Trendmonitor 2019. Das Werbefernsehen in der Klemme. Ist A-VoD die Rettung für Fernsehsender und Industrie?

Dezember 2018. Dass sich die Nutzung von Film, Fernseh- und Videoangeboten in den letzten Jahren dramatisch verändert hat, bestreitet mittlerweile niemand mehr. Die zunehmende Nutzung von Online-Videoangeboten entzieht dabei den klassischen werbefinanzierten Angeboten, vor allem dem Fernsehen, Aufmerksamkeit im großen Umfang. Indes hat YouTube in den letzten Jahren den Bereich werbefinanzierter Bewegtbildangebote (A-VoD) mit einem Angebotsgemisch aus user-generierten Videos und professionellen (Fremd-)Produktionen erfolgreich aufgebaut und dominiert den Markt für werbefinanzierte Onlinevideos. Erst in letzter Zeit hat sich mit Facebook ein weiterer, schwieriger Konkurrent aufgetan. Allen gemein ist, dass sie sich als Plattformen begreifen und bloß technische Vermittler sein wollen. Beim Thema Werbefernsehen ist also einiges gehörig durcheinandergeraten.

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Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia Research

Neben den A-VoD-Anbietern haben große Streaminganbieter wie Amazon und Netflix ein sehr stabiles Abo-Geschäftsmodell (S-VoD) etabliert, das in Deutschland rasant die Milliardenumsatzmarke ansteuert. Hier dient zwar auch eine Plattform als technische Basis, tatsächlich aber verhalten sich die S-VoD-Plattformen mittlerweile fast wie klassische TV-Sender: Sie kuratieren ihr Lizenzangebot, produzieren eigene Shows und bringen ihren Content mit hohem organisatorischen Aufwand zum Zuschauer.

Zwischen diesen schwergewichtigen A-VoD-Plattformen YouTube und Facebook einerseits und den mittlerweile etablierten S-VoD-Playern haben sich andere Anbieter von Bewegtbild bislang recht schwergetan, lukrative Nischen für ihr Video-Angebote zu finden.

Anbieter-Aktivitäten nehmen zu, das Internet ernst zu nehmen

Wegen ausbleibender, zumeist jüngerer Zuschauer steigt der Druck für die deutschen TV-Sender wie für die Werbeindustrie langsam an, diese attraktiven Zielgruppen in einem geschützten Qualitätsumfeld erreichen zu können. Daher starten einige Marktteilnehmer nun einen neuen Anlauf, das Internet ernst zu nehmen und in ihrer Distributionsstrategie stärker zu berücksichtigen.

Während in diesem Jahr bereits die Telekom mit MagentaTV eine weitere kostenpflichtige OTT-Plattform gestartet hat (Vodafone wird mit GigaTV nachziehen), versucht RTL, mit dem „runderneuerten“ TV NOW-Produkt 2019 sowohl das werbefinanzierte Angebot als auch das Pay-Angebot auszubauen. Ein weiteres Angebot aus dem Hause ProSiebenSat.1 als Joint Venture mit Discovery (inkl. Eurosport) wird ebenso mit einem Mix-Angebot aus S-VoD und A-VoD auf den Markt kommen.

Die Werbewirtschaft kann es freuen, wenn hier neue Flächen, Reichweiten und Kontaktpunkte entstehen. Denn man darf nicht vergessen, dass das gewohnte Geschäftsmodell der Werbeindustrie im Bewegtbildbereich ja ebenso in Gefahr ist, wie jenes der klassischen Fernsehsender. Die Sender hoffen natürlich, ihr althergebrachtes Konzept auch langfristig in die Online-Welt überführen zu können und zugleich den zunehmenden Emanzipationsbestrebungen der Zuschauer gerecht zu werden.

Auf der Suche nach den funktionierenden Werbeformaten

Für den Bereich werbefinanzierter Onlinevideos ist in der Umsetzung allerdings noch einiges sehr unklar: Wie funktioniert das mit der Werbung überhaupt? YouTube stellt manchmal einen Spot vor das Video (Pre-Roll), den man oft auch nach einigen Sekunden überspringen kann. Unterbrecherwerbung (Mid-Roll) gibt es auch, wird aber seltener eingesetzt. Für längere Videoformate entstehen so jedoch nicht genug Flächen für eine Refinanzierung. Hinzu kommt, dass Pre-Roll-Werbung den Zuschauer sehr oft in der sensiblen Findungsphase stört, in der er überlegt, was er überhaupt anschauen möchte. Man muss sich vergleichsweise vorstellen, was passieren würde, wenn beim klassischen TV-Zapping jedes Mal vorab ein Werbespot starten würde. Unklar ist auch, wie viele Spots der Zuschauer online für ein bestimmtes Format eigentlich akzeptiert – der Wechsel zu illegalem Content ist da wohl nicht weit.

Extrem störend wirken auch jene Werbeblöcke, die nach einem festen Zeitplan in den Content eingebracht werden. Dadurch kann schon mal mitten im Satz eine Werbeunterbrechung auftauchen. Es mag zwar banal klingen, aber solche kleinen „Nervereien“ können den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg werbefinanzierter Onlinevideo-Angebote ausmachen.

Die Karten werden also 2019 neu gemischt, wobei die alten und neuen konkurrierenden Geschäftsmodelle weitgehend bekannt sind. Es bleibt aber vor allem die Frage spannend, mit welchen Inhalten die neuen Produkte ihre Zuschauer locken und halten wollen. Der Content wird wohl wieder einmal – mehr als alles andere – darüber entscheiden, wer am Ende die Nase vorn hat. Und dies wird nicht zuletzt von den eingesetzten Investitionsmitteln beeinflusst. Wer es hier wirklich ernst meint, muss wohl erst einmal tief in die Tasche greifen. Daran werden wir 2019 sehr schnell sehen, wer seinen großen Worten auch Taten folgen lässt. Am Ende kann sich auf alle Fälle der Zuschauer freuen, denn so ein breites Angebot wie 2019 hat es bisher wohl noch nie gegeben.

Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia Research

Der Artikel ist Teil des Goldmedia Trendmonitors 2019. Goldmedia gibt im Trendmonitor alljährlich in Form von Analysten-Kommentaren einen Ausblick auf relevante Trends in den Bereichen Medien und Entertainment, Internet und Telekommunikation des kommenden Jahres in Deutschland. www.Goldmedia.com

Weitere Infos zum Goldmedia Trendmonitor 2019

Der Artikel wurde erstveröffentlicht am 11.12.2018 auf wuv.de

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