Der Kinofilm ist die Lokomotive. Interview mit Eberhard Junkersdorf, Präsident der FFA und Vorsitzender des Verwaltungsrates, promedia Mai 2012

Digitale Vertriebsplattformen sollen einen höheren Beitrag zur Filmförderung leisten

„Der Kinofilm ist die Lokomotive“

Interview mit Eberhard Junkersdorf, Präsident der FFA und Vorsitzender des Verwaltungsrates

In einem promedia-Gespräch hat sich der langjährige Präsident der FFA und erfolgreiche Filmproduzent Eberhard Junkersdorf dafür ausgesprochen, dass die Förderung durch die Filmförderungsanstalt, die ausschließlich auf Geldern aus der Branche beruht, weiterhin vor allem dem Kinofilm zugutekommt. Junkersdorf erteilt damit Forderungen, sowohl crossmediale Projekte als auch Fernsehevents zu fördern, eine Absage. Zugleich setzt sich Junkersdorf dafür ein, dass Spielfilme, die mit FFA-Mitteln gefördert werden, ihre Erstaufführung im Kino erleben und erst nach einer Sperrfrist von sechs Monaten über Video-on-Demand-Portale angeboten werden dürfen.

Eberhard Junkersdorf
Eberhard Junkersdorf

promedia: Herr Junkersdorf, die Mediennutzung wandelt sich, immer mehr fiktionale Stoffe finden sich im Internet, Filme kommen über VoDPlattformen so auf den Bildschirm im Wohnzimmer. Wie weit soll die Novellierung des FFG diese Veränderungen widerspiegeln?
Eberhard Junkersdorf:
Gegen eine legale Nutzung im Internet, die insbesondere die gesetzliche Holdback Situation bei deutschen Spielfilmen respektiert, gibt es keine Bedenken. In dem neuen FFG sind gewisse Anpassungen vorgesehen.

promedia: Welche Anpassungen zum Beispiel?
Eberhard Junkersdorf:
Hier geht es um die Anpassung der Sperrfrist von VOD an DVD, das heißt, eine Reduzierung von neun Monaten auf sechs Monate. Allerdings besteht meines Erachtens ein großer Konsens, die bestehenden Sperrfristen für deutsche, geförderte Kinospielfilme einzuhalten.

promedia: Sollte also weiterhin jeder von der FFA geförderte Spielfilm zuerst im Kino starten müssen?
Eberhard Junkersdorf:
Ja, jeder FFA geförderter Spielfilm sollte zuerst im Kino gezeigt werden. Ich halte es jedoch für ratsam, für gewisse Filme zu einer Ausnahmeregelung zu kommen. Es macht keinen Sinn, einen Film, bei dem die Erfolgserwartungen sehr hoch gewesen sind, bei dem sich jedoch bei den Previews und Testvorführungen gezeigt hat, dass die Akzeptanz bei den Zuschauern gering ist, diesen Film mit den ursprünglich zugesagten hohen Kosten trotzdem noch starten zu müssen.

promedia: Das heißt, die FFA soll auch weiterhin ausschließlich Filme fördern, die für eine Auswertung im Kino gedacht sind?
Eberhard Junkersdorf:
Die Aufgabe der FFA wird weiterhin die Förderung von Kinofilmen sein. Der Kinofilm ist die Lokomotive für die nachgeordneten Auswertungsstufen, das Kino ist nicht nur Abspielstätte für den Kinofilm, es ist auch eine wichtige Begegnungsstätte in der heute immer ärmer werdenden sozialen Gesellschaftsstruktur.

promedia: Was halten Sie von einer Förderung multimedialer Projekte, die in Varianten sowohl für das Kino, das Fernsehen und das Internet bestimmt sind?
Eberhard Junkersdorf:
Hier kommt es sicher im Einzelfall auf das Projekt an. Wenn die Abspielkaskade eingehalten wird, kann ich mir das vorstellen.

promedia: In den beantworteten Fra-gebögen wird mehrheitlich eine stärke Abgabepflicht von Plattformen gefordert. Ist das realistisch?
Eberhard Junkersdorf:
Das FFG ist ein Selbsthilfegesetz. Jeder der das Medium Film verwendet und Teile oder sein Gesamtprogramm mit Kinofilmen bestreitet, muss zum Erhalt des Films beitragen. Das muss auch für die Plattformen gelten.

