Private Nachrichten für andere Nutzer. Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Hans- Bredow-Instituts, im Gespräch mit promedia

Die bestehenden gesetzlichen Pflichten für Vollprogramme ließen sich durch ein Anreizsystem zur Förderung von besonderen publizistischen Leistungen sinnvoll ergänzen. So lautet eines der zentralen Ergebnisse des von der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) in Auftrag gegebenen Gutachtens des Hans-Bredow-Instituts für Medienforschung zum Thema „Regulierung durch Anreize“. Die Studie wurde heute im Rahmen des DLM-Symposiums 2011 „Was soll der private Rundfunk für die Gesellschaft leisten?“ in Berlin vorgestellt.

Dr. Wolfgang Schulz
Dr. Wolfgang Schulz

promedia: Herr Schulz, was zählt Ihrer Meinung nach zu Public Value bei privaten TV-Sendern?
Wolfgang Schulz: Das ist eigentlich eine Frage für die Politik, nicht für die Wissenschaft. Denn was als Public Value, als gesellschaftlicher Mehrwert angesehen wird, ist nicht vorgegeben. Jedenfalls dort, wo gesellschaftlich relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden, erfüllen Fernsehsender eine besondere Funktion. Insofern ist vor allen Dingen die Rundfunkpublizistik wertvoll. Aber auch der Bereich der qualitativ anspruchsvollen Kindersendungen sollte nicht vernachlässigt werden.

promedia: Eine Analyse hat einen Rückgang von Nachrichten bei privaten Sendern ergeben. Wird das nicht durch andere publizistische Inhalte ergänzt.
Wolfgang Schulz: Nachrichten erfüllen sicher eine ganz besondere Funktion, da sie in einer ganz bestimmten Form und thematisch offen Informationen zur Verfügung stellen. Der Kollege Weiß zeigt in dem aktuellen Programmbericht auch den statistischen Zusammenhang zwischen Nachrichtenangebot und Informationsleistung der Sender. Es ist aber auch richtig, dass die Diskussion nicht auf Nachrichten verkürzt werden kann, letztlich geht es darum, dass sich die Gesellschaft adäquat über sich selbst informiert. Dazu leisten etwa auch Dokumentationen einen wichtigen Beitrag.

promedia: Warum müssen private Sender Nachrichten senden, angesichts neuer Informationsquellen, die vor allem von jungen Leuten genutzt werden und eines starken öffentlich-rechtlichen Angebotes?
Wolfgang Schulz: Natürlich wird die Auswahl an Informationsangeboten größer. Zwei Dinge sind aber zu bedenken: zum einen ist mit einer steigenden Zahl von Angeboten noch nicht unbedingt verbunden, dass die Zahl journalistisch-redaktioneller Einheiten steigt. Vieles kann aus derselben Quelle stammen. Und es ist sehr umstritten, inwieweit Laien-Journalismus im Netz wirklich eine Ergänzung oder gar ein Ersatz sein kann. Zum zweiten geht es auch darum, dass Menschen überhaupt mit diesen Inhalten in Kontakt kommen und sich dafür entscheiden können, sie zu nutzen. Insofern kommt dem Rundfunk weiterhin eine besondere Rolle zu, wo man, ohne konkret zu suchen, auf Nachrichten stößt. Letzteres erklärt auch, warum öffentlich-rechtliche Angebote nicht reichen, denn Nachrichten privater Anbieter erreichen andere Nutzer.

promedia: Die privaten Sender hatten 2010 wieder deutlich höhere Werbeeinnahmen. Warum sollte dann Informationsangebote gefördert werden?
Wolfgang Schulz: Es stimmt sicherlich, dass viele Sender – insbesondere RTL – wirtschaftlich derzeit nicht schlecht dastehen. Regulierung durch Anreize ist daher kein karitatives Anliegen. Die Idee dahinter ist vielmehr, dass wir aus der Regulierungsforschung wissen können, dass man zwar negativen Effekten – etwa im Bereich Jugend- oder Verbraucherschutz – relativ gut mit repressiven Regulierungsinstrumenten entgegenwirken kann. Wenn es aber darum geht, kreative Leistungen hervorzurufen, also Public Value zu erzeugen, sind Anreizsysteme grundsätzlich effektiver, als hinter her zu regulieren. Es geht also um eine bessere Wirkung von Regulierung, nicht darum, dass sich die Sender etwa Nachrichten nicht ohne Hilfe leisten können.

promedia: Sie schlagen Anreizmodelle vor, die in erster Linie auf eine Verbesserung der Werbemöglichkeiten und eine bessere Platzierung bzw. Auffindung der Angebote setzen. Warum?
Wolfgang Schulz: Das Problem des Modells ist, dass die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten begrenzt sind, was die möglichen Anreize angeht. Insofern gilt auch für die Wissenschaft der Satz von Kurt Beck: Man kann nur mit den Madeln tanzen, die da sind. Zudem müssen es Dinge sein, die tatsächlich eine Anreizfunktion erfüllen, jedenfalls subjektiv in der Perspektive der Veranstalter, die man erreichen möchte. Unser jedenfalls vorläufiges Ergebnis ist, dass im Bereich der Auffindbarkeit und – in den europarechtlichen Grenzen – der Refinanzierung über Werbung durchaus Anreize gesetzt werden können.

