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„Die digitale Medienwelt erfordert neue Spielregeln“, Dr. Hans Hege, Direktor der MABB

Interview mit Dr. Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, promedia 04/2010

Pünktlich zu Ihrem 25 jährigen Geburtstag hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg als erste Landesmedienanstalt eine App für das iPhone gestartet. Mit der „mabbFMList“ kann das iPhone an jedem beliebigen Ort in Deutschland die verfügbaren UKW-Radiostationen und – frequenzen anzeigen. Zur Ermittlung der Daten werden die aktuellen GPS-Koordinaten verwendet.
Aus der 1985 gegründeten Anstalt für Kabelkommunikation hervorgegangen, hat sich die MABB wiederholt als ein Motor der Innovationen im Rundfunkbereich erwiesen: In Berlin-Brandenburg wurden zuerst die analogen Rundfunkfrequenzen auf DVB-T umgestellt und jüngst hat sich die Medienanstalt sehr engagiert für die Nutzung der daraus resultierenden digitalen Dividende zur Internetübertragung per Rundfunkfrequenzen eingesetzt. promedia sprach mit Dr. Hans Hege, Direktor der MABB seit 25 Jahren über die Zukunft der Landesmedienanstalten und aktuelle Probleme der Regulierung.

Dr. Hans Hege
Dr. Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg

promedia: Herr Hege, wie sehen Sie heute die Stellung und Funktion einer Landesmedienanstalt innerhalb unserer Medienordnung?
Hans Hege: Wir haben verfassungsrechtliche Vorgaben, die die Landesgesetzgeber umsetzen – das ist die Grundlage unseres Handelns. Es ist nach wie vor aktuell, die Vielfalt und die Auswahl des Verbrauchers zu sichern, sowie Innovationen in der Medienlandschaft anzustoßen.

promedia: Wie hat sich diese Aufgabe in den letzten 25 Jahren verändert?
Hans Hege: Wir haben eine spannende historische Zeit in den 25 Jahren erlebt. Dabei haben sich auch die Medien grundlegend verändert. Somit verändern sich auch die Aufgaben. Die verfassungsrechtlichen Ziele sind die gleichen, aber die Mittel, mit denen wir sie umsetzen, müssen fortentwickelt werden. Wir haben eine Gründungszeit erlebt, im Fernsehen wie im Radio. Heute sind nur noch einzelne Frequenzen zu vergeben, die Knappheit der Übertragungswege ist im Wesentlichen überwunden. Die Infrastrukturen haben sich weiterentwickelt. Zulassung und Kapazitätsverteilung sind daher weniger wichtig geworden. Dafür entstehen neue Machtpositionen, die die Mediennutzung bestimmen, insbesondere Plattformen, Suchmaschinen und soziale Netzwerke. Die Förderung von Medienkompetenz und –ausbildung gewinnt an Bedeutung. Continue reading „Die digitale Medienwelt erfordert neue Spielregeln“, Dr. Hans Hege, Direktor der MABB

Die terrestrische Digitalisierung ist eine Fahrt in die Sackgasse

Interview mit Gert Zimmer, Geschäftsführer RTL Radio Deutschland – von Helmut Hartung / Promedia Ausgabe 06/2009

Radios sind von der Werbekrise weniger betroffen als andere Medien, leichtes Plus im ersten Quartal

RTL-Radiogruppe beurteilt Nutzen der Digitalisierung des Radios weiterhin skeptisch

Internet neben UKW als zweite Säule der Programm- und Angebotsverbreitung für Hörfunksender

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Gert Zimmer CEO RTL Radio Deutschland, Berlin

Am 25. März 2009 haben die Länder die Bedarfsanmeldung für eine bundesweite  Bedeckung mit digitalem Hörfunk in Band III beschlossen, so dass nach der Planung  der Länder und der Landesmedienanstalten spätestens im kommenden Jahr der Neustart  des Digitalradios im Übertragungsstandard DAB plus erfolgen soll. Doch die  Länder haben die Rechnung anscheinend ohne die Sender gemacht. Den ARD-Anstalten  fehlt für die Investition in die digitale Sendertechnik das Geld, abgesehen  davon, dass sie keine landesweiten Programme verbreiten dürfen, und die privaten  Sender sind immer weniger geneigt, Millionen von Euro in das Digitalradio zu investieren.

