.

Über Petra Müller

  • Studium der Germanistik, Kunstgeschichte
  • Ab 1985 Beraterin für strategisches Marketing
  • 1993 Projektleitung der Cologne Conference
  • 1995 Geschäftsführerin HMR International
  • 1999 Aufbau und Leitung des Generalsekretariats des Deutschen Fernsehpreises
  • 2000 – 2003 Geschäftsführende Direktorin der Cologne Conference GmbH
  • 2004-2010 Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg
  • Seit 2010 Geschäftsführerin Film- und Medienstiftung NRW

Artikel in der promedia, Special Medienforum NRW, Juni 2012

Weitere Informationen: promedia

3 thoughts on “Ein Mehrwert für NRW. Interview mit Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW, promedia Special Medienforum NRW, Juni 2012

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

nine + 1 =