Trendmonitor 2015: Die Funktion sozialer Netze differenziert sich weiter aus. Trend-Ausblick von Florian Kerkau

Facebook ist das Telefonbuch, WhatsApp das Telefon: Die Funktion sozialer Netze differenziert sich weiter aus, weil ein neues Verständnis von Privatheit entsteht

Dr. Florian Kerkau, © Goldmedia
Dr. Florian Kerkau, © Goldmedia

Die Form der Kommunikation über offene soziale Netzwerke wie Facebook hat sich 2014 stark verändert, gleichzeitig ist die Nutzung von Messengern wie WhatsApp explosionsartig angestiegen. Viele Journalisten und Forscher wiesen im laufenden Jahr darauf hin, dass Facebook kaum noch wachse und vor allem von der jüngeren Zielgruppe immer weniger genutzt werde. So hat der Globalwebindex in seiner jüngsten Umfrage festgestellt, dass in den USA und UK Erwachsene (50 %), besonders aber auch Teenager (64 %) Facebook weniger nutzen als im Vorjahr und zusätzlich von der Nutzung zunehmend gelangweilt sind.

Aber hat seither jemand seinen Facebook-Account wirklich gelöscht? – wohl kaum. Laut DIVSI-U25-Studie (Sinus-Institut 2014) geben 50 Prozent der unter 25-Jährigen an, dass sie nicht auf Facebook verzichten könnten, nur 39 Prozent sagen das Gleiche über WhatsApp. Bei der aktiven, täglichen Nutzung liegt aber WhatsApp mit 68 Prozent inzwischen vor Facebook mit 60 Prozent. In der Studie kamen Forscher zu dem Schluss, dass derzeit ein neues Verständnis von Privatheit entsteht. Dabei werden diejenigen Daten als schützenswert empfunden, welche für die soziale Reputation im engeren Umfeld wichtig sind. In Bezug auf die klassischen persönlichen Angaben hingegen finden die jüngeren Nutzer in Online-Communities Offenheit wichtig.

Hintergrund dieser Entwicklung ist eine Ausdifferenzierung der Nutzer im Umgang mit den sozialen Medien. Dabei übernehmen die klassischen sozialen Netzwerke die Funktion einer strukturellen Identitätsgebung im virtuellen sozialen Raum, sie bilden somit die strukturelle Ebene. Auf dieser Ebene wird – durch Statusmeldungen und Meinungsäußerungen etc. – das Online-Ich definiert. Früher konstruierte man das, was man über sich zeigen wollte, über die Kleidung, die man trägt oder das Auto, das man fährt. Diese Funktion übernimmt nun Facebook immer mehr.

Die darunterliegende Ebene ist die Inhaltsebene, auf der die private Kommunikation stattfindet. Diese läuft nun verstärkt über Messenger-Dienste. Als Analogie zur vordigitalen Zeit könnte man sagen: Facebook ist das Telefonbuch, WhatsApp ist das Telefon.

Dieser auch als „Dark Social“ bezeichnete Bereich der privaten Online-Kommunikation ist für die Forschung nur schwer einsehbar. Nach der DIVSI-U25-Studie wird Facebook mehr dazu genutzt, Links auszutauschen und einen Status anzugeben, während über WhatsApp mehr Fotos geteilt, private Nachrichten verschickt und Verabredungen getroffen werden. Je mehr Kommunikation aus dem öffentlichen und semi-öffentlichen Bereich bei Facebook in nicht-öffentliche Bereiche wie WhatsApp abwandert, desto statischer wird das Wesen von Facebook, was die persönlich relevante Kommunikation angeht. Die Strukturebene kristallisiert somit zunehmend, während die fluide Kommunikation im „Dark Social“ stattfindet. Dieser Trend beschleunigt sich also selbst.

Da sich die private Kommunikation überwiegend auf Messenger verlagert, sind alle aufmerksamkeitsabhängigen Medien gut beraten, sich diese Kanäle nutzbar zu machen. NiemanLab hat jüngst Daten der Website des spanischen Fußballclubs FC Valencia zur Nutzung verschiedener Sharing-Buttons veröffentlicht: Der Facebook-Button war mit 35 Prozent Nutzung auf dem ersten Platz, WhatsApp folgte dicht dahinter mit 33 Prozent vor Twitter mit 19 und Google+ mit 13 Prozent. Über mobile Zugriffe lag WhatsApp hingegen mit 48 Prozent deutlich vor Facebook mit 25 Prozent.

Wer also davon lebt, dass seine Inhalte möglichst oft genutzt werden, der ist gut beraten, in Zukunft seine sozialen Teilungsfunktionen zu ergänzen. Und genau das werden wir 2015 vielfach sehen: den WhatsApp-Sharing-Button.

Autor: Dr. Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia Custom Research GmbH

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