So betonte der Geschäftsführer der RTL-Radiogruppe Gert Zimmer gegenüber promedia: „Wenn die Politik bei der Einführung der terrestrischen Digitalisierung Dringlichkeit  suggeriert, dann ist das aus meiner Sicht für viele Anbieter Beihilfe zur Fahrt  in eine Sackgasse. Die Bedarfsanmeldung ist letzten Endes nicht das Ergebnis einer  rationalen Entscheidungsfindung. Sie berücksichtigt in keiner Weise die gesamtwirtschaftlichen  Vorzeichen und scheint eher dem Wunsch der Länder geschuldet,  einen vor Jahren eingeschlagenen Weg auch konsequent zu Ende zu gehen.”

promedia: Herr Zimmer, Nielsen hat für das  1. Quartal für das Radio ein Umsatzplus verzeichnet  und man hört von vielen Radiosendern,  dass sich die Werbeumsätze auch im April  und Mai positiv entwickeln. Können Sie diesen  Trend für RTL Radio Deutschland bestätigen?

Gert Zimmer: Verglichen mit dem Vorjahr, welches  deutlich hinter den Erwartungen lag, war das  erste Quartal 2009 den Umständen entsprechend  zufriedenstellend. Wobei die Nielsen  Zahlen Preislisten-Werte sind, die weder gestiegene  Rabatte noch den zunehmenden Anteil  an Eigenwerbung der Radiosender berücksichtigen.  Mit Blick auf das zweite Quartal müssen  wir feststellen, dass sich auch die Radiobranche  inzwischen spürbar im Sog schrumpfender  Werbemärkte befindet. Alle Sender leiden unter  den Einbrüchen vor allem der nationalen  Vermarktung. Diese Verluste können nicht mehr  durch eine bis jetzt sehr erfolgreiche regionale  Vermarktung kompensiert werden. In Metropolen  sieht es da minimal besser aus als in den  Flächenländern. Hinzu kommt die zunehmende  Kurzfristigkeit der Einbuchungen, die eine  belastbare Planung der weiteren Geschäftsentwicklung  erschwert.

promedia: Es hatte bisweilen den Anschein, als  gehöre Radio zu den Gewinnern der Medienkrise?

Gert Zimmer: Grundsätzlich mag es bei der Betrachtung  des ersten Quartals so aussehen, als seien  die abverkaufsorientierten Mediengattungen  wie Zeitung und Radio Nutznießer der Krise.  Die Zeitungen legen im ersten Quartal brutto  um 6,4 Prozent an Werbeeinnahmen zu, der  Hörfunk sogar um 10 Prozent. Beim Radio ist  diese positive Entwicklung in erster Linie der  Automobilbranche und den Handelsunternehmen  zu verdanken. Aber: Bereinigt um Sondereffekte,  wie die Brutto-netto-Schere und Eigenwerbung  der Sender, dürften die privaten Veranstalter  tatsächlich kein oder nur ein leichtes  Plus gegenüber dem Vorjahr in ihren Kassen  spüren. Aber selbst das ist im Vergleich zu anderen  Mediengattungen noch ein großer Erfolg.

promedia: Wie sieht Ihre Prognose für die  nächsten Monate aus? 

Gert Zimmer: Zum jetzigen Zeitpunkt ist jede Prognose  zur Entwicklung mit Unsicherheiten behaftet.  Niemand kann mit Bestimmtheit sagen,  ob die Radiobranche die Rezession bereits hinter  sich gelassen hat oder verspätet hineingerät.  Für uns bedeutet das: strikte Kostendisziplin,  Optimierung der Programmqualität und damit  Steigerung der Reichweiten sowie die Erschließung  alternativer Umsatzquellen.  In diesem Zusammenhang appellieren wir an  die Politik, dass es bei unserer wichtigsten  Einnahmenquelle, der Werbung, nicht zu weiteren  gesetzlichen Einschränkungen kommt.  Die Überlegung seitens des Drogenbeauftragten  der Bundesregierung, Werbung  für alkoholhaltige Getränke im Fernsehen  und Radio pauschal auf die Zeit nach 20 Uhr zu verlegen, hätte für das Radio fatale  Auswirkungen. Legale Produkte müssen legal  beworben werden können.

promedia: Noch einmal zur aktuellen Situation:  Wo sehen Sie die Ursachen für die dennoch  tendenziell positive Entwicklung im Vergleich  zu anderen Medien in den ersten Monaten? 

