Die Deutsche Telekom ist nicht neutral. Interview mit Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Universität Münster, promedia April 2012

Die KEK muss jeden Erwerb von Fußball-Bundesligarechten durch die Deutsche Telekom prüfen

„Die Deutsche Telekom ist nicht neutral“

Interview mit Prof. Dr. Bernd Holznagel, Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) der Universität Münster

Nach verschiedenen Zeitungsberichten will die Deutsche Telekom alle Live-Rechte an der Fußball-Bundesliga ersteigern. Bis zum 2. April müssen alle Interessenten an den Übertragungsrechten der Fußball-Bundesliga ihre Gebote bei der Deutschen Fußball Liga abgegeben haben. Danach entscheidet die DFL, wer ab 2013 vier Jahre lang die Spiele übertragen darf. Sollte die Telekom, die bislang nur die Rechte am IPTV hält, die Fernsehrechte der Bundesliga ersteigern, könnte es  zu Klagen kommen, unter anderem von Sky. Bei einem langen Rechtsstreit wäre die Bundesliga der Verlierer.

Prof. Dr. Bernd Holznagel
Prof. Dr. Bernd Holznagel

promedia: Herr Holznagel, die Deutsche Telekom bietet um die Übertragungsrechte für die Fußballbundesliga ab 2013 mit. Inwieweit passt das in die Plattformstrategie der Telekom?
Bernd Holznagel:
Die Deutsche Telekom sieht sich zunehmend unter Druck durch die Kabelnetzbetreiber (KDG, Liberty), die ihren Kunden über das Breitbandkabel attraktive Triple Play Angebot machen (Fernsehen, Telefon und schnelles Internet aus einer Hand). Um dem zu begegnen, will sie ihr eigenes Telefon- und Internetangebot über DSL um Fernsehinhalte ergänzen. Wenn sie deshalb jetzt die Pay-TV-Rechte an der Bundesliga erwirbt, hat die DT möglicherweise wenige Interesse, diese Rechte auch über Kabel verfügbar zu machen, um so nicht indirekt wieder die Kabelnetzbetreiber zu stärken. Die Vergaberegeln der Deutschen Fußball Liga (DFL) würden es ihr auch erlauben, die Bundesliga nur über IPTV und Satellit zu verbreiten und das Kabel “brach” liegen zu lassen.

promedia: Die Telekom erreicht mit „Liga Total“ über IPTV nur 150.000 Abonnenten. Für die drei Rechtepakete erwartet die DFL mindestens 1,5 Mrd. Euro. Ist das durch die Telekom überhaupt zu refinanzieren?
Bernd Holznagel:
Die Deutsche Telekom ist als Ex-Staats-Monopolist im Geschäft mit Internetzugängen und Telefonanschlüssen immer noch marktbeherrschend und verzeichnet dort Gewinne. Dieses Geld kann sie einsetzen, um ein strategisches Investment in das Pay-TV-Geschäft „quer“ zu subventionieren.

promedia: Es gibt Kritik an der Bewerbung der Telekom. Gegen welche rechtlichen Regelungen würde die Vergabe der Übertragungsrechte an DTAG verstoßen?
Bernd Holznagel:
Die Deutsche Telekom ist staatlich beherrscht. Die Deutsche Telekom darf deshalb selbst keine Rundfunklizenzen halten (§ 20a Abs. 3 RStV), und ihr dürfen auch keine Rundfunkprogramme anderer Veranstalter zugerechnet werden (§ 28 RStV).

promedia: Der Bund hat aber an der Deutschen Telekom nun noch einen Anteil von ca. 32 Prozent. Kann man hier noch von einem  „Staatsunternehmen“ sprechen?
Bernd Holznagel:
Ja. Der Bund verfügt faktisch über die Hauptversammlungsmehrheit. Damit kann er die der Anteilseignerseite zugeordneten Sitze im Aufsichtsrat besetzen. Darüber wiederum kann der Bund bei der Besetzung des Vorstands der Deutsche Telekom und bei strategischen Entscheidungen der Unternehmensführung (z.B. Beteiligung an der DFL-Auktion) mitbestimmen. Im Bundesfinanzministerium gibt es ein eigenes Referat, das sich nur um die Verwaltung der DT-Beteiligung des Bundes kümmert. Die Deutsche Telekom geht auch selbst davon aus, vom Bund beherrscht zu sein (vgl. den Abhängigkeitsbericht der Wirtschaftsprüfer als Teil des Geschäftsberichts).

promedia: Zudem geht es bei den Fußballrechten um Sport, nicht um politische Meinungsbildung. Das kann doch nicht von solcher gesellschaftspolitischen Relevanz sein, dass die Staatsfreiheit gefährdet ist?
Bernd Holznagel:
Doch, gerade Fußball ist in bestimmten Regionen Deutschlands der zentrale Integrationsfaktor – über soziale, aber auch ethnische Grenzen hinweg –  der Menschen verbindet. Außerdem differenziert das Rundfunkrecht nicht zwischen verschiedenen Rundfunkinhalten. Das Gebot der Staatsferne gilt für jeden Rundfunkveranstalter, auch für Kinder- oder Sportsender, nicht nur für Nachrichtenanbieter.

promedia: Aber die Telekom hat doch bereits die Übertragungsrechte für IPTV erhalten. Warum wurde das nicht verhindert?
Bernd Holznagel:
Schon das wurde damals kritisch gesehen. Die KEK ging davon aus, dass die Deutsche Telekom vom Bund “beherrscht” wird, so dass sich Fragen des Gebots der Staatsferne des Rundfunks für sie deshalb “aufgedrängt” haben. Außerdem ging sie davon aus, dass “Liga Total” der Deutschen Telekom wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit auch zuzurechnen ist. Denn die Deutsche Telekom hält die IPTV-Rechte und finanziert die Verluste von “Liga Total”. Die KEK hat ihre Genehmigung deshalb erst erteilt, nachdem die Deutsche Telekom schriftlich zugesagt hatte, keinen Programmeinfluss auszuüben.

