promedia-Artikel: In Krisenzeiten sind Formate mit Leichtigkeit gefragt – Anke Schäferkordt (Geschäftsführerin RTL) im Interview

Interview mit Anke Schäferkordt, RTL-Geschäftsführerin, promedia 8/2010

RTL konnte im vergangenen Programmjahr seine Marktführung weiter ausbauen. Von 2009 zu 2010 kann der Sender einen Anstieg des Marktanteils bei den 14-49-Jährigen von 16,7 Prozent auf 17,8 Prozent verbuchen. In der neuen Saison 2010/11 will RTL mit alten Klassikern und neuen Formaten in allen Genres überzeugen. Dabei seien vor allem Themen mit „Leichtigkeit“ gefragt, so RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt in einem promedia- Interview. Dazu sollen auch neue Formate wie „Rachs Restaurantschule“, „Hapes zauberhafte Weihnachten“ und „Alt gegen Jung – Das Duell der Generationen“, moderiert von Günter Jauch, beitragen. Auch im Bereich Real-Life geht RTL mit mehreren neuen Formaten „ auf Zuschauerfang Im Event-Movie-Bereich ist der Sender mit dem Event-Zweiteiler „Hindenburg“, dem Ost-West-Drama „Westflug – Entführung aus Liebe“, der Agentenkomödie „Undercover Love“, den Abenteuer-Movies „Akte Golgatha“ und „Der Vermächtnis der Arche“ sowie der Komödie „Geister all inclusive“ präsent. Die Publikumserfolge „Das Supertalent“, „Deutschland sucht den Superstar“ und „Let’s Dance“ gehen gemeinsam mit den vier erfolgreichen werden weiter produziert. Im Bereich Comedy setzt man weiter auf live- Bühnenprogramme. Im Sport will RTL neben der Formal 1 mit den Boxkämpfen der Klitschkos, deren Vertrag gerade verlängert wurde, das Angebot ausbauen. 

 
Anke Schäferkordt
Anke Schäferkordt, Geschäftsführerin RTL

promedia: Frau Schäferkordt, RTL hat auch Spiele der Fußball-WM übertragen. Hat sich das von den Zuschauerzahlen und Werbeumsätzen gelohnt?
Anke Schäferkordt: Bei den Zuschauern hat es sich absolut gelohnt. Wir haben im Schnitt über elf Millionen Zuschauer bei den Spielen ohne Parallelausstrahlung, selbst ohne deutsche Beteiligung, erreicht. Das Spitzenspiel lag bei über 13 Millionen. Damit waren wir sehr zufrieden. Die Moderation mit unseren vier Experten und Moderatoren war fachlich kompetent und emotional und es war richtig, mit Günther Jauch und Jürgen Klopp in Deutschland zu bleiben, um nah an den deutschen Fans zu sein. Das ist eine andere Stimmung als wenn man aus einem Studio fernab berichtet. Unser Konzept ist aufgegangen. Wirtschaftlich gesehen sind Sport-Highlights wie diese nicht einfach, eine Investition in die Marke RTL sind sie allemal.

promedia: Werden Sie weiter gegen ARD und ZDF um Sportrechte bieten?
Anke Schäferkordt: Dazu muss es erst wieder die Gelegenheit geben, denn die nächsten Pakete sind längst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Wir haben Interesse an einigen Spielen der nächsten WM geäußert. Wenn die Sparankündigungen der ARD im Sportbereich nicht nur Lippenbekenntnisse sind dann sollten wir bei Gelegenheit ins Gespräch kommen.

promedia: Sie wollen mehr auf Programme mit „Leichtigkeit“ setzen. Ist das die Reaktion auf die Krisenstimmung?
Anke Schäferkordt
: Man kann in Krisenzeiten oft beobachten, dass etwa die Comedy in unterschiedlichsten Farben wiederkommt. Hört man in den Informationssendungen täglich negative Nachrichten, die verunsichern oder hat man im eigenen Umfeld vielleicht auch das eine oder andere Problem, dann möchte man sich irgendwann zurücklehnen, mal lachen und entspannen, anstatt den Abend über weitere Konflikte zu sehen. Das ist eine normale Reaktion. Wenn in der Gesellschaft Unsicherheiten auftreten, kommen etwas leichtere Formate eher an. Wir müssen aber zwischen den Sendeplätzen unterscheiden. Dass es zu einer Verschiebung der leichteren und etwas lösungsorientierteren Real-Life-Formate kommt, gilt eher für die Primetime. In der Daytime sehen wir unveränderten Zuspruch auch für konfliktintensive Formate. Die „Schulermittler“ etwa laufen fantastisch. Sie finden aber zum Schluss immer eine Lösung. Es gibt also auch hier eine Orientierung hin zur Konfliktlösung. Nachmittags ist das Sehverhalten anders als in der Primetime. Dort muss man sich zurücklehnen und fallen lassen können. Daher verändern wir im Real-Life-Bereich die Balance. Man muss auch mal schmunzeln können, wie bei „Bauer sucht Frau“. Das ist nett, man geht mit den Charakteren mit. Bei Christian Rach ist das auch so. Er hat eine Leichtigkeit in seiner Art, mit Menschen umzugehen. Wenn Probleme da sind, nimmt er sie positiv auf und bringt die Menschen auch in einer schwierigen Situation nach vorn oder auch mal zum lachen.