promedia: Die Abgabepflicht gilt bereits heute, und die Abgaben liegen bei 200.000 – 300.000 Euro jährlich. Anscheinend ist es schwer, auch ausländische Unternehmen wie Google (YouTube) hier heranzuziehen? Wie können so die von einigen angepeilten 15 Mio. Euro jährlich erreicht werden?
Eberhard Junkersdorf:
In der Tat ist es sehr schwer, ausländische Unternehmen in Deutschland zur Abgabe heranzuziehen. Die Abgabenhöhe von jährlich 15 Mio. Euro ist eine Forderung von vier Verbänden, hier müssen entsprechende Gespräche mit den Plattformfirmen und den Verbänden, mit Unterstützung der Politik, schnellstmöglich aufgenommen werden.

promedia: Sollte künftig nicht nur die Distribution in Kinos, sondern auch digitale Plattformen, über die man Spielfilme downloaden kann, gefördert werden?
Eberhard Junkersdorf:
Die Kosten für die Herausbringung eines Films sind enorm hoch, die Mittel, die der FFA dafür zur Verfügung stehen, jedoch nicht ausreichend. Plattformen sind hier in einer weitaus besseren Situation, ich halte deshalb eine Förderung für Plattformen nicht wirklich für zwingend für notwendig.

promedia: Aber wenn diese Plattformen verstärkt einzahlen, ergibt sich daraus nicht auch für sie ein Anspruch?
Eberhard Junkersdorf:
Wenn die angestrebte Abgabe in etwa erreicht würde, entsteht aus meiner Sicht auch ein gewisser Anspruch auf Förderung daraus.

promedia: Viele wünschen sich, dass auch die TV-Sender einen höheren Beitrag zur FFA leisten und so insgesamt die Abgabe erhöht werden kann. Ist das durchsetzbar?
Eberhard Junkersdorf:
Der Abgabemaßstab für die TV-Anstalten, sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch für die privaten, ist mit der Kleinen Novelle im Februar 2011 durch das Bundesverwaltungs-Gericht festgelegt worden, an das Urteil muss sich auch die FFA halten. Die Abgabenhöhe ergibt sich aus der Nutzung von Spielfilmen in den Fernsehanstalten. Natürlich hätte niemand etwas dagegen, wenn die TV Sender höhere Beiträge leisten würden, doch das Leben ist kein Wunschkonzert. Eine Erhöhung halte ich für schwierig. Es sind jedoch Gespräche mit den TV-Anstalten vorgesehen um die freiwilligen Leistungen, die es ja auch schon jetzt gibt, zu erhöhen.

promedia: Gleichzeitig fordern einige, die Förderung bestimmter Bereiche, z.B. für Kinos oder DVDs zu reduzieren. Wie sehen Sie das?
Eberhard Junkersdorf:
Die Forderung, die Förderung z.B. von Kinos und DVDs zu reduzieren, muss man im Zusammenhang mit der von ihnen gewünschten gleichzeitigen Reduzierung ihrer Abgaben sehen.

promedia: Es entsteht heute in Deutschland kaum ein Spielfilm mehr ohne Beteiligung eines TV-Senders, andererseits fordern mehrere Verbände, den Einfluss der TV-Sender sowohl in den Gremien der FFA zu reduzieren als auch Töchtern öffentlich-rechtlicher Sender keine Förderung zu geben. Wie sehen Sie die Rolle der TV-Sender insgesamt im System der Förderung?
Eberhard Junkersdorf:
Die Rolle der TV-Sender ist im Gesamtsystem ganz wichtig. Sie beteiligen sich als Co-Produzenten an der Herstellung von Kinofilmen und oder erwerben auch Lizenzen. Trotzdem ist das System weit davon entfernt als ideal bezeichnet zu werden. Insbesondere müssen die Ausstrahlungstermine grundlegend verbessert werden, Ausstrahlungen von deutschen Kinofilmen zu nachtschlafender Zeit sind nicht mehr akzeptierbar, es ist auch noch auf einigen anderen Punkten Gesprächsbedarf vorhanden, um insgesamt zu besseren Rahmenbedingungen zu kommen. Gerade die öffentlich rechtlichen Sender haben auch einen Kulturauftrag, den es zu erfüllen gilt. Wenn Töchter von öffentlich-rechtlichen TV-Sendern durch eine Kapitalausstattung ihrer Firma Wettbewerbsvorteile gegenüber freien, unabhängigen Produzenten haben, sollten sie keine Förderung bekommen.

