Zur geplanten Versteigerung ehemaliger Rundfunk-Frequenzen: Digitale Dividende – für wen eigentlich?

Von Dr. Christoph Wagner, Rechtsanwalt, Hogan & Hartson Raue, promedia 11/09

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Regeln für die Versteigerung der ehemals  vom Rundfunk genutzten Frequenzen im Bereich 800 MHz (die so genannte „digitale Dividende“) wie geplant verabschiedet. Die Antragsfrist für die Bieter läuft bis 21. Januar 2010; die eigentliche Auktion soll dann im zweiten Quartal 2010 stattfinden, wenn sie nicht noch durch die Gerichte gestoppt wird. Die Mobilfunkunternehmen O2 und E-Plus kritisieren die Vergaberegeln, weil sie ihrer Meinung nach die großen Anbieter T-Mobile und Vodafone bevorzugen, die schon über mehrFrequenzspektrum verfügen. Aus gleichem Grund hatte die EU-Kommissarin Reding noch versucht, das Verfahren mit einem Schreiben an die BNetzA zu beeinflussen und gar ein  Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik angedroht. Schließlich hatten Sendeunternehmen und Kabelnetzbetreiber technische Bedenken gegen die Störungen des DVB-T und Kabelempfangs durch die neue LTE-Netztechnologie vorgebracht (vgl. ProMedia 5,2009). Alles ohne Erfolg.

Dr. Christoph Wagner
Dr. Christoph Wagner

Der aus 16 Bundestagsabgeordneten und 16  Ländervertretern bestehende BNetzA-Beirat stimmte dem umstrittenen Versteigerungsdesign einstimmig zu und die Präsidentenkammer der BNetzA hat die kontroversen Regeln nun verbindlich festgesetzt. Das ist um so erstaunlicher, als viele der Beiratsmitglieder einschließlich des Beiratsvorsitzenden Junghans aufgrund der vorausgegangenen Bundes- und Landtagswahlen ihr Beiratsmandat demnächst abgeben müssen, also aktuell gar nicht mehr für so weittragende Entscheidungen legitimiert sind. Die
Art und Weise, wie die BNetzA das Verfahren gegen alle Widerstände und Bedenken im Eiltempo vorantreibt, entspricht allerdings der bisherigen Vorgehensweise: Zunächst wurden die Eckpunkte für die Vergabe festgelegt, ohne dass die Länder und der Bundesrat das Verfahren abgesegnet hatten. Dann soll die Vergabe der 800 MHz-Frequenzen aus Beschleunigungsgründen mit anderen, seit langem zur Versteigerung anstehenden Mobilfunk-Frequenzen oberhalb 1 GHz verbunden werden, wodurch die digitale Dividende sehr mobilfunkorientiert und gegen
Meistgebot vergeben werden wird. Schließlich wird die Vergabe ausgeschrieben, obwohl die BNetzA selbst noch nicht geklärt hat, welche Störungen von der neuen LTE-Netztechnologie auf den Kabel- und DVBFernsehempfang ausgehen. Alles also nach der Devise: Augen zu und durch?

Zum Hintergrund: Bund und Länder hatten sich in einem von BMWi-Staatssekretär Pfaffenbach und rheinland-pfälzischen Staatskanzleichef Stadelmeier ausgehandelten Kompromiss darauf verständigt, das ehemals vom analogen Rundfunk genutzte Frequenzspektrum, die „digitale Dividende“, zur Vergabe durch die BNetzA verfügbar zu machen. Das Spektrum soll insbesondere für die Breitband-Internet-Versorgung in unterversorgten ländlichen Gebieten dienen. Ein forcierter Ausbau der Breitbandversorgung ist ein prominenter Teil der Breitbandinitiative der Bundesregierung, die deshalb auch an einem beschleunigten Vergabeverfahren interessiert ist und der BNetzA wohl den Rücken stärkte. Die Niederwellen-Frequenzen der digitalen Dividende eignen sich besonders gut für die Flächenversorgung dünn besiedelter Gebiete und benötigen z.B. nur etwa halb so viele Antennenstandpunkte wie Frequenzen oberhalb von 1 GHz.

Der Netzaufbau und –unterhalt ist daher im800 MHz-Bereich viel kostengünstiger, auch lässt sich die Indoor-Versorgung besser darstellen. Deshalb sind diese Frequenzen auch bei den Mobilfunkunternehmen so begehrt, die sie insbesondere für den gestiegenen Bandbreitenbedarf im Datenverkehr und eine Verbesserung der Indoor-Versorgung nutzen wollen – aber kein gesteigertes Interesse an der teuren Versorgung ländlicher Gebiete haben. Die Lizenzbedingungen werden auf Verlangen der Länder allerdings detaillierte Versorgungsauflagen enthalten,  wonach die Netzversorgung zunächst in den bislang nicht mit Breitband versorgten Gebieten („White Spots“) sicherzustellen ist, bevor unterversorgte Regionen ausgebaut werden dürfen. Dicht besiedelte urbane Regionen, wirtschaftlich für die Netzbetreiber am lukrativsten, dürfen erst bedient werden, wenn die angestrebte  Versorgungsdichte in dünner besiedelten Prioritätsgebieten erreicht ist. Insgesamt sollen auf diesem Weg 90% der Bevölkerung bis zum Jahr 2016 mit mobilem Breitband versorgt werden können.

Weil nicht genügend 800 MHz-Spektrum für alle Interessenten vorhanden ist, will die BNetzA diese Frequenzen in einem Auktionsverfahren gegen Höchstgebot vergeben. Die Versteigerung wird im zweiten Quartal 2010 gemeinsam mit der Versteigerung weiterer Mobilfunk-Frequenzen im Bereich 1,8 und 2,6 GHz stattfinden. Insgesamt werden dann 360 MHz versteigert, mithin so viel Frequenzspektrum wie noch nie zuvor und wohl auch die nächsten 20 Jahre nicht mehr vergeben werden kann. Dies erklärt auch die Nervosität darüber, wie die Versteigerungsbedingungen ausgestaltet werden. Dabei stehen sich insbesondere die Interessen der beiden großen Mobilfunkunternehmen T-Mobile/Vodafone und der kleineren Anbieter O2 und E-Plus gegenüber. Aber auch die Interessen der Länder an einer möglichst zügigen Breitbandversorgung ländlicher Gebiete sind nicht unbedingt mit dem fiskalischen Interesse des Bundes an möglichst hohen Versteigerungserlösen vereinbar.

Die kleinen Anbieter – und mit ihnen die EU-Kommissarin Viviane Reding – befürchten langfristige Wettbewerbsnachteile, wenn sich die großen Anbieter über ihre größere Finanzkraft in der Versteigerung große Teile des wertvollen Spektrums sichern können. Es geht im Bereich 800 MHz um insgesamt 6 Frequenzblöcke mit jeweils 5 MHz