promedia: Die Telekom argumentiert, dass die Rechte an „Liga total“ Constantin erteilt worden seien und die Telekom nur als neutrale Plattform fungiere. Damit ist doch die Staatsferne gewahrt und die Deutsche Telekom ist kein Rundfunkveranstalter?
Bernd Holznagel:
Die Deutsche Telekom ist nicht neutral, sondern sie allein trägt das wirtschaftliche Risiko von “Liga Total”. Sie übernimmt auch die vollen Verbreitungs- und Marketingkosten und vermarktet “Liga Total” als ihr Programm (auch die Markenrechte liegen bei ihr). Solange sich das wirtschaftliche Risiko auf die IPTV Rechte beschränkt (dafür sind angeblich 25 Mio. Euro pro Jahr gezahlt worden), mag das noch überschaubar sein. Spätestens bei einem deutlich höheren Investment in weitere Rechte (für Kabel und Satellit dürften etwa 10x so viel zu bezahlen sein wie für IPTV) kommt das aber nicht mehr in Betracht. Hier könnte es die Deutsche Telekom ihren Aktionären nicht erklären, die Verwertung der Rechte durch Constantin nicht selbst unter enger Kontrolle zu halten.

promedia: Aber ist dann nicht bereits das Betreiben von „Entertain“ Veranstalten von Rundfunk, vergleichbar dem Angebot von Sky, das sich auch aus verschiedenen Kanälen zusammensetzt?
Bernd Holznagel:
Bei den sonstigen Entertain-Angeboten verbreitet die Deutsche Telekom Programme Dritter (z.B. SyFy oder andere Drittprogramme, die auch auf der Sky-Plattform laufen), wobei diese Dritten selbst die Rechte halten (und finanziert haben), die zur Erstellung des Programms erforderlich sind (z.B. Rechte an Hollywoodfilmen etc.). Das ist bei “Liga Total” anders, denn dort ist die Deutsche Telekom Lizenznehmer der Liga, nicht der Veranstalter Constantin. Letzterer ist damit de facto nur ein Auftragsproduzent der Deutschen Telekom.

promedia: Wenn es solche starken rechtlichen Bedenken gibt, warum ist die Telekom überhaupt für das Ausschreibungsverfahren zugelassen worden?
Bernd Holznagel:
Bei der DFL überwiegt offenbar das Interesse an konkurrierenden Bietern, um einen möglichst attraktiven Preis zu erzielen. Sie verschließt deshalb womöglich die Augen vor den Bedenken gegen ein Gebot der Deutschen Telekom, zumal andere TK-Unternehmen bereits frühzeitig aus dem Verfahren ausgestiegen sind (wie z.B. Vodafone).

promedia: Müssen Landesmedienanstalten und KEK eine mögliche Vergabe der Übertragungsrechte an die Deutsche Telekom prüfen?
Bernd Holznagel:
Ja, schon eine Verlängerung der bestehenden IPTV-Verträge zwischen der Deutschen Telekom und Constantin wäre eine Veränderung der “maßgeblichen Umstände” der Lizenzerteilung und müsste neu geprüft werden (§§ 21 Abs. 6, 29 RStV). Das würde bei einer Ausweitung der Verträge auf weitere Verbreitungswege erst recht gelten.

promedia: Existieren vergleichbare Fälle, dass einem Unternehmen, an dem der Staat beteiligt ist, untersagt worden ist, als Rundfunkveranstalter tätig zu sein?
Bernd Holznagel:
Nein. Die Deutsche Post und die Deutsche Bahn sind immer noch zurückhaltend, eigene Rundfunkaktivitäten zu entfalten. Vergleichbar ist aber die Initiative des Deutschen Bundestages, neben dem Ereignis- und Dokumentationskanal „Phoenix“ ein eigenständiges Parlamentsfernsehen zu veranstalten. Die erforderliche Zulassung ist hierzu im letzten Jahr verweigert worden, weil es an der notwendigen Staatsferne mangele.

promedia: Es heißt, Sky habe angekündigt, gegen eine Vergabe der „Broadcast-Rechte“ an die Telekom zu klagen. Hätte eine solche Klage Aussicht auf schnellen Erfolg?
Bernd Holznagel:
Schwer zu sagen…

promedia: Wann können Wettbewerber gegen die Telekom-Aktivitäten überhaupt aktiv werden?
Bernd Holznagel:
Es könnten sich z.B. Ansprüche aus § 4 Nr. 11 UWG (Zuwiderhandlung gegen ein gesetzliche Vorschrift) ergeben, wenn “Liga Total” unter Verstoß gegen geltendes Rundfunkrecht veranstaltet wird. Eigentlich ist es aber die Aufgabe der Landesmedienanstalten, auch untereinander dafür zu sorgen, dass der verfassungsrechtlich geschützte Grundsatz der Staatsferne im Hinblick auf die Zulassung von „Liga Total“ beachtet wird (§ 38 Abs. 1 RStV).

Über Prof. Dr. Bernd Holznagel

  • Geboren: 1957
  • Studium der Rechtswissenschaften und der Soziologie
  • Forschungstätigkeit an der Harvard Law School/MIT
  • Master of Laws an der McGill University in Montreal, Kanada
  • 1997 Ernennung zum Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
  • Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM)

Artikel in der promedia April 2012

Weitere Informationen: promedia

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