Kostenbegrenzung bei ARD und ZDF. Chef der Sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann stellt Konzept vor. Interview in der promedia

„Es handelt sich um eine Rechnung  mit vielen Unbekannten“

Interview mit Dr. Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei
promedia 2/2011

In einem ausführlichen promedia-Gespräch legt Dr. Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei und Leiter einer Arbeitsgruppe der Länder zur „Beitragsstabilität“ seine Strategie zur Begrenzung der Ausgaben für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Im Kern geht es dem Umtriebigen Juristen um drei Punkte: 1. Eine genaue Bestimmung der Aufgaben von ARD und ZDF. 2. Die Nutzung aller Synergiemöglichkeiten  zwischen den Anstalten, einschließlich einer besseren Abstimmung. 3.Maßvolle Investitionen in technische Innovationen. Beermann informierte in dem Interview auch darüber, dass die Länder Möglichkeiten erörtern, falls ein Landtag dem neuen Modell für eine Haushaltsabgabe nicht zustimmen sollte.

Dr. Johannes Beermann

promedia: Herr Beermann, der Jugendmedienschutzstaatsvertrag ist nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft getreten. Muss dieser Vertrag vollständig neu verhandelt werden?
Johannes Beermann: Das Scheitern des Jugendmedienschutzstaatsvertrags hat uns völlig überrascht. Wie wir mit dieser Situation umgehen, wissen wir noch nicht. Der Staatsvertrag tritt nicht in Kraft, wenn nicht jedes vertragsschließende Land ihn ratifiziert. Das ist in Nordrhein-Westfalen nicht geschehen. Ich glaube, dass der Staatsvertrag vernünftig ist und dass wir mit ihm, nach einer sehr intensiven Diskussion, ein Regelwerk gefunden haben, das sowohl die Interessen des Jugendschutzes auf der einen Seite als auch die Befürchtungen derjenigen, die im Internet möglichst frei kommunizieren wollen, in ein angemessenes Verhältnis bringt.

promedia: Es gab nach dem Scheitern die Meinung, dass die Länder damit vor einem netzpolitischen Scherbenhaufen stehen…
Johannes Beermann:Es ist ein minderheitspolitischer Scherbenhaufen, kein netzpolitischer, denn in der Sache haben wir sehr gründlich gearbeitet und viele Vorschläge und Kritiken genau abgewogen, Expertenanhörungen in jedem Landtag durchgeführt, uns intensiv mit dem System beschäftigt. Wir haben uns sehr genau überlegt, ob wir es bei der Selbstverantwortung lassen oder ob der Staat stärker als Ordnungshüter auftreten soll. Wir haben deutlich gemacht, dass es darum geht, die Eigenverantwortlichkeit, sowohl bei den Eltern als auch bei den Anbietern zu stärken. Ich erachte es nach wie vor für das beste Ergebnis, das wir generieren konnten. Wir haben nicht damit gerechnet, dass ein Verhandlungspartner mit am Tisch saß, der später objektiv nicht in der Lage war, die Ratifizierung des Vertrags herbeizuführen, weil er nicht über die entsprechende Mehrheit im Parlament verfügt.

promedia: Wird das Scheitern grundlegende Auswirkungen auf die Diskussion der Onlineordnung haben, die in diesem Jahr auf verschiedenen Feldern weitergeführt wird?
Johannes Beermann: Juristisch ja, weil wir auf dem Status quo vor den 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zurückfallen. Politisch haben wir mit dem 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einen großen Schritt nach vorn gemacht. Das ist der politische Standard, der irgendwann auch Recht werden wird. Wir lang das dauert, müssen wir abwarten.

