Trendmonitor 2014: Wachsende Sensibilisierung für Cyber-Sicherheit. Trend-Ausblick von Sebastian Lehr

Wachsende Sensibilisierung für Cyber-Sicherheit. Überwachungsskandale sorgen für Schub bei IT „Made in Germany“

Sebastian LehrDie Enthüllungen über Spionage-Software wie PRISM, Tempora und XKeyScore haben gezeigt, wie komfortabel der Instrumentenkasten einiger Geheimdienste ausgestattet ist, um gängige Cyber-Sicherheitsstandards auszuhebeln. Und auch, welch geringen Stellenwert sichere Kommunikation bislang vor allem bei Privatanwendern genossen hat. Nach den Enthüllungen, die auf die geleakten Dokumente von Edward Snowden zurückgehen, ist der Zweifel am Niveau der allgemeinen Cyber-Sicherheit nicht mehr nur ein Bestandteil von Fachtagungen, sondern auch der alltäglichen Internetnutzung. 2014 könnte daher die Nachfrage nach sicherer Online-Kommunikation Bewegung in den Markt bringen. Für die deutsche IT-Branche bietet sich eine große Chance, ihre Sicherheitsprodukte insbesondere an Privatanwender zu vermarkten.

Erst im November stellte die Deutsche Telekom ihre Pläne für ein nationales bzw. europäisches Internet vor. Propagiert wird hier ein sogenanntes Schengen-Routing, bei dem die Datenpakete von Absendern und Empfängern innerhalb des Schengen-Raumes auch physisch nur innerhalb der Schengen-Grenzen transportiert werden. Aber, sind Ländergrenzen im Internet überhaupt umsetzbar und sind sie wünschenswert? So wurde die als „Schlandnet“ bezeichnete Initiative der Telekom bisweilen kontrovers diskutiert. Auch bleibt das Problem, dass der physische Ort eines Lauschangriffs letztlich zweitrangig ist. Starke Indizien sprechen dafür, dass auch innerhalb Deutschlands fleißig spioniert wird. Daher brächte ein Schengen-Routing alleine noch keinen großen Sicherheits­gewinn.

Der Vorstoß der Deutschen Telekom illustriert vor allem eines: In den Markt für sichere Kommunikations- und Verschlüsselungslösungen kommt Bewegung. Den großen amerikanischen IT- und TK-Konzernen weht seit Sommer 2013 eine gehörige Portion Skepsis entgegen. Darin liegt für die hiesige Branche eine große Chance, verlorenen Boden gutzumachen. Große, anwender­orientierte Vorhaben aus Deutschland wie der E-Postbrief der Deutschen Post und die staatlich initiierte De-Mail hatten bislang eine nur geringe Akzeptanz. Gut gemeint, aber umständlich in der Nutzung und – vielleicht noch schlimmer – nicht durchgehend verschlüsselt. Denn, dass Daten nicht nur im Internet (auf dem Transport zum Diensteanbieter), sondern auch beim Anbieter selbst abgefangen werden können, hat sich erst Ende Oktober am Beispiel Google bestätigt („Project Muscular“).

Der relative Misserfolg solcher deutscher Leuchtturm-Projekte ist ärgerlich, spiegelt er doch die Stärken der deutschen IT-Branche nicht wider. Sicherheitstechnik „Made in Germany“ hat einen guten Ruf: Laut einer aktuellen Umfrage unter IT-Fachleuten (Lancom Systems, Sept. 2013) sehen 71 Prozent der Befragten einen höheren Bedarf an nationalen IT-Sicherheitsprodukten. Vielen Entscheidern (lt. Studie immerhin 40 Prozent) war es bislang egal, woher ihre IT-Produkte und Netzwerkkomponenten stammten. Dies ändert sich nun.

Langfristige Entwicklungen in der IT, wie die Entwicklung zum Cloud-Computing und zu Software-as-a-Service, sind ohne zuverlässige Informationssicherheit nicht zu verwirklichen. Die Datensicherheit auf dem Transportweg ist grundlegende Voraussetzung für weitere Innovationen auf diesen Gebieten. Zurzeit sind viele Anwender und Verantwortliche zwar verunsichert, doch in dieser Vertrauenskrise liegt eine große Chance. „IT Made in Germany“ könnte künftig den Cloud-Lösungen amerikanischer IT-Konzerne einiges an Marktanteilen wegnehmen.

Wie das funktionieren könnte, haben Deutsche Telekom und United Internet im August 2013 angedeutet. Mit „E-Mail Made in Germany“ wurde öffentlichkeitswirksam ein (moderat innovatives) Produkt vorgestellt, das Sicherheit in der alltäglichen Kommunikation neu akzentuiert. Die Anbieter garantieren ihren Kunden, dass Daten zwischen den teilnehmenden Mailservern nur verschlüsselt übertragen werden und die Datenverarbeitung ausschließlich in Deutschland stattfindet. Auch wenn IT-Experten den Sicherheitsgewinn als gering betrachten – ein Schachzug war dies allemal, um die deutsche Cyber-Sicherheit auch im Bewusstsein von Privatanwendern zu verankern und ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen, das 2014 gewiss weiter punkten kann.

Die IT-Branche sollte dies ermutigen, 2014 auf weitergehende plattform- und anbieter­übergreifende Sicherheitslösungen zu setzen. Der Rückenwind aus der Debatte um die Sicherheit in der Informationstechnik könnte schnell ungenutzt verstreichen. Denn, erst wenn neben der Sicherheit auch der Nutzer- und Plattformkomfort überzeugt, lassen sich User in nennenswerter Zahl gewinnen.

Autor: Sebastian Lehr, Consultant Goldmedia GmbH Strategy Consulting

Der Beitrag wurde bei kress.de als Gastbeitrag erstveröffentlicht.

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