promedia: Sehen Sie – wie von Bayern gefordert – auch den Einsatz von Gebührengeldern, z.B. bei regionalen privaten Angeboten?
Wolfgang Schulz: Der Einsatz von Gebührengeldern ist denkbar, aber mit Problemen verbunden. Dazu gehört, dass die EU-Kommission davon ausgeht, dass es sich bei Gebühren um staatliche Mittel handelt, so dass das europäische Beihilferecht einschlägig ist. Dies ist zwar kein Ausschlussgrund, macht entsprechenden Modelle aber komplizierter. Des Weiteren muss man die Statik im dualen Rundfunksystem beachten. Das Bundesverfassungsgericht geht meines Erachtens sehr klug davon aus, dass das Rundfunksystem davon profitiert, wenn publizistische Konkurrenz zwischen Anbietern besteht, die auf unterschiedlichen Finanzierungslogiken basieren, nämlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der gemeinwirtschaftlich aus Gebühren getragen wird, und dem privaten Rundfunk, der sich überwiegend aus Werbung oder Entgelten finanziert. Sowie ein wenig Werbung im Bereich öffentlich-rechtlichen Rundfunks nichts schadet, ist auch ein kleiner Anteil von Gebührengeldern im privaten Bereich denkbar, sollte aber die Ausnahme bleiben. Zudem scheinen die privaten Veranstalter wenig Neigung in diese Richtung zu entwickeln, so dass es auch wenig Sinn macht, über derartige Anreize weiter nachzudenken.

promedia: Inwieweit können und sollen diese Anreize die Kosten für Informationsangebote kompensieren?
Wolfgang Schulz: Dies ist meines Erachtens ganz gut an folgendem Beispiel zu demonstrieren: Programmplätze müssen sich heutzutage refinanzieren. Bei Nachrichten etwa ist das aber schwierig, zum einen, weil die Kosten vergleichsweise hoch sind, zum anderen, weil die Finanzierung beschränkt ist, da Werbung in Nachrichten – aus guten Gründen – verboten ist (soweit sie, wie üblich, nicht länger als 30 Minuten sind). Gibt man nun die Möglichkeit, dass Veranstalter, die qualitativ hochwertige Nachrichten bringen, etwa in anderen Programmenteilen Werbneerleichterungen erhalten, können sich diese Programmplätze durch die „Querfinanzierung“ besser als zuvor refinanzieren. Leider setzt das Europarecht hier Grenzen.

promedia: Sie fordern auch rechtliche Vorgaben für die Informationsangebote. Ist das nicht ein Eingriff in die Programmautonomie?
Wolfgang Schulz: Nein, das fordern wir nicht. Der Charme der Anreiz-Regulierung ist gerade, dass inhaltliche rechtliche Vorgaben minimiert werden können, die Veranstalter sollen motiviert werden, um bestimmte Anreize zu erhalten, von selbst entsprechende Angebote zu entwickeln. Die Programmautonomie wird also hier eher geschont als etwa bei gesetzlich festgelegten Quoten für bestimmte Angebote wie Information, die rechtlich in gewissen Grenzen allerdings auch zulässig wären.

promedia: Schon heute existieren rechtliche Vorgaben, müssen Vollprogramme Informationsangebote enthalten. Warum reicht das nicht?
Wolfgang Schulz: Das Konzept des Vollprogramms im Rundfunkrecht ist bislang nicht sehr präzise ausgeformt, dies macht es für die Landesmedienanstalten schwer, ohne eine Gesetzesänderung etwa im Hinblick auf Informationsanteile aktiv zu werden. Eine Möglichkeit könnte daher auch sein, dies gesetzlich stärker zu konturieren als bisher und so den Landesmedienanstalten eine Handlungsgrundlage zu geben.

promedia: Neue rechtliche Vorgaben bedeutet noch mehr Regulierung für den privaten Rundfunk im Gegensatz zu deutlich weniger Regulierung im Bereich der Online-Medien. Wem ist damit geholfen
Wolfgang Schulz: In der Tat würde auch eine Umstellung in Richtung Anreiz-Regulierung bedeuten, dass es neue rechtliche Regelungen gibt, aber Regulierung ist glaube ich nicht mit den Begriffen „mehr“ oder „weniger“ richtig beschrieben, vielmehr geht es darum, welche Anforderungen tatsächlich gestellt werden. Und wenn eine derartige Regulierung dazu führt, dass die privaten Rundfunkveranstalter Regelungen bekommen, die ihrer Logik stärker entsprechen und sich auch mehr an ihre eigenen Geschäftsmodelle anpassen, werden sie ihre Wettbewerbsituation nicht verschlechtern, sondern eher verbessern. Was allerdings stimmt, ist, dass die Regelungen dadurch nicht einfacher werden.

promedia: Was muss die Politik jetzt tun?
Wolfgang Schulz: Wichtig scheint mir zu sein, dass die Medienpolitik nun die Diskussion führt, was sie von privatem Rundfunk erwartet und ob sie überhaupt im Hinblick auf die Programmleistungen ein Problem hat. Ist also beispielsweise das strukturelle Sinken der Informationsanteile kritisch zu beurteilen oder eher nicht? Gibt es andere Bereiche, etwa im Hinblick auf Regionales oder Angebote für Kinder, wo die Erwartungen der Gesellschaft an privatem Rundfunk regulatorischen Handelns bedürfen? Erst wenn darüber Einigkeit besteht, dann stellt sich die Frage, auf welche Weise man dies tut. Bei positiven Programmleistungen scheint mir Anreiz-Regulierung dafür ein geeigneter Weg zu sein.

Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Hans- Bredow-Instituts

Über Dr. Wolfgang Schulz

  • Geboren: 1963
  • Studium Rechtswissenschaft und Journalistik
  • Seit 1997 Lehrbeauftragter der Universität Hamburg
  • Seit 1999 stellvertretender Geschäftsführer sowie Leiter des Bereichs Medien- und Telekommunikationsrecht des Hans-Bredow-Instituts
  • Seit Juli 2001 Mitglied im Direktorium Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“

Weitere Informationen: promedia

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