promedia: Es gibt seitens der Opposition in NRW mit Blick auf den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag bereits wieder Bedenken. CDU und FDP wissen nicht, ob sie dem Vertrag zustimmen werden. Droht den Ländern hier bereits ein neues Fiasko?
Johannes Beermann: Die Regierungen, die für die Länder verhandeln, sind zunächst die Ansprechpartner für neue gesetzliche Regelungen. Wir haben den Vorteil, da die meisten Parteien in Deutschland irgendwo in der Regierung sind, dass sie sich auf einen Staatsvertrag einigen. Unabhängig davon wer regiert, ist die Regierung in der Regel dafür und die Opposition nach den Erfahrungswerten dagegen. In der Tat ist der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die größere Herausforderung, denn wir haben mit Nordrhein-Westfalen eine Regierung am Tisch, die über keine Mehrheit im Parlament verfügt. Damit besteht die Gefahr, dass der Vertrag nicht ratifiziert wird, weil Regierung und Opposition ein bestimmtes Rollenverständnis haben. Das hat die Ministerpräsidentenkonferenz auf ihrer letzten Sitzung erkannt und die Rundfunkkommission beauftragt, sich mit dieser Situation zu befassen. Es besteht die Gefahr eines großen medienpolitischen Unfalls, denn der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag stellt einen wichtigen Systemwechsel dar. Wir werden uns darüber verständigen müssen, welche Konsequenzen das für den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag hat und wie wir einen Unfall verhindern können.

promedia: Ist es denkbar, dass ein solcher Vertrag angenommen wird, wenn ein Parlament dagegen stimmt?
Johannes Beermann: Wir haben andere Bereiche, wo man das vereinbart hat. Wenn Länder einen Vertrag kündigen, wie den Glücksspielstaatsvertrag, dann wird er zwischen den anderen weitergeführt. Das ist eine Lösung, die man durchaus ins Auge fassen kann. Ob das zielführend ist, ist die andere Frage.

promedia: Man konnte hören, dass Sie ursprünglich eine Klausel in den Staatsvertrag einbauen wollten, die festlegt, dass die Gebühr auch 2013 nicht über 17,98 Euro steigen darf. Diese Klausel habe ich im unterschriebenen Vertrag nicht gefunden. Warum war diese für Sie so wichtig?
Johannes Beermann: Die Klausel war nicht wichtig. Das Ziel ist wichtig, den Beitrag 2013 bei 17,98 Euro zu belassen. Die Akzeptanz dieser neuen Abgabe hängt wesentlich davon ab, dass der Bürger nicht den Eindruck hat, die Politik habe das alles nur gemacht, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Dauer höhere Einnahmen zu sichern und würde eine Erhöhung der Rundfunkgebühren durch die Hintertür vornehmen. Der positive Effekt der Umstellung zu einer Abgabenerhebung würde vollständig von einer negativen öffentlichen Diskussion überlagert, wenn der Beitrag plötzlich von 18 auf 20 Euro steigen würde. Das wäre verheerend. Deswegen darf die Gebühr 2013 nicht über 17,98 Euro steigen, damit deutlich wird, dass der Systemwechsel nicht zu einer Mehrbelastung für den Einzelnen führt. Wir haben mit den Rundfunkanstalten und den zuständigen Stellen vereinbart, dass es 2013 nach der Umstellung bei 17,98 Euro bleibt, das System dann 1-1 ½ Jahre erprobt wird und man dann analysiert, wie sich die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Anstalten  entwickelt haben und ob eine Veränderung des Rundfunkstaatsvertrages erforderlich ist. Darüber hinaus hat die Ministerpräsidentenkonferenz entschieden, dass die Arbeitsgruppe Beitragsstabilität die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überdenkt. Ende 2013 weiß man, was aufgrund der 17,98 Euro in die Kasse kommt und es wird überlegt, wie der Beitrag stabil gehalten werden kann. Insofern habe ich meine zwei Ziele erreicht.

