„Es besteht beim Radio keine Notwendigkeit für einen technischen Wechsel“, Andreas Fuhlisch, Sprecher der Geschäftsführung RMS Radio Marketing Service

Interview mit Andreas Fuhlisch, Sprecher der Geschäftsführung der RMS Radio Marketing Service, promedia 4/2010

Als erste Mediengattung innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (ag.ma) hat der Hörfunk seine aktuellen Reichweitendaten auf der Basis der erweiterten Grundgesamtheit vorgelegt. Während die Mediaanalyse Radio bislang nur die Hörfunknutzung von Deutschen und EU-Ausländern registrierte, werden die Daten jetzt für die gesamte deutschsprachige Bevölkerung ab zehn Jahren (inklusive der Nicht-EU-Ausländer) in der Untersuchung dargestellt. Damit wird die bisherige Grundgesamtheit von 69,859 auf 73,663 Millionen erweitert.
Die Eckdaten der MA 2010 bestätigten den hohen Stellenwert des Mediums im Alltag der Bevölkerung. Die Radionutzung in Deutschland bleibt konstant: 78,6 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab zehn Jahren hören täglich Radio. Die Hördauer liegt bei 192 Minuten, die Verweildauer derjenigen, die mindestens einen Sender hören, bei 244 Minuten am Tag.

Andreas Fuhlisch
Andreas Fuhlisch, Sprecher der Geschäftsführung RMS Radio Marketing Service

promedia: Herr Fuhlisch, ändert das Radio, immer wenn die Nutzung rückläufig ist, die Zählmethode?
Andreas Fuhlisch: Das Radio kann alleine gar keine Änderungen in der MA vornehmen. Letztendlich basieren alle Veränderungen auf Beschlüssen der MA-Mitgliederversammlung. Dort sind Vertreter der werbenden Wirtschaft, von Agenturen sowie allen anderen Mediengattungen versammelt. Ohne die Zustimmung dieser Partner und auch der Kunden können keine Änderungen erfolgen. Bei der Veränderung der Grundgesamtheit  ist  das Radio lediglich die erste Gattung, die diese bessere Erfassung der Mediennutzung von Ausländern in Deutschland umgesetzt hat. Alle anderen Gattungen in der ag.ma, wie Plakat, Online oder Print, werden im Laufe der nächsten Zeit nachziehen. Die Gattung Radio hat dabei den Anspruch, immer das, was sie abbildet, präziser zu erfassen als in der Vergangenheit.

promedia: Es gibt aber auch Kritik, dass diese Zahlen deshalb nicht mehr stimmen, da sich die CATI-Methode auf die Telefonnummern der stationären Telefone stützt. Viele, vor allem jüngere Leute, nutzen aber heute nur noch das Handy. Leben Sie mit falschen Zahlen?
Andreas Fuhlisch: Nein, im Gegenteil. Das ZAW-Rahmenschema fordert  für  repräsentative Befragungen, dass die eingesetzte Methode mindestens 85 Prozent der Grundgesamtheit abdeckt. Wir erreichen 94 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen über das Festnetz. Mit anderen Methoden wie etwa Online-Befragungen werden deutlich weniger Bevölkerungssegmente abgedeckt. Die Handy-Only-Rate, das heißt, die Anzahl der Menschen, die nicht über das Festnetz, sondern ausschließlich über das Handy  erreichbar sind, liegt im Moment bei 5,4 Prozent. Das sind auch teilweise Menschen, die auf Grund einer Umzugssituation o. ä. vorübergehend keinen Festnetzanschluss haben. Wir reden hier also über eine hervorragende Ausschöpfung über das stationäre Telefon.

promedia: Warum ist es im Jahr 2010 nicht möglich, durch den Einsatz von technischen Geräten anstelle der konventionellen Befragung zu genaueren Messmethoden zu kommen?
Andreas Fuhlisch: Bisher konnten die technischen Messgeräte für Radio nicht überzeugen. Die Engländer zum Beispiel haben in den vergangenen Jahren mehrere Geräte getestet und es hat sich gezeigt, dass mehrere Geräte gleicher Hersteller unterschiedliche Daten liefern sowie unterschiedliche Geräte verschiedener Hersteller ebenso wenig vergleichbare Ergebnisse aufweisen. Vor diesem Hintergrund haben die Engländer die technische Messung gestoppt und verwenden wieder die Befragungsmethode. Solange die Validität dieser Messinstrumente nicht gegeben ist, macht es keinen Sinn, diese einzusetzen, denn Radio hat einen sehr hohen Anspruch an die Datenerhebung.

promedia: Welche Rolle spielen heute im Vergleich zum klassischen Radiohören über UKW die neuen Verbreitungsformen, also Satellit, Internet, iPhone oder auch Webradio?
Andreas Fuhlisch: Bisher eine sehr untergeordnete Rolle. Die relevante Nutzung für Radio ist heute immer noch die UKW-Nutzung. Ein durchschnittlicher Haushalt verfügt über vier bis fünf Radiogeräte und diese empfangen bis auf wenige Ausnahmen klassisch über UKW. Wenn heute WLAN-Geräte angeschafft werden, dann in der Regel, wenn ein Gerät kaputt geht oder die Geräte ausgetauscht werden. WLAN-Geräte sind zwar inzwischen günstiger geworden, aber immer noch deutlich teurer als klassische UKW-Geräte. Selbst bei neuen Handys oder Smartphones werden vielfach UKW-Empfänger eingebaut. Also selbst bei den Geräten, bei denen eine Nutzung des Webradios möglich wäre, wird von vielen Menschen klassisch über UKW gehört. Es gibt heute durchaus viele Menschen, die Radio über das Internet hören. Das sind aber auch vielfach Streams. Der Hauptverbreitungsweg wird auch noch in den nächsten Jahren UKW bleiben.

promedia: Sind Radiohörer die konservativsten Mediennutzer?
Andreas Fuhlisch: Nein. Radio ist ein Medium, das den Hörer den ganzen Tag über begleitet und dafür nutzt der Hörer die Technik, die dafür am besten geeignet ist. Hier bietet das UKW-Radio noch große Vorteile, weil es zu Hause, im Auto oder auch am Arbeitsplatz vorhanden ist. Die UKW-Nutzung ist sehr komfortabel und hat außerdem eine hohe Qualität. Deshalb besteht keine Notwendigkeit für einen technischen Wechsel.

promedia: Auf der einen Seite halten Jugendliche dem klassischen Format Radio weitestgehend die Treue, egal über welchen Weg es verbreitet wird. Auf der anderen Seite liegt aber die Hör- und Verweildauer bei den 10- bis 29-Jährigen deutlich unter dem Durchschnitt. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?
Andreas Fuhlisch: Dort, wo Programme für jüngere Hörer maßgeschneidert werden, nehmen die Reichweiten unter Jüngeren sogar zu. Dass die 10- bis 29-Jährigen eine geringere Verweildauer als der Durchschnitt aufweisen, ist damit zu begründen, dass das Zeitfenster, in dem Radio gehört wird, bei diesen Personen deutlich geringer ist. Sie hören früh morgens Radio und dann frühestens wieder ab nachmittags – nach der Schule, der Ausbildung oder der Universität. Den Jüngeren fehlt das klassische Zeitfenster zwischen 8 und 14 Uhr, in dem  andere Menschen im Auto, am Arbeitsplatz, oder während der Hausarbeit Radio hören.

promedia: Also besteht keine Gefahr, dass sich junge Leute vom klassischen Radio verabschieden?
Andreas Fuhlisch: Das Radio besitzt in jungen Zielgruppen nach wie vor einen hohen Stellenwert. Es wird die Herausforderung sein diesen Stellenwert auch in die Zukunft zu übersetzen. Radiosender müssen sich heute Gedanken darüber machen, wie sie Angebote für junge Zielgruppen bauen und wie sie es schaffen, auch junge Zielgruppen zukünftig an Radio zu gewöhnen. Natürlich werden in jungen Zielgruppen künftig Radioangebote stärker über Internet, Mobile oder andere Endgeräte genutzt. Daher wäre es  falsch, sich auszuruhen und den Dingen seinen Lauf zu lassen. Es ist eine Herausforderung,  die Programme kontinuierlich so zu gestalten, dass Jugendliche dranbleiben. Vielleicht werden auch die neueren Empfangswege, über die ich gesprochen habe, dazu beitragen, Jugendliche über das Handy oder den Stream zum Radiohören zu bewegen, die das vorher in der Form nicht gemacht haben. Aber gute Programme finden immer ihre Hörer – die grundsätzliche Demografie können wir jedoch leider nicht beeinflussen.

promedia: Wie hoch war 2009 der Marktanteil des Radios an der Werbung?
Andreas Fuhlisch: 2009 hatten wir einen Anteil von 6,3 Prozent. Im Jahr 2010 werden wir aber einen leichten Rückgang verzeichnen, der methodisch bedingt ist, weil die Gattung Online in der Nielsen-Statistik dazugekommen ist. Aber insgesamt hat das Radio seinen Marktanteil in den vergangenen Jahren ausbauen können.

promedia: Wie wird die Lage 2010 sein?
Andreas Fuhlisch: Wir glauben an ein stabiles Jahr für Radio, auch wenn 2010 ein sehr schwieriges Jahr für alle Gattungen werden wird. Das Radio wird aber erneut nachweisen können, dass es sowohl beim Thema Branding als auch mit klassischer Abverkaufswerbung funktioniert. Wir werden weiterhin versuchen, unsere Partner von den Qualitäten, die Radio hat, zu überzeugen. Dazu gehören die hohe Flexibilität und auch die zeitliche und räumliche Aussteuerbarkeit. Mit diesen Vorteilen wird das Radio angesichts immer strengerer Effektivitäts- und Wirkungsanforderungen der Kunden auch 2010 punkten können.

promedia: Müssen sich die Radiosender, wenn 2010 Internet mit eingerechnet wird, mehr um dieses Thema kümmern und hier innovativer werden?
Andreas Fuhlisch: Wir sind in sehr engem Dialog mit unseren Sendern über neue Themen. Ein Thema ist beispielsweise die Integration von Bewegtbild auf den Websites. Das unterstützen wir auch in Kooperation mit der OMS, die einen Player zur Verfügung stellt, der auch von vielen Tageszeitungen genutzt wird. Egal, ob es Bewegtbild ist oder anderer Content: Was die Website attraktiver macht und den Traffic erhöht, hilft uns am Ende bei der Vermarktung. Wenn wir über Online reden, kommen wir wieder zum Webradio. Hier gibt es ein starkes Engagement zum einen durch die Sender der Digital5, aber auch durch andere Sender. Allerdings ist die Intensität, mit der sich Radioveranstalter um Online kümmern von Sender zu Sender sehr unterschiedlich.

promedia: Es haben sich neun Sender um eine deutschlandweite DAB-Frequenz beworben, u. a. die Regiocast. Werden Sie sich künftig um die Vermarktung dieser Sender kümmern?
Andreas Fuhlisch: Das haben wir noch nicht entschieden. Wir haben als RMS den Anspruch, das gesamte Portfolio unserer Partner zu vermarkten. Aber dazu müssen wir wissen, was ausgestrahlt wird. Wir sollten nicht Schritt 2 vor Schritt 1 machen. Aber wenn sich das Produkt aus unserer Sicht vermarkten lässt, werden wir uns um die Vermarktung dieser Sender kümmern.

promedia: Mathias Döpfner hat bei der Jahrespressekonferenz des Springer-Verlages zwei interessante Zahlen genannt: Zum einen macht Springer heute 20 Prozent seines Umsatzes mit digitalen Verbreitungswegen, in sieben Jahren will er 50 Prozent seines Umsatzes über diesen Weg erreichen. Wann hätten zumindest einige große Radiosender die Möglichkeit, solche Umsatzzahlen im digitalen Bereich zu generieren?
Andreas Fuhlisch: Das hängt von den Aktivitäten ab, die die Radiosender im digitalen Bereich durchführen. Die klassische Radionutzung findet heute nach wie vor über UKW statt. Die Vermarktung von UKW-Reichweiten ist unser Hauptgeschäft und ich gehe davon aus, dass das noch viele Jahre so bleiben wird. Die anderen Kanäle werden sukzessive dazukommen. In welcher Größenordnung das passiert und in welcher Relation wir Vermarktungserlöse in diesen neuen Feldern generieren werden, kann ich Ihnen heute noch nicht sagen.

Über Andreas Fuhlisch

  • Geboren: 18. Juni 1968
  • Verlagskaufmann, Kommunikationswirt
  • 1990-1991 Verkaufsassistenz Anzeigenabteilung BILD
  • 1992-1993 Assistent des Anzeigenleiters Hamburger Abendblatt
  • 1993-1995 Anzeigenleiter „VerkehrsWirtschaft“
  • 1995-1997 Anzeigenberater Verlagsbüro Hamburg
  • 1997-2007 Bauer Verlag, u.a., Central Account Manager, Geschäftsleiter Bauer Media KG
  • Seit Oktober 2007 Sprecher der Geschäftsführung bei RMS Radio Marketing Service

Weitere Informationen: promedia

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