Gert Zimmer: Die Stärken des Hörfunks sind  Schnelligkeit, Flexibilität und die Fähigkeit,  Hörer zu mobilisieren. Das sind Eigenschaften,  die die Werbekunden momentan sehr schätzen  und deshalb das Medium gezielt buchen.  Neben anderen Faktoren hat sich die Abwrackprämie  optimal geeignet, potenzielle Autokäufer  über den Hörfunk anzusprechen und zu mobilisieren.  Das ist vor allem in wirtschaftlich  schwierigen Zeiten eine der taktischen Stärken  des Radios. Auch zurückhaltenden Konsumenten  werden Kaufanreize gegeben. Positiv ist  zudem die starke regionale Verwurzelung der  Sender.  Unsere Beteiligungen verfügen über starke Marken  innerhalb der Verbreitungsgebiete und kennen  die Marktgegebenheiten und Bedürfnisse  der Kunden sehr gut. Und die Werbekunden  wissen wiederum, wie sie gezielt über unsere  Marken mit ihren Botschaften und Produkten  die Konsumenten erreichen. Und das zu einem  sehr guten Preis- / Leistungsverhältnis. Deshalb  kann die regionale Vermarktung im ersten  Quartal bei den meisten Sendern ein gutes Ergebnis  vorweisen.

promedia: Immer mehr Hörer hören Radio  über das Internet, welche Konsequenzen ergeben  sich daraus für Ihre strategische Planung?

Gert Zimmer: Wir müssen da sein, wo die Hörer  beziehungsweise wo die Nutzer sind. Und das  ist zunehmend auch Online. Das Internet ist  für uns eine Plattform mit zahlreichen Optionen:  Wir nutzen es als Marketingtool, wir arbeiten  verstärkt mit Visualisierung, wir positionieren  Marken losgelöst von der analogen  UKW-Welt und wir investieren in Line- und  Brand Extensions. Wir sprechen also über zusätzliche  Kanäle, um kleinere Zielgruppen optimal  bedienen zu können. Wir sprechen über  Applikationen auf mobilen Endgeräten. Und  wir sprechen über neue Angebotsformen, die  gezielt die für das Internet typische Vernetzung  und Interaktion ermöglichen.  Mittelfristig sehen wir das Internet als zweite  Säule der Programm- und Angebotsverbreitung  für Hörfunksender. Interessant ist in diesem  Zusammenhang das mobile Internet via LTE  (Long Term Evolution) und MBMS (Multimedia  Broadcast Multicast Services). Unabhängig  hiervon bleibt unser Kerngeschäft aber  sicherlich noch über viele Jahre hinweg die  UKW-Verbreitung.

promedia: Wird es mehr RTL-Web-Radio-  Angebote geben?

Gert Zimmer: Die gibt es bereits. Unsere Beteiligungen  bieten zahlreiche, individuelle Online-  Zusatzprogramme an. Über das Konsortium  Digital 5 gibt es einen Pool an Kanälen,  die die Sender nutzen können. Das funktioniert  sehr gut.

promedia: Nach Aussagen von Martin  Stadelmaier wollen die Länder jetzt schnell die  Voraussetzungen für die terrestrische Digitalisierung  des Radios schaffen. Wie dringlich ist  das Band III für die Radiosender?

Gert Zimmer: Wenn die Politik bei der Einführung  der terrestrischen Digitalisierung Dringlichkeit  suggeriert, dann ist das aus meiner Sicht für  viele Anbieter Beihilfe zur Fahrt in eine Sackgasse.  Die Bedarfsanmeldung ist letzten Endes  nicht das Ergebnis einer rationalen Entscheidungsfindung.  Sie berücksichtigt in keiner  Weise die gesamtwirtschaftlichen Vorzeichen  und scheint eher dem Wunsch der Länder geschuldet,  einen vor Jahren eingeschlagenen Weg  auch konsequent zu Ende zu gehen. Jetzt kann  man sich hinstellen und sagen, man habe alles  getan, um den Grundstein für eine zügige Digitalisierung  zu legen. Die Realität sieht  inzwischen aber anders aus. Eine Dringlichkeit  ist zu Recht bei keinem privaten Radioveranstalter  vorhanden.

promedia: Es sind trotzdem drei Abdeckungen  – zwei regionale und eine nationale – geplant.  Wird RTL Radio Deutschland überhaupt mit  neuen Angeboten vertreten sein?

Gert Zimmer: Es ist gar nicht sicher, ob es diese drei  Bedeckungen geben wird. Die Länder halten sich  bei den regionalen Bedarfsanmeldungen zurück.  Diese Zurückhaltung zeigt, dass wir richtig mit  unserer Einschätzung liegen, der terrestrischen  Digitalisierung strategisch keine übergeordnete  Rolle mehr zuzuschreiben. Es handelt sich  um kein marktgetriebenes System.

promedia: Das hat schon einmal anders geklungen.  Haben sich die Rahmenbedingungen  denn im Vergleich zu vor zwei – drei Jahren  wesentlich verändert?

Gert Zimmer: Ganz dramatisch sogar. Allen voran  zwingen uns die wirtschaftlichen Veränderungen  dazu. In den Budgets ist kein Platz mehr  für digitale Versuche im Band III vorhanden.  Darüber hinaus verändert sich der Online-Bereich  mit zunehmender Geschwindigkeit. Und  es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass  die versuchte DVB-H Einführung alles andere  als ein Erfolg war. Was bleibt ist die große  Unsicherheit, dass die digitale Terrestrik für das  Radio strukturbedingt einen ähnlichen Verlauf  wie DVB-H nimmt. Wenn man dann noch  bedenkt, dass eine Umstellung momentan nur  über die Einnahmen aus dem analogen Geschäft  finanzierbar wäre, so müssen wir sagen, dass es  leider keine Bestrebungen gegeben hat, die Konsolidierung  des UKW-Marktes auch nur  ansatzweise zu forcieren. Ganz im Gegenteil:  Während wir seit Jahren auf die Dringlichkeit  zur Bildung von Senderfamilien hinweisen –  mehr Programme aus einer Hand – die  Fungibilität von Beteiligungen fordern sowie  den Abbau der UKW-Mehrfachversorgung des  öffentlich-rechtlichen Rundfunks, echten Wettbewerb  beim Sendernetzbetrieb oder die Liberalisierung  des Kartell- und Medienkon-zentrationsrechts,  es bleiben sämtliche Vorschläge  ungehört. Stattdessen sehen wir uns plötzlich  mit einer überflüssigen, aber massiv von der  ARD angeregten Debatte über eine zeitnahe  UKW-Abschaltung konfrontiert.

promedia: Wäre ein solcher analoger switchoff  nicht von Vorteil für die RTL-Radiogruppe?

Gert Zimmer: Wer hätte einen Vorteil, wenn mit dem  UKW-Netz der mit Abstand am meisten genutzte  und überaus erfolgreiche Übertragungsweg  abgeschaltet würde? Das UKW-Signal verfügt  über eine gigantische technische Reichweite,  ist stabil und es gibt rund 300 Millionen Empfänger  im Markt. UKW ist die wirtschaftliche  Basis für alle anderen Bereiche, in die das Radio  investiert. Da es keinen vergleichbaren  Übertragungsweg gibt und in dieser  proprietären Form auch nicht mehr geben wird,  wäre der analoge switch-off das Aus für die  kommerziellen Radiosender in Deutschland  und damit auch das Aus für sämtliche Formen  der Entwicklung anderer Plattformen.  Allerdings gibt es bei der Thematik einen Blickwinkel,  aus dem ich den Vorschlag der ARD  sehr begrüße: Vielleicht sollte man die Forderung  so verstehen, dass sie für die ARD-Sender  gilt. Die Gebühren finanzierten Sender wären  somit digital empfangbar. Frei werdende Frequenzen  könnten den privaten Sendern zur Verfügung  gestellt werden. Auf diesem Weg käme  es zu einer aktiven Förderung der Digitalisierung  und die Schieflage des dualen Systems im  Hörfunkbereich könnte ausgeglichen werden.

promedia: Jetzt hört man immer wieder, dass  das Radio trotz allem finanziell in guter Verfassung  zu sein scheint, damit dürften die Finanzierung  neuer Angebote und eine Simulcast-  Ausstrahlung nicht so schwierig sein?

Gert Zimmer: Ich weiß nicht, woher Sie die Information  haben, dass das private Radio finanziell  in einer guten Verfassung sein soll. Wir sprechen  über einen Bruchteil der bestehenden  Privatsender, die wirklich die Kraft haben, mehr  oder weniger unbeschadet durch die Krise zu  kommen. Viele Anbieter werden 2009 keinen signifikanten Gewinn machen oder in die  Verlustzone rutschen. Das ist die Realität. Die  Sinnhaftigkeit von neuen Angeboten und  Simulcast-Ausstrahlungen muss demnach sehr  genau hinterfragt werden. Bei Verlusten und  zusätzlichen Ausgaben, die nicht refinanzierbar  sind, liegt die Entscheidung schnell auf der  Hand.

promedia: Wer soll das neue Sendernetz finanzieren?

Gert Zimmer: Die privaten Radiosender sind wirtschaftlich  nicht in der Lage, die Kosten für die  digitale Infrastruktur zu tragen. Auch wenn verbindliche  Kostenangaben noch nicht vorliegen,  so ist davon auszugehen, dass allein die drei zur  Disposition stehenden Multiplexe Investitionen  in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen  erfordern. Diesen Kosten stehen weder Endgeräte  und Nutzer noch geeignete Geschäftsmodelle  gegenüber, die eine Refinanzierung ermöglichen.  Wenn es weiterhin politisch gewollt  ist, dass es für den Hörfunk ein proprietäres  digitales Sendernetz geben soll, dann kann der  Aufbau nur über staatliche Mittel funktionieren.  Unser Vorschlag ist in dem Fall, dass sich  die öffentlich-rechtlichen Sender von ihrem  Sendernetzbetrieb, der sowieso nicht zu den  Kernaufgaben Gebühren finanzierter Anstalten  gehört, trennen. Die Erlöse aus diesem Verkauf  könnten genutzt werden, um den Aufbau der  Infrastruktur im Band III zu finanzieren. Durch  diese Maßnahme könnte es auf der einen Seite  zu mehr Wettbewerb beim Sendernetzbetrieb  kommen, auf der anderen Seite hätte der digitale  Hörfunk ein belastbares und verbreitungsstarkes  Sendernetz, welches allen Beteiligten  Planungssicherheit geben würde. Sofern der  Aufbau der Infrastruktur nicht in einem solchen  Rahmen erfolgt, sehen wir aber keine  Chance für eine erfolgreiche Einführung der  digitalen Terrestrik.

promedia: Aber gibt es vielleicht noch Fragen,  die geklärt werden müssen, um dann doch noch  die digital terrestrische Verbreitung starten zu  können?

Gert Zimmer: Die Fragen sind geklärt. Jetzt geht es  darum, mit den veränderten Rahmenbedingungen  zu leben und die Planungen  hierauf abzustellen. Wir gehen davon aus, dass  die terrestrische Digitalisierung nicht so stattfinden  wird, wie sie vor zwei oder drei Jahren  geplant wurde. Im Online-Bereich sieht es  anders aus: Da sind wir mitten in der Digitalisierung.  Bei unseren Beteiligungen und Digital  5 gibt es zahlreiche spannende Ansätze, die in  den kommenden Monaten intensiv ausgebaut  werden. Auf diese Themen wollen wir uns konzentrieren.

Über Gert Zimmer:

  • Gert Zimmer  Geboren: 7. Februar 1964
  • Studium der Nachrichtentechnik
  • Praktikum bei Armed Forces Radio and Television (AFN)
  • Ab 1984 Redakteur, Moderator, Musikchef und  Programmdirektor bei mehreren Radiosendern
  • 1989 Berater der BCI-Rundfunkberatung
  • 1993 – 2003 Geschäftsführender Gesellschafter  der BCI Group
  • Seit 2004 CEO der RTL Radio Deutschland, Berlin,  und Senior Vice President Radio Central and Northern  Europe der RTL Group, Luxemburg

Digitale Dividende – auf Kosten des Kabels?

Von Dr. Christoph Wagner, Rechtsanwalt, Hogan & Hartson Raue / Promedia Ausgabe 05/2009

Dr. Christoph WagnerDie digitale Dividende, ein zunächst rundum positiv besetzter Begriff, entwickelt sich langsam zum Ärgernis, jedenfalls für die Kabelindustrie und vielleicht auch deren Kunden.

Es geht um die ehemals für Rundfunk verwendeten Frequenzen im Bereich 790 bis 862 MHz, die auf Grundlage der künftigen Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung für flächendeckende mobile Breitbanddienste vergeben werden sollen.

Noch vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens – die Zustimmung der Länderkammer steht noch aus – hat die Bundesnetzagentur im März Eckpunkte für die Vergabe dieser Frequenzen veröffentlicht, die eine Versteigerung der Kapazitäten noch Ende diesen Jahres ermöglichen sollen.

Diese Eckpunkte sind schon sehr detailliert und machen durchweg nicht den Eindruck, als handele es sich um ein noch ergebnisoffenes Diskussionspapier. Weil es bei diesem frequenzpolitischen Vorhaben auch um eine der vier Säulen der Breitbandstrategie der Bundesregierung geht, muss mit einer zügigen Umsetzung gerechnet werden, zumal die erheblichen Investitionskosten für eine solche flächendeckende Breitbandinfrastruktur jedenfalls teilweise aus den neuen Fördertöpfen bestritten werden sollen. Deshalb gilt es, sich über die Auswirkungen der geplanten Maßnamen klar zu werden, um gegebenenfalls Nachteile für Kabelnetzbetreiber und deren Kunden abzuwenden. Zunächst geht es um eine ausreichende Sicherheit, dass der Fernsehempfang über Kabel (und DVB-T) durch die neuartige Frequenznutzung nicht beeinträchtigt wird. Nach einer im April von Anga und IRK vorgelegten Untersuchung sind solche Störungen gerade des Kabelempfangs sehr konkret zu befürchten.

Zwar sind nach Ansicht des Betreibers des europaweit ersten Testprojekts in Wittstock/Dosse (T-Mobile), das seit Mitte März mit 100 Testteilnehmern betrieben wird, „alle Probleme lösbar“ (proMedia 4/2009). Von einer wirklich soliden Erfahrungsgrundlage und einer interessenneutralen Untersuchung, die auch auf andere topographische Gebiete mit höherer Einwohner-/ Kabelanschlussdichte übertragbar ist, kann dabei aber wohl nicht gesprochen werden. Die BNetzA rechnet erst im Sommer dieses Jahres mit ersten Ergebnissen zu möglichen Störungen des Fernsehempfangs durch die Nutzung besagter Frequenzen für breitbandige Internet-/Mobilfunkdienste. Mit einem Postulat des Verordnungsgebers, dass es keine Störungen geben dürfe, wird es also allein nicht getan sein.

Im konkreten Fall ist es sehr schwer nachweisbar, wodurch Störungen verursacht werden. Entsprechende Prüfungen sind zeitaufwändig und kostenintensiv. Nach dem ambitionierten Zeitplan der BNetzA besteht daher Anlass zur Sorge, dass sich Problemfragen nicht abschließend aufklären lassen, bevor mit der Frequenzversteigerung entsprechende Fakten geschaffen werden. Von den technischen Problemen abgesehen, sind auch die Auswirkungen der Digitalen Dividende auf das Marktumfeld und insbesondere die schon bestehenden breitbandigen Netzinfrastrukturen zu bedenken. Nach der Breitbandstrategie der Bundesregierung geht es „insbesondere“ um eine Versorgung von ländlichen Regionen, in denen unter Marktbedingungen keine Breitbandinfrastruktur geschaffen wird.

Nach dem Entwurf zur Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung dient der Frequenzbereich 790 bis 862 MHz „vorrangig“ zur Schließung von Versorgungslücken in ländlichen Bereichen. Diese Zielrichtung soll dem Projekt erkennbar die notwendige Akzeptanz verschaffen, denn gegen eine staatlich subventionierte Breitbandversorgung in unterversorgten ländlichen Gebieten kann keiner der bestehenden Infrastrukturbetreiber Einwände haben. Ob eine solche hochmoderne terrestrische Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten – zusätzlich zum bestehenden Satellitenangebot – wirklich nachfragegerecht ist, ist eine andere Frage, die erstaunlicherweise kaum gestellt wird. Infrastruktureinrichtungen gibt es typischerweise in ländlichen Gebieten nicht in gleicher Dichte oder Qualität wie in Ballungsräumen. Ob dies für die breitbandige Internetnutzung zwingend anders sein sollte, muss die Politik letztlich vor dem Steuerzahler rechtfertigen, ohne den der Netzaufbau nicht finanzierbar ist. Aus Sicht der Kabelnetzbetreiber bereitet schon die Abgrenzung der ländlich unterversorgten Gebiete, in denen der Ausbau der Breitband-Infrastruktur subventioniert werden muss, Probleme.

In der Vergangenheit sind viele Kabelanschlüsse auch in eher ländlichen Gebieten verlegt worden. Diese Investitionen könnten durch eine kommunal subventionierte Breitbandversorgung über die digitale Dividende entwertet werden. Wenn die Infrastruktur für die neuen Mobilfunk- Breitbanddienste nicht am Markt refinanziert werden muss, die Endkunden-Preise also künstlich niedrig gehalten werden, wird den Betreibern bestehender Kabelinfrastrukturen jegliche Chance genommen, ihre bereits getätigten Investitionen zu refinanzieren. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs lässt sich daher nur dann vermeiden, wenn die Kabelnetzbetreiber in den betreffenden Gebieten eine entsprechende Förderung für bereits ausgebaute oder künftig noch auszubauende Netzinfrastruktur erhalten. Das ist im Rahmen der „technologieneutralen“ Breitbandstrategie der Bundesregierung zwar denkbar, die konkrete Umsetzung durch die Kommunen bedarf aber genauer Beobachtung.

Nach den Eckpunkten der Bundesnetzagentur sollen die Frequenzen der digitalen Dividende bundesweit an wenige Lizenznehmer vergeben werden, die die Netze flächendeckend aufbauen und dann entsprechende Breitbandprodukte bundesweit anbieten und vermarkten können. Die Lizenznehmer werden also auch die Ballungsräume mitversorgen. Dass der Netzaufbau in Ballungsräumen nicht subventioniert wird, ist dabei jedenfalls für heutige Mobilfunkanbieter kein Problem, weil weitgehend bestehende Antennenstützpunkte für die neuen Frequenzbereiche mitgenutzt werden können. Deshalb dürfte die Netzabdeckung in Ballungsräumen sogar erheblich schneller realisiert werden als in der Fläche.

Die Sorge der Kabelnetzbetreiber, dass das Ziel, ländliche Versorgungslücken zu schließen, hier nur als Vorwand genutzt wird, um lukrative Marktpotentiale in Ballungsräumen abzuschöpfen, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Das Wachstumspotential, das die Kabelnetzbetreiber sich von dem Ausbau ihrer Netze im Bereich von Breitbandanwendungen erhofft haben, wird mit dieser neuen Infrastrukturalternative jedenfalls eingeschränkt. Auch wenn kommunale Subventionen nur für den ländlichen Netzaufbau vergeben werden, begünstigen sie die Betreiber der bundesweiten Breitbandangebote auch in Ballungsgebieten, da der Vorteil einer bundesweiten Vermarktung auf der Hand liegt. Gerade diesen Vorteil haben den bestehenden, auf bestimmte Regionen konzentrierten Kabelnetzbetreiber nicht.

Sie können keine bundesweit einheitlichen Produkte anbieten und bewerben, was die Markterschließung auch in ihren Kerngebieten erheblich erschwert. Der Einwand, die Kabelnetzbetreiber könnten sich ja selber um die entsprechenden Frequenzen bewerben, ist dabei wenig stichhaltig. Die mobilen Breitbandanwendungen gehören nicht zum Geschäft der Kabelnetzbetreiber. Außerdem ist eine bundesweite Vergabe der Frequenzen ersichtlich eher auf die bereits bundesweit agierenden Mobilfunkunternehmen zugeschnitten als auf die jeweils regional tätigen Kabelnetzbetreiber. Vor dem Hintergrund kommt die neuerlich erhobene Forderung, einen Zusammenschluss der großen Kabelnetzbetreiber zu einem bundesweit agierenden Anbieter zu ermöglichen, nicht von ungefähr. Als solcher könnten dann entsprechende breitbandige Kabelangebote im Wettbewerb zu den mobilen Diensten ebenfalls bundesweit angeboten werden. Allerdings hat sich das Bundeskartellamt gegenüber solchen Überlegungen bereits unmissverständlich ablehnend geäußert, um gar nicht erst entsprechende Hoffnungen aufkeimen zu lassen. Und auch die Erwartung, dass die Bundesregierung die kartellrechtlichen Bedenken im Rahmen ihrer Breitbandstrategie zurückstellt und einen entsprechenden Zusammenschluss per Dekret oder Ministererlaubnis gestattet, ist wohl unberechtigt.

Denn für eine entsprechende kartellrechtliche Prüfung wäre zunächst die Europäische Kommission zuständig, deren Verfahren keine nationale Ministererlaubnis kennt. Zwar ist ein Verweisungsantrag des Bundeskartellamtes so gut wie sicher, aber eine Ministererlaubnis nach erfolgter Verweisung an das Bundeskartellamt wäre politisch wohl kaum vorstellbar. Die Kabelnetzbetreiber sollten sich deshalb auf andere Konstellationen konzentrieren, insbesondere die Integration der Netzebenen 3 und 4 vorantreiben. Dafür hatte das Bundeskartellamt in der Kabel Deutschland/ Orion-Entscheidung durchaus Möglichkeiten eröffnet. Hier wäre es auch denkbar und wünschenswert, die Spielräume nun im Zuge der Breitbandstrategie noch zu erweitern, wenn die Unternehmen entsprechende Infrastrukturinvestitionen in Aussicht stellen. Beispielsweise könnte den NE 3-Betreibern gestattet werden, auch größere Netzeinheiten bzw. NE4-Netzbetreiber vollständig zu übernehmen, wenn ein Breitbandausbau innerhalb einer bestimmten Zeit verbindlich zugesagt wird.

Auf diesem Weg könnte jedenfalls ein Teil der Wettbewerbsnachteile der Kabelnetzbetreiber durch die staatlich subventionierte digitale Dividende und alternative Infrastrukturen abgefedert werden. Abgesehen hiervon wäre es denkbar, dass Kabelnetzbetreibern ähnliche Vergünstigungen im Bereich der gemeinsamen Nutzung von Infrastrukturen und Kooperationen eröffnet werden, wie sie inzwischen im Bereich des Mobilfunks und der DSL-Nutzung zwischen Mobilfunk- und Festnetzanbietern üblich sind. Eine gegenseitige Öffnung der Kabelnetze für die jeweiligen Breitbandprodukte der anderen Anbieter wäre sicherlich im Interesse der Endkunden und des Wettbewerbs. Auch die Verständigung der großen Netzbetreiber auf ein gemeinsames bundesweit vermarktetes Breitbandprodukt dürfte keinen kartellrechtlichen Bedenken unterliegen, da die Netzbetreiber in diesem Markt weit von einer marktbeherrschenden Stellung entfernt sind. Schließlich ist vorstellbar, dass sich Kabelnetzbetreiber gemeinsam mit Mobilfunkunternehmen um die Frequenzen der digitalen Dividende bewerben, um die entsprechenden Vorteile auch den Kabelunternehmen zu sichern und eine Entwertung ihrer Infrastruktur zu verhindern.

Die Eckpunkte der Bundesnetzagentur verlangen von solchen Bieterkonsortien die Vorlage entsprechender kartellrechtlicher Unbedenklichkeitsbestätigungen, gegen deren Erteilung aber im Verhältnis Kabelnetzbetreiber/Mobilfunkanbieter wohl keine Bedenken bestehen werden. Unter Umständen könnte eine solche Entwicklung sogar neue Übernahmefantasien bilden, nach denen sich Mobilfunkanbieter und Kabelnetzbetreiber zu gemeinsamen Unternehmen formieren, um sich mit Mobil- und Festnetzkomponenten stärker für den Bundesweiten Breitband-Wettbewerb zu positionieren. Dies könnte zugleich den Blick für attraktive Exit-Strategien der heutigen Gesellschafter der Kabelunternehmen öffnen.

Über den Autor Dr. Christoph Wagner:

  • Studium der Rechtswissenschaften
  • Seit 1991 Rechtsanwalt und seit 2000 Notar
  • Von 1991 bis 1995 als Anwalt tätig und von 1996 bis 2000 als Partner bei Oppenhoff & Rädler
  • Seit 2001 Partner im Berliner Büro der Sozietät Hogan & Hartson Raue. Davor war Christoph Wagner für die Berliner Medienanstalt, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament tätig
  • Von 2002 – 2007 (Ersatz-) Mitglied der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)