promedia: Laut Staatsvertrag müssen die Rundfunkanstalten ihre Anmeldungen im nächsten Jahr bei der KEF abgeben und die KEF müsste die Höhe der Abgabe ab 2013 festlegen. Ihre Arbeitsgruppe legt die Berichte bis 2014 vor. Die Evaluierung des 15. RÄStV erfolgt auch erst Anfang 2014. Also dürften die Anstalten für 2014 und 2015 keine höheren Ausgaben anmelden. Welches Agreement haben Sie hierzu mit den Anstalten getroffen?
Johannes Beermann: Wir haben kein Agreement getroffen, sondern akzeptieren natürlich, dass zwei verfassungsmäßig getrennte Räume existieren. Aber müssen aufgrund der Anmeldung die Gebühren tatsächlich ab 2013 erhöht werden, obwohl bisher niemand sagen kann, wie viele Abgabenschuldner wir haben? Es kann bisher auch niemand sagen, was die Umstellung einer Gerätegebühr auf eine Haushaltsabgabe für Konsequenzen für den Einzelnen hat. Es handelt sich um eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Angesichts dessen ist es eine wichtige Frage, wie wir einen Weg organisieren, der uns Gewissheit verschafft und die politische Akzeptanz trotzdem bestehen bleibt. Es gibt dazu zwei Varianten: Die erste wäre es, den Auftrag so zu verändern, dass 2013 der Beitrag bei 17,98 Euro einigermaßen erhalten bleibt. Das ist bis Ende 2012 nicht ohne unzumutbaren Kraftakt zu erreichen. Die zweite ist, dass alle Beteiligten zu dem Schluss kommen, dass 2013 möglicherweise keine Erhöhung nötig ist. Diese Option wollten wir nicht von vorn herein ausschließen. Dadurch, dass wir das gemeinsame Ziel haben, sowohl die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie auch die Politik, die Akzeptanz der neuen Abgabe hoch zu halten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Umstellung kommt, müssen alle Beteiligten so agieren, dass es bei 17,98 Euro bleibt.

promedia: Eine Verschiebung der Anmeldung bei der KEF bedeutet das nicht?
Johannes Beermann: Wie es technisch gemacht wird, müssen die Beteiligten unter sich besprechen. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es vernünftige Mittel und Wege gibt, die Abgabe 2013 stabil zu halten.

promedia: Sie sprachen die Arbeitsgruppe an. Für Ihre ersten Vorschläge in den letzten Monaten wurden Sie bereits heftig kritisiert. Fühlen Sie sich als der „neue böse Bube im Kreis der Unionsländer“ wohl, wie die „Süddeutsche Zeitung“ Sie bezeichnete?
Johannes Beermann: Es ist die ordnungspolitische Diskussion darüber, wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk künftig entwickelt. Wenn man Diskussionen anstößt, kommt es natürlich auch zu  kontroversen Meinungen und Gegenargumenten. Da wir es hier mit einem über Jahrzehnte gewachsenen Organismus zu tun haben, sind Veränderungen nur zu erreichen, wenn der öffentliche Druck groß genug ist. Insofern sehe ich mich nicht als „böser Bube“, sondern als denjenigen, der einen längst überfälligen Diskurs anstößt. Über alle Parteigrenzen hinweg, und nicht nur bei den Unionsländern, die mich zu einem großen Teil immer unterstützt haben, bestand sehr schnell Einstimmigkeit darüber, dass die AG-Beitragsstabilität bis 2014 ihre Arbeit weiterführt. Nach dem Aufreger der ersten Monate sind wir nun zu einer sachlichen Diskussion gekommen. Das ist zum Wohle derjenigen, um die es geht, nämlich der Zuschauerinnen und Zuschauer.