promedia: Die Förderung ruht im Wesentlichen auf den zwei Säulen der Referenz- und der Projektförderung. Sollte das Verhältnis zwischen beiden Förderarten beispielsweise zugunsten der Referenzförderung verändert werden?
Eberhard Junkersdorf:
Sowohl die Projektförderung als auch die Referenzförderung sind wichtige, aber unterschiedliche Bestandteile zur Herstellung von Spielfilmen. In der letzten Novelle im Jahre 2008 wurde die Referenzförderung zugunsten der Projektförderung verändert, eine Anpassung zugunsten der Referenzförderung in einem neuen Gesetz ist vorstellbar. Die Projektförderung bleibt aus meiner Sicht die wichtigste Förderung bei der Finanzierung eines Films, viele später sehr erfolgreiche Filme wären ohne eine Projektförderung nicht entstanden, die Referenzförderung ist quasi eine Belohnung für einen Produzenten, der einen erfolgreichen Film produziert hat. Er kann mit den ihm daraus entstehenden Referenzmitteln für ihn wichtige Entscheidungen selbst fällen, wie z.B. Verfilmungsrechte kaufen, Drehbücher entwickeln, seine Eigenkapitaldecke stärken etc. Beide Säulen müssen möglichst bruchfest weiter ausreichend mit Mitteln versehen sein.

promedia: Welche Kriterien der Referenzförderung müssten überarbeitet werden?
Eberhard Junkersdorf:
Zu viele Festivals haben den Wert eines Referenzfilmpunktes drastisch gesenkt und dadurch sind die Referenzfilmmittel in der Vergangenheit sehr stark abgesunken. Obwohl es richtig und notwendig ist, sowohl den wirtschaftlich erfolgreichen, aber auch den künstlerisch wertvollen Film zu belohnen, muss die Liste der Festivals, bei den man Referenzpunkte erzielen kann, diskutiert und neu aufgestellt werden.

promedia: Welche Förderung müsste ausgebaut werden?
Eberhard Junkersdorf:
Ich bin der Meinung, dass die Verleihförderung ausgebaut werden muss. Es stehen nicht ausreichend Mittel zur Verfügung, um Filme so zu bewerben, dass eine gute Vermarktung des Kinofilms möglich ist. Es muss auch die Förderung des barrierefreien Kinos ausgebaut werden, d.h. Filme müssen durch Untertitel und eingesprochene Dialoge für Seh- und Gehörbehinderte im Kino erlebbar sein. Mehr als 1,4 Millionen behinderte Bürger haben auch das Recht, Filme im Kino zu erleben, sie dürfen nicht ausgeschlossen sein.

promedia: Gibt es einen Förderbereich, der neu aufgenommen werden sollte?
Eberhard Junkersdorf:
Es wird einen neuen Förderbereich geben, den Erhalt des deutschen filmischen Erbes. Es geht hierbei um die Restaurierung, Digitalisierung und Langzeitarchivierung von unterschiedlichsten Filmarten aus unterschiedlichen Epochen. Natürlich können hier nicht alle Filme partizipieren, es muss eine Auswahl erfolgen, um die wichtigsten Filme des deutschen Filmerbes auch noch für spätere Generationen zu erhalten und zugänglich machen zu können. Deutschland ist ein Kulturstaat, der deutsche Film ist ein wichtiger Bestandteil dieser Kultur, den gilt es zu erhalten. Das ist eine riesengroße Aufgabe, die von der FFA alleine nicht zu bewältigen ist, sie wird nur mit staatlicher Unterstützung möglich sein.

Über Eberhard Junkersdorf

  • Geboren: 27. September 1938
  • In den 1960er Jahren Aufnahmeleiter
  • 1973 Gründung der Produktionsfirma Bioskop Film mit Volker Schlöndorff,
  • 1979 Produktion „Die Blechtrommel“, die 1980 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde
  • 1995 Gründung der Firma Munich Animation
  • 2002 Gründung der Neue Bioskop Film, Produktion Oskar Roehlers Film „Der alte Affe Angst“
  • Seit 1999 Vorsitzender des Verwaltungsrates und des Präsidiums der Filmförderungsanstalt

Artikel in der promedia Mai 2012

Weitere Informationen: promedia

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