Kommentar zur Diskussion um AdBlocker: Bitte blockieren Sie nicht unser Geschäftsmodell!

„Bitte blockieren Sie nicht unser Geschäftsmodell!“

Der Aufruf einiger Verlage, Werbeblocker abzuschalten, enthüllt die Schwäche eines Geschäftsmodells, das einseitig auf Werbung ausgerichtet ist.

Dr. Florian Kerkau und Oliver Numrich
Dr. Florian Kerkau und Oliver Numrich

„Schalten Sie bitte den AdBlocker ab!“ haben vor zwei Tagen Medien wie Zeit.de, spiegel.de, sz.de und andere ihre Leser aufgefordert.  Der Appell zeigt, dass die Verlage ihr Glück eher in der Vergangenheit suchen, anstatt ihre Geschäftsmodelle an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen.

Dabei liefert die Werbepsychologie eindeutige Antworten auf die Problematik von zu aufdringlicher Internetwerbung. Denn um die Wirkung von Bannerwerbung zu verstehen, muss man nur einige Jahre zurückschauen: Als die ersten bewegten Banner im Internet auftauchten, waren sie äußerst effektiv. Das liegt an der biologischen Tatsache, dass der Mensch hoch sensibel auf Bewegungen an der Blickfeldperipherie reagiert. Man spricht dabei von der Orientierungsreaktion. Im Laufe der Zeit haben die Internetnutzer jedoch gelernt, die blinkenden Banner zu ignorieren und sich stattdessen besser auf die Seiteninhalte zu konzentrieren.

Aus diesem Grund werden blinkende Banner in der Regel ignoriert, was dem Nutzer eine gewisse Anstrengung abverlangt, da dieses Verhalten eigentlich unnatürlich ist. Es entsteht nun Reaktanz, da der Nutzer sich ärgert, dass er ein natürliches Verhalten unterdrücken muss. Besser funktioniert Werbung an der Blickfeldperipherie, wenn diese eigentlich unauffällig aussieht. Wahrgenommen wird sie trotzdem, allerdings nicht zentral sondern peripher. Aus der Werbewirkungsforschung wissen wir, dass periphere Wahrnehmung kaum Reaktanz hervorruft („subliminale Werbewirkung“), das heißt die Werbung wirkt unterschwellig. Dies funktioniert natürlich für den Markenaufbau besser als für den Abverkauf. Bei dem wichtigsten Popup-Blocker „AdBlock Plus“ hat man diese Zusammenhänge bereits verstanden, denn hier ist die Option „unaufdringliche Werbung zulassen“ bereits ab Installation aktiviert. Dies ist sicherlich nur ein kleiner Anfang, allerdings wäre es wünschenswert, dass alle Marktteilnehmer sich auf Standards einigen könnten.

Den Verlagen sollte klar sein, dass das Karussell immer stärker störender Werbung kein Geschäftsmodell ist. Vielleicht hilft ein Blick zu Film und Fernsehen: Hier werden die Formen Sponsoring und Placement immer wichtiger, da sie werbliche Botschaften übermitteln, die den Zuschauer weniger ablenken als beispielsweise die Unterbrecherwerbung. Diejenigen Onlinemedien, die keine Bezahlschranke („Paid Content“) errichten können, weil ihre Zielgruppe nicht bereit ist, für Inhalte zu bezahlen, können Bannerverweigerung begegnen, indem sie PR-Content einbinden, der thematisch passt und entsprechend gekennzeichnet ist, sowie produktbezogene Verweise auf Onlineshops mit einer Rückvergütung für den Verlag (Affiliate-Links). Möglicherweise müssen etablierte Printmedien dafür „billigere Untermarken“ im Onlinebereich bilden, um preissensible Zielgruppen angemessen ansprechen zu können und gleichzeitig ihre Offline-Reputation nicht zu gefährden. Für Akzeptanz neuer Erlösmodelle zu sorgen und sie mit journalistischen Qualitätsstandards in Einklang zu bringen, ist die drängendste Aufgabe der Verlage.

Dr. Florian Kerkau/Oliver Numrich
Geschäftsführer Goldmedia

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