promedia: Von welchen grundlegenden Überlegungen lassen Sie sich dabei leiten?
Johannes Beermann:Mich treibt die Frage um, wie wir ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem in einem Umfeld, bei dem sich sowohl der Rundfunkveranstalter extrem verändert hat als auch die Art der Rundfunkveranstaltung sowie die Mediennutzung, zukunftsfest machen können. Dazu gehört als erstes die Akzeptanz. Die Akzeptanz betrifft sowohl die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch die Marke, die positiv besetzt ist. Das muss verankert werden und weiter finanzierbar bleiben. Das heißt auch, das, was an Gebühren oder Abgaben bezahlt wird, muss von einer allgemeinen Anerkennung getragen werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist natürlich unverzichtbar. Aber neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk existieren heute eine ganze Reihe anderer Anbieter mit Vollprogrammen, Verkaufsprogrammen oder Digitalprogrammen für einzelne Bereiche. Das hat sich gegenüber den 50er Jahren, als die öffentlich-rechtlichen Anstalten entstanden, fundamental verändert. Daher muss man darüber nachdenken, ob der Auftrag, der vor 60 Jahren in einer Zeit definiert wurde, in der man nicht ausreichend Sendekapazität hatte, so noch zutreffend ist. Dabei gilt es, das Gute zu behalten und das sich als Ballast Erweisende abzuwerfen.
Das Zweite ist, wie sich Medien generell verändern. Wir haben die Diskussion darüber, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Onlinebereich darf, auch mit dem Drei-Stufen-Test, ausführlich geführt. Dahinter steckt natürlich die Erkenntnis, dass sich nicht nur die Übertragungswege und Plattformen der Medien verändert haben, sondern auch deren Inhalte. Das bedeutet wiederum, dass es eine ganz andere Adaption gibt und Rundfunk mit ganz anderen Angeboten in Konkurrenz tritt. Was sich an Videosammlungen oder sozialen Netzwerken im Internet befindet, ist für die Jugend hoch interessant. Bei Facebook beispielsweise machen Kinder und Jugendliche selbst Rundfunk. Dort werden realitätsnahe Nachrichten gepostet, die früher nur in den Nachrichtensendungen gekommen wären. Wir haben über Google, Facebook und Co. eine andere Medienstruktur und -Nutzung erhalten. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergibt sich deshalb eine veränderte Rolle. Außerdem existiert das duale System  auch in der digitalen Welt. Das heißt, die einen verdienen mit den Medienangeboten Geld, die anderen erhalten öffentlich-rechtliche Gebühren. Deshalb sollte man noch konsequenter als bisher die Bereiche, mit denen man Geld verdienen kann, den Privaten überlassen  und mit denen man kein Geld verdient, die aber dennoch für die Meinungspluralität erforderlich sind, den Öffentlich-Rechtlichen. Mit diesen Leitlinien habe ich einen Korridor, in dem ich mich bewegen möchte.

promedia: Lassen Sie uns konkret werden. Was ist aus Ihrer Sicht machbar? Die Zusammenlegung von Anstalten war im Gespräch…
Johannes Beermann: Eine Zusammenlegung von Anstalten ist eine freiwillige Angelegenheit der einzelnen Länder und muss staatsvertraglich geregelt werden. Für mich ist die Rundfunkpolitik Ausdruck des Selbstverständnisses unseres Föderalismus. Wie und wo ein Bundesland wie viele Rundfunkhäuser betreibt, ist die Entscheidung des jeweiligen Bundeslandes. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben wir eine Dreiländeranstalt gegründet. Das war aber allein die Entscheidung dieser drei Länder. Dass es durch Zusammenschlüsse Synergien geben könnte, darüber haben wir in der Arbeitsgruppe bereits gesprochen. Daher denke ich, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, aber es liegt in der jeweiligen Entscheidung der einzelnen Länder. Etwas anderes ist es mit den Digitalkanälen, die wir vor einigen Jahren bevorratet haben, als die digitale Welt vor dem Entstehen stand. Ob wir diese alle noch in dem Umfang brauchen, kann man sich in der Tat fragen.

promedia: Sehen Sie Möglichkeiten für eine engere Kooperation zwischen den Anstalten?
Johannes Beermann:Das ist die kleine Schwester der Zusammenlegung von Sendern. Es wird teilweise bereits praktiziert, aber hier besteht noch viel Spielraum für weitere Überlegungen. Dass man das im Rahmen der Freiwilligkeit nach vorn treibt, sehe ich.

promedia: Wie sieht es mit einer engeren Arbeitsteilung zwischen ARD und ZDF aus?
Beermann: Das ist eines meiner Lieblingsbeispiele.

promedia: Warum?
Johannes Beermann: Nehmen wir die zahlreichen Königshochzeiten. Dass darüber fachmännisch und minuziös berichtet wird, mag kein Mensch bestreiten. Ob es allerdings wirtschaftlich sinnvoll und notwendig ist – schließlich berichten auch private Sender – dass ARD und ZDF, die ich nicht als Konkurrenten, sondern als Geschwister betrachte, mit Hunderten von Menschen und einer Sendeinfrastruktur, die parallel geschalten wird, darüber berichten müssen, habe ich meine Zweifel. Es gibt mehrere solcher Ereignisse, wie z.B. die Olympischen Spiele. Dass ARD und ZDF am 1. Januar das Neujahrskonzert zeitgleich ausgestrahlt haben, macht die Gebührenverschwendung mehr als deutlich. Wenn zwei Konzerte parallel laufen, kann der Gebührenzahler nur eines sehen und hören. Er bezahlt aber zwei Konzerte. Das kann nicht sein. Es bedarf, wie es eigentlich jetzt schon im Staatsvertrag angelegt ist, einer vernünftigen Abstimmung und Arbeitsteilung.

promedia:Es gibt überall Programmbeiräte. Dieses Thema müsste sich aus dem Selbstverständnis und der Aufgabe dieser Kontrollgremien ergeben. Dass Sie darauf hinweisen, ist verständlich, aber eigentlich bedarf es dabei doch nicht der Politik, um das zu verändern…
Johannes Beermann:Ich wünsche mir durchaus, dass die Kontrollgremien diese Aufgabe außerhalb des Blickkreises ihrer Sender hinaus wahrnehmen. Sie haben Recht, normalerweise müssten die Gremien, eben weil es die kontrollierende Öffentlichkeit ist, sagen, dass man die Programme besser koordinieren soll. Da das von innen heraus aber nur begrenzt erfolgreich sein wird, ist es Aufgabe desjenigen, der den Rundfunkauftrag vergeben kann. Natürlich ist die Idee nicht neu. Mein Vorschlag ist es deshalb, im Rundfunkänderungsstaatsvertrag festzulegen, dass man sich abzustimmen hat. Diese Mehrfachbelastung ist für den Gebührenzahler unzumutbar.

promedia: Sehen Sie die Notwendigkeit, die Kulturaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu reduzieren, angefangen von Orchestern bis hin zu Beteiligungen an Ausstellungen und Festivals?
Johannes Beermann:Dieses Thema muss man sehr differenziert betrachten, weil es die Aufgabe von Rundfunkanstalten im gesellschaftlichen Ganzen betrifft. Das ZDF hat beispielsweise in Dresden die Frauenkirche mit unterstützt und für seine Landesstudios bewusst Immobilien gewählt, die für die Stadt wertvoll waren. Das gehört zu einem gesellschaftspolitischen Auftrag, den die Rundfunkanstalten wahrnehmen und der, wie ich finde, zu jedem Unternehmen gehören. Dass ein großer Teil der Wahrnehmung der Kultur in Deutschland darauf beruht, was die Öffentlich-Rechtlichen senden, ist unbestreitbar. Vieles, was moderne Künstler leisten, was an darstellender  Kunst sowie in der Musik geboten wird, wäre nicht bekannt und würde sich nicht weiterentwickeln, wenn es die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht gäbe. Ob wir das in dem Umfang, mit den vielen Spezialsendern und -Angeboten, die sich fast oder ausschließlich mit Kultur beschäftigen, brauchen, darüber müssen wir uns Gedanken machen. Ich habe auch Zweifel, ob es weiterhin die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein kann, durch die Rundfunkabgabe Orchester und Chöre zu finanzieren. Als Beispiel wären wieder die Neujahrskonzerte zu nennen. Das Neujahrskonzert der ARD wurde nicht etwa von einem der zahlreichen und guten Rundfunksinfonieorchester der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestritten, sondern von den Berliner Philharmonikern.

promedia: Aber aus Dresden kam die Übertragung des ZDF.
Johannes Beermann:Das ist richtig, aber soweit ich weiß, besitzt das ZDF kein Sinfonieorchester. Das heißt, wenn schon eigene Orchester der Landesrundfunkanstalten existieren, sollte man auch auf eigene Ressourcen zurückzugreifen. Wenn wir in Sachsen von den 10 weltbesten Orchestern über zwei verfügen – das Gewandhausorchester in Leipzig und die Staatskapelle in Dresden – die sich beide aus Einnahmen durch Besucher, Tourneen oder Staatseinnahmen generieren, stelle ich mir die Frage, ob es erforderlich ist, dass auch der MDR ein eigenes Sinfonieorchester unterhält. Ich möchte nicht, dass wir von heute auf morgen allen Orchestern und Chören kündigen, sondern darüber nachdenken, wie wir einerseits die Hochkultur halten und andererseits dafür sorgen, dass die Finanzierung derartiger kulturell wichtiger Institutionen in ihrer jeweiligen Region auch ohne Rundfunkabgaben möglich ist. Wir muten derzeit sogar Behinderten zu, sich an der Rundfunkabgabe zu beteiligen. Das macht deutlich, dass es legitim ist, darüber zu diskutieren und es anzupacken.

promedia: Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten, den Auftrag an die veränderten Bedingungen anzupassen?
Johannes Beermann: Das betrifft erstens die technischen Bereiche. Wir haben das Prinzip, dass die Politik Leistungen bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten bestellt und der Gebührenzahler bezahlt. Ist es angesichts dessen immer richtig, dass wir z.B. die neuste HDTV-Technik beanspruchen oder immer Vorreiter bei technischen Innovationen sein müssen? Das betrifft zweitens auch moderne Managementformen, die vielfach bereits in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angewendet werden, aber ausbaufähig sind. Drittens muss man überlegen, welche Aufgaben noch wahrgenommen werden müssen. Wir haben bereits über die Kultur gesprochen. Wir müssen aber auch über Sportübertragungen, vor allem von sehr kostenintensiven  Großereignissen, nachdenken. Macht es Sinn, dass die Öffentlich-Rechtlichen, wenn sich Private um Sportübertragungen bemühen und sehr gute Werbeträger sind, um jeden Preis für den Rechteerwerb mitbieten müssen? Es geht auch um Fragen der Unterhaltung. Die privaten Sender bieten ein sehr breites Unterhaltungsspektrum an. Dort einen Unterhaltungsauftrag zu definieren und zu sagen, was öffentlich-rechtliche Unterhaltung ist und was sie bieten muss, ist schwer. Man könnte ganz generell sagen, dass es ein anderes Niveau sein muss. Aber das ist eine subjektive und geschmäcklerische Bewertung, die der Politik nicht zusteht. Doch Überlegungen anzustellen, wie hoch der Anteil am Gesamtprogramm sein sollte, halte ich für legitim. Unbestritten ist, dass die Kernkompetenz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Nachrichten sind. Es ist deshalb nicht hinnehmbar, dass öffentlich-rechtliche Nachrichtensendungen auf Dauer hinter den privaten Rundfunk zurückfallen.

promedia: Sie meinen bei den Marktanteilen…
Johannes Beermann: Ja, ich erwarte als Bürger z.B., dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über ein weltweites Korrespondentennetz verfügen, um auch kritisch über das ein oder andere berichten zu können. Das ist existentiell. An dieser Stelle zeichnet sich öffentlich-rechtlicher Rundfunk aus und hier müssen wir mehr auf Qualität und Quote achten. Eine solche Information, die sehr teuer ist, kann ich von privaten Sendern nicht verlangen.

promedia: Wenn Sie über Qualität reden, greifen Sie dann nicht in die Befugnisse der Rundfunkanstalten ein, wenn Sie sagen, was Unterhaltung ist und wie sie aussehen soll etc.?
Johannes Beermann: In  §§11ff des Rundfunkstaatsvertrags sind bereits Wertungen, beispielsweise bezüglich der Unterhaltung enthalten. Ich schreibe nicht vor, wie Qualität zu sein hat. Ich schreibe auch nicht vor, was zu senden ist. Ich denke, dass es unabhängig vom Inhalt einen Common Sense gibt, der eine Unterscheidung zwischen dem, was öffentlich-rechtlicher Standard ist und was privatrechtlich angeboten werden darf, vornimmt. Bei den privaten Angeboten existieren ausschließlich verfassungsrechtliche, strafrechtliche und moralische Grenzen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich natürlich auch an diese Regeln halten muss, wird zusätzlich noch – wie es in der Verfassung steht – von den Parlamenten, den Regierungen kontrolliert, die seinen Auftrag definieren. Damit hat die Politik nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, den Anspruch zu formulieren, den die Menschen an einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellen können. Natürlich sind wir dabei in der Gefahr, einen Schritt zu weit zu gehen. Aber das Bundesverfassungsgericht hat uns den Rahmen vorgegeben und den sollten wir nicht nur einhalten sondern auch ausnutzen. Ich  bin zuversichtlich, dass wir eine vernünftige Diskussion in einem zulässigen Rahmen führen werden. Wir dürfen die Grenzen zu konkreten Forderungen bei einzelnen Sendungen oder Inhalten allerdings niemals überschreiten.

