Werbekrise bringt Geschäftsmodelle im Free-TV auf den Prüfstand

Wirtschafts- und Werbekrise hinterlassen in der privaten TV-Landschaft deutliche Spuren: Werbeeinbrüche und Umsatzrückgänge, Sparmaßnahmen und Programmreformen, Insolvenzen oder Sender-Verkäufe – fast täglich gibt es neue bad news aus dem einstmals strahlenden Fernsehlager. Besonders stark hat es die privaten werbefinanzierten Spartensender getroffen: Nachdem die Zahl der Sender in den vergangenen Jahren stetig gestiegen ist und es 2008 in Deutschland immerhin 43 Kanäle gab, sank der Wert bis Ende 2009 um mehr als 10 Prozent auf nur noch 38 bundesweite Free-TV-Spartenkanäle in Deutschland.

Mathias Birkel, Senior Consultant Goldmedia

Zu den Spartensendern, die 2009 – zumindest teilweise – sich neu orientieren mussten, gehören auch etablierte Sender wie Comedy Central (derzeit nur noch als Abendprogramm auf einem geteilten Sendeplatz mit dem Kinderkanal Nick empfangbar) oder der deutsche Ableger des Wirtschaftssenders Bloomberg TV. Der Spielesender Giga Digital wurde nach zehn Jahren Sendebetrieb 2009 ins Internet verschoben. Der Negativtrend hielt auch im Januar 2010 an: So ging u.a. der Heimwerkersender XXHome in die Insolvenz. Tier-TV und TIMM erwägen einen Wechsel in den Pay-Bereich. Neue werbeunabhängige Geschäftsmodelle und kostengünstigere Verbreitungswege scheinen derzeit für viele Sender auf der Prioritätenliste oben zu stehen.

Die Erschließung zusätzlicher Erlösquellen war im Free-TV aber auch schon vor der Werbekrise auf der Agenda: So lag der Anteil alternativer Erlöse im Free-TV bereits 2008 bei ansehnlichen 20 Prozent. (Studie „Wirtschaftliche Lage des Rundfunks 2008/2009“). Abseits von klassischer Werbung konnten die Free-TV-Anbieter (ohne Teleshopping) 2008 hier mehr als 900 Mio. Euro generieren. Klar ist: Dieser Umsatzanteil wird angesichts der Werbemarkt-Situation ausgebaut werden (müssen), andernfalls drohen weitere Einbrüche.

Besonders ein TV-Segment konnte 2009 bereits seine Unabhängigkeit von der Werbewirtschaft ausspielen: Die deutschen Teleshoppingsender trotzten allen rückläufigen Trends und verbuchten 2009 ein sattes, antizyklisches Wachstum von rund sechs Prozent bei einem Jahresumsatz von 1,3 Mrd. Euro. Einzelne Anbieter konnten im Jahr 2009 sogar zweistellig wachsen. So ließ 1-2-3.tv verlauten, dass das Unternehmen 2009 um rund zehn Prozent zugelegt habe. Wachstum zeigt sich nicht zuletzt auch am Start weiterer Shoppingprogramme: Nachdem HSE24 bereits im Jahr 2005 einen digitalen Zweitsender ins Leben gerufen hatte, startete im Oktober 2009 auch Channel 21 einen rein digitalen Schwesternkanal auf Astra.

Vom TV- zum Multichannel-Sender: Die Teleshoppingsender verstehen sich längst nicht mehr allein als reine TV-Unternehmen. Vor allem Online gewinnt massiv an Bedeutung. So startete 1-2-3.tv im Dezember 2009 einen reinen Web-TV-Channel und das Online-Geschäft des Unternehmens solle mittelfristig sogar die Hälfte der Umsätze einfahren. Bereits Ende 2008 wurden bei den deutschen Teleshoppern rund 13 Prozent aller Erträge über das Internet generiert – ein Wert, den die krisengeschüttelten Free-TV-Sender trotz zahlreicher Bemühungen nach größerer Unabhängigkeit von Werbeerlösen wohl erst sehr langfristig erreichen werden – wenn überhaupt. Denn Ende 2008 lag der Online-Anteil an den Gesamtumsätzen bei den klassischen Free-TV-Sendern noch bei weniger als einem Prozent.

Die Herausforderungen für die TV-Branche im neuen Jahrzehnt sind erheblich, um die Krise zu überstehen. Durch die Digitalisierung wachsen nicht nur die Chancen, sich vielfältig zu positionieren, sondern auch die Gefahren, sich zu verzetteln. Die Konjunkturprobleme verschärfen diese (Werbe-)Krise auch 2010 weiterhin spürbar.

Autor: Mathias Birkel, Senior Consultant Goldmedia GmbH Media Consulting & Research

Weitere Informationen: http://www.Goldmedia.com/aktuelles.html

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