promedia: Im Genre Reality-Life sei ein Sättigungseffekt eingetreten, haben Sie gesagt, daher werde es dort die meisten Umbauten geben. Bedeutet dies das Ende der Coaching-Formate?
Anke Schäferkordt: Auf keinen Fall. Es wird eher zu einer etwas anderen Balance unterschiedlicher Formate kommen, Wir werden neue Formate zeigen, die Probleme auch mal mit einem „Augenzwinkern“ angehen. Eine Sättigung gibt es bei sehr konfliktreichen Formaten wie „Teenager außer Kontrolle“. Zwar war auch die letzte Staffel handwerklich sehr gut produziert, aber wir müssen darauf reagieren, dass eine etwas leichtere Herangehensweise oder auch andere Formen der Präsentation gefragt sind. An die starken Marken wie die „Super Nanny“ oder den „Schuldenberater“ glauben wir nach wie vor.

promedia: Sat.1 hat mit neuen fiktionalen Formaten Erfolg. Sie hatten angekündigt, sich in diesem Bereich mehr vom internationalen Markt emanzipieren zu wollen. Wie gut stehen die Chancen dafür?
Anke Schäferkordt: Wir wollen uns nicht loslösen, sondern eine noch bessere Mischung erreichen aus eigenproduzierten und Kaufserien. Wir haben neben 20th Century FOX und Universal ganz bewusst auch mit dem renommierten US-Studio Warner einen Vertrag abgeschlossen, weil wir an die amerikanische Serie glauben, die auch bei Vox eine zentrale Farbe im Programm ist. Aber wir wollen das gern erweitern. „Dr. House“ ist für RTL eine Ausnahme unter den US-Serien und ein Image prägender Faktor. Aber auch bei amerikanischen Serien ist es nicht die Regel, dass sie über Jahre erfolgreich in der Primetime sind. Wenn man über Imageaspekte spricht, ist gerade die deutsche Produktion enorm wichtig. Zudem haben wir bei deutschen Serien selbst in der Hand, was wir entwickeln. Wir wollen auch weiterhin die besten amerikanischen Serien bei uns zeigen, aber unser Einfluss auf die dortige Entwicklung ist gleich Null: Wir schauen uns auf dem Markt um, ob uns etwas gefällt und ob das zu uns passt und versuchen es dann zu kaufen. Eine deutsche Serie aber gibt dem Sender ein Gesicht und macht Spaß, wenn sie gut gemacht ist. Wir sind froh, seit langer Zeit mal wieder mit vier neuen Staffeln eigenproduzierter Serien in die nächste Saison zu starten – und werden hier weiter entwickeln.

promedia: ARD und ProSieben haben beim Eurovison-Song-Contest kooperiert. Ist für sie eine ähnliche Kooperation mit ARD oder ZDF denkbar?
Anke Schäferkordt: Kooperationen wie diese werden sicher die Ausnahme bleiben. Wir planen so etwas derzeit nicht.

promedia: Das Finale mit dem Sieg von Lena Meyer-Landrut hatte mehr Zuschauer als DSDS. Ist der Stil dieser Show mit Dieter Bohlen ein Auslaufmodell?
Anke Schäferkordt: Im Gegenteil. Die vergangene Staffel von DSDS war die erfolgreichste seit Start des Formats bei uns. Mit DSDS haben wir über Monate hinweg Martkanteile jenseits der 30 Prozent beim jungen Publikum erreicht. Auch wenn das Finale des Eurovision Song Contest ein Riesenerfolgt war, den wir den Kollegen durchaus gönnen – von der Beständigkeit eines Formats wie DSDS sind sie weit entfernt.

promedia: Sat.1 hat den „Eine-Millionen-Euro-TV-Movie“ kreiert. Teurer dürfen diese Fernsehfilme nicht werden. Sind Ihre Vorgaben an die Produzenten ähnlich rigide?
Anke Schäferkordt: Man muss zwischen einem Movie, den man in der Woche sendet, und einem, den man am Sonntag sendet, wo er im Zweifelsfall gegen große amerikanische Blockbuster bestehen muss, unterscheiden. Dabei wird man unterschiedlich investieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit einer leichten Romantikkomödie ohne großen Location-Wechsel oder große Aktionen am Sonntagabend bestehen kann, ist eher gering. Deshalb wird man Events mit profilierterer Besetzung und höherem Aufwand vor allem sonntags bringen müssen. Ich würde jedoch nie eine Pauschale ansetzen. Der Preis für ein Movie muss davon abhängen, was mit diesem Stoff erreicht werden soll. Dabei haben wir völlig unterschiedliche Budgets. Die Spanne reicht von günstigeren bis hin zu absoluten Event-Kino-Budgets. Wir machen es vom Stoff und vom Sendeplatz abhängig.

promedia: Stern-TV soll es auch nach dem Ausstieg von Günther Jauch weiter geben. Wie kann man sich die Übergabe vorstellen?
Anke Schäferkordt: Wir überlegen gemeinsam mit dem Produzenten, wie wir „stern-TV“ künftig besetzen. Dieser Job ist so prominent, dass man ihn nicht ausschreiben muss. Derzeit melden sich viele Interessenten, mit einigen sind wir im Gespräch. Wir haben keinen Zeitdruck und nehmen uns die Zeit, die wir brauchen. Bis spätestens Anfang 2011 werden wir entscheiden.

promedia: Sind Sie mit der Jauch-Regelung zufrieden?

Anke Schäferkordt: Wenn ich eine freie Wahl gehabt hätte, natürlich nicht. Andererseits freue ich mich, dass wir weiter mit ihm zusammenarbeiten können, auch an neuen Projekten. Für uns ist dieser Kompromiss gangbar und einer, den wir mit ihm gemeinsam mitgehen.

promedia: RTL zieht gerade in neue Gebäude um. Hat auch der Zuschauer etwas von dem Umzug? Wird das Programm davon noch besser?
Anke Schäferkordt: Der Zuschauer wird alle Informationssendungen, die wir aus den neuen Studios senden, komplett in neuem Design sehen. Bei den Magazinen, sowohl bei den werktäglichen als auch bei „Extra“, ist das seit Anfang Juni der Fall. Sie werden in einem neuen, größeren virtuellen Studio produziert, wodurch sich ganz andere optische Möglichkeiten ergeben. Es sind unterschiedliche Dimensionen in der Tiefe möglich. Die Sendungen können sich in einer Art und Weise präsentieren, die man so noch nicht gesehen hat. Bei den Nachrichten sieht das im Test bereits fantastisch aus. Wir sind in der Designentwicklung mit „RTL aktuell“ und dem „Nachtjournal“ relativ weit. Dazu kommt, dass alles in HD produziert wird.

promedia: „X-Faktor“ wird bei RTL eingeführt. Die ersten beiden Folgen sendet RTL bevor der Schwestersender übernimmt. Ist es eine Folge der Krise, dass die Mediengruppe RTL Deutschland näher zusammenrückt?
Anke Schäferkordt: Bereits seit einigen Jahren verfolgen wir die Strategie, innerhalb der Sendergruppe noch enger zusammenzuarbeiten. Senderfamilien bilden sich auch international überall dort, wo der Wettbewerb besonders intensiv ist. Deutschland ist einer der kompetitivsten Märkte überhaupt, in Europa und weltweit. Deshalb macht es Sinn, dass wir uns in der Programmplanung abstimmen, um unseren Zuschauern nicht am selben Abend dasselbe Programmgenre anzubieten. Denn wir wollen nicht auf Kosten des anderen Partners, sondern auf Kosten der restlichen Wettbewerber wachsen. X factor ist ein tolles Format, welches wir auf RTL anschieben. Wir haben eine ordentliche Expertise in dem Genre und können Formate groß machen bei RTL und damit Interesse wecken – welches dann bei VOX befriedigt wird.

promedia: Warum sendet RTL nicht öfter starke Filme zur gleichen Zeit wie ProSieben? Ist die Konkurrenzangst zu groß?
Anke Schäferkordt: Wir sind nicht bekannt dafür, besonders ängstlich zu sein. Und auch diese Programmierung hat weniger mit Angst, sondern eher mit Vernunft zu tun. Bei Spielfilmen ist ProSieben ein relevanter Player. Und aus Sicht des Zuschauers ist es wenig sinnvoll, wenn beispielsweise zwei Action-Blockbuster in der Erstausstrahlung gegeneinander laufen. Dann würden wir sehr viel Zuschauermails bekommen, in denen gefragt wird, was wir da machen. Es ist gerade in einem so starken Wettbewerb sinnvoll darauf zu achten, was die Konkurrenz sendet. Bei großen Events gehen wir oft in die Offensive. Aber es macht nicht immer Sinn, einen Film zu senden, wenn die anderen Sender gleichzeitig in genau derselben Programmfarbe unterwegs sind.

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