promedia: Sparsamkeit und Sparen sind die eine Sache. Man könnte auch darüber nachdenken, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Einnahmen erhöhen könnte. Monika Piel regte an, die Apps der ARD nicht mehr kostenlos anzubieten. Was halten Sie davon?
Johannes Beermann: Ja, man muss versuchen, an der Einnahmeschraube zu drehen, aber sollte dabei die Schraube nicht verbiegen. Über dieses Thema sprechen wir auch in der Rundfunkkommission. Hier sehe ich aber vor allem die klassischen Eigenproduktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Ein berühmtes Beispiel ist „Derrick“ , eine Produktion die sich nachgewiesenermaßen auch anderswo gut vermarkten läßt. Wir sollten nicht päpstlicher sein als der Papst, sondern gerade in Zeiten von Youtube dafür sorgen, dass man so etwas weiter verwerten kann.

promedia: Das ähnelt dem Modell, bei dem das ZDF mit der Produzentenallianz eigenproduzierte Formate gegen Bezahlung als Video On Demand angeboten werden sollen.
Johannes Beermann: Zum Beispiel. Man kann aber auch Fremdproduktionen mit einstellen. Eine andere Frage ist aber, in wie weit der öffentlich-rechtliche Rundfunk digitale Angebote wie Apps kostenpflichtig vermarkten sollte und sich diese Inhalte somit zweimal bezahlen lässt. Denn die „Tagesschau“ z.B. ist durch die Rundfunkabgabe bereits bezahlt. Zudem stellt sich die Frage, warum die Öffentlich-Rechtlichen in einem Bereich, wo entsprechend die Privaten einen ganz anderen Antrieb haben, weil sie Geld verdienen müssen, neue Angebote entwickeln müssen. Das halte ich persönlich für falsch und sehe es als sehr kritisch, denn das geht auch aus ordnungspolitischen Gründen nicht.

promedia: Das bedeutet, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf bestimmte Inhalte, mit denen die privaten Medien Geschäftsmodelle entwickeln, verzichten sollte? Nicht „Tagesschau“- App gegen Bezahlung, sondern keine „Tagesschau“- App…
Johannes Beermann: Nein, gegen eine kostenlose „Tagesschau- im-Internet“ habe ich keine grundlegenden Bedenken. Wir wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht von den technischen Möglichkeiten abkoppeln. Diese Möglichkeiten sollten ausgeschöpft werden, auch um jüngere Zuschauer zu erreichen. Die Frage ist nur, ob man es zu einem Produkt macht, dass auch in seiner Ausformung in direkter Konkurrenz zu anderen privaten Produkten steht. Es geht hier nicht um die Entwicklung von Geschäftsmodellen, sondern um eine, den technischen Möglichkeiten entsprechende, differenzierte Verbreitung öffentlich-rechtlicher Inhalte.  Entwicklung von Geschäftsmodellen ist nicht Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

promedia: Wie bekommt man bei dem Streit zwischen den Printverlegern und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk „die Kuh endlich vom Eis“?
Johannes Beermann: Dieser Markt ist in Bewegung. Auch einige private Medienanbieter haben den Start verschlafen, das darf man aber nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten anlasten, sondern muss sich an die eigene Managernase fassen. Auf der anderen Seite müssen wir gerade im Onlinebereich, wo sich die verschiedenen Medien treffen, die Bereiche genau abgrenzen und überlegen, welche den Privaten zugeordnet werden müssen, weil sie damit Geld verdienen und auf welchen Online-Feldern die Öffentlich-Rechtlichen aktiv werden können, weil sie sonst ihre Zuschauer oder Hörer nicht mehr erreichen können, was sie verkümmern lassen und der Rundfunkabgabe die Legitimität nehmen würde. An dieser Stelle muss der konstruktive Dialog weitergehen. Die Drei-Stufen-Tests, bei denen sehr viel Sachverstand angesammelt wurde, liegen erst wenige Monate zurück. Wir sind dabei, aus der Nutzung der öffentlichen-rechtlichen Angebote und den neuen Entwicklungen mit Paid-Content, vor allem im mobilen Bereich, Erfahrungen zu sammeln. Unter Umständen werden wir den 13. RÄStV noch einmal nachjustieren. Deswegen bleibe ich gern im Gespräch mit den Verlegern und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aufgrund derer eine faire Verständigung zu Stande kommen sollte. Ich bin auch hier Optimist.

Artikel in der promedia 2/2011
Weitere Informationen: promedia

3 thoughts on “Kostenbegrenzung bei ARD und ZDF. Chef der Sächsischen Staatskanzlei Johannes Beermann stellt Konzept vor. Interview in der promedia

  1. Bevor auch nur ein cent an die öffentlich-rechtlichen anstalten fließt, muss
    ordentlichere sprechleistung eingefordert werden. Sowohl bei rundfunk und
    fernsehen.
    Lautes luftholen, bis hin zur gewollten schnappatmung, und mangelhaftes
    Atemmanagment, sind unerträglich. Man gewinnt den eindruck, dass damit
    verkündetes interessanter wirken soll. Weiterhin sind betonungsmängel und
    nachlassende sprachprägung am satz-oder wortende für ältere ohren eine
    beleidigung.
    Ganz übel fallen dahingehend SWR-Hörfunk und TV-Nachrichten in seinem 3.
    programm, aber auch beim ZDF gibt es so etwas als nachrichtensprecherin
    und wettervortragende. Derartiges in eigeninitiative vorzutragen ist bei
    den abgeschirmten anstalten unmöglich. Ob mein brief an intendant boudgoust
    diesen erreicht hat, steht dahin. Nach 5 wochen keine änderung!

    Mit freundlichen Grüssen
    Lothar Regenbogen, 61350

  2. Gerhard Niemeyer Dianastraße 13 46149 Oberhausen
    Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist datenschutzrechtlich ein derartiges Desaster, das kaum zu beschreiben ist. Die Forderungen sind teilweise weit überzogen und oft auch nicht nachvollziehbar. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder äußert sich unter anderem wie folgt:”Aus datenschutzrechtlicher Sicht widersprechen die Datenverarbeitungsbefugnisse des Staatsvertragsentwurfs durch zu umfangreiche Ermächtigungen der Rundfunkanstalten und ihrer Hilfsorgane den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit sowie den Grundsätzen der Normklarheit und Transparenz.”. Weiter heißt es dort:„Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordert die Staatskanzleien daher auf, den vorgelegten Entwurf noch einmal unter Beachtung der Grundsätze der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Normenklarheit und Datensparsamkeit nachzubessern …….“ Ein Votum, welches an Deutlichkeit und Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt. Der Vertrag darf so keinesfalls in Kraft treten.

  3. Von Beitragsstabilität kann keine Rede sein. Wer keinen Fernseher hat (die Menschen gibt es wirklich), soll künftig das dreifache zahlen. Wer einen hat, verliert die Option, durch Entsorgen und Abmelden des TV-Gerätes deutlich Kosten zu sparen. Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält Formulierungen, die geeignet sind, aus einem Haushalt mehrere Beiträge zu generieren. Ausserdem schafft er noch weitere beitragspflichtige Tatbestände, die dann in einer Autoabgabe, Zweitwohnungsabgabe, Betriebsstättenabgabe münden. Es ist ein Schand-Vertrag, der nur der Versorgung einer kleinen, privilegierten Gruppe dient und zur Verschwendung von Ressorucen und Geldern einladen wird. Ein fairer Vertrag hätte den “Rundfunkbeitrag” für alle auf die heutige Grundgebühr (Hörfunk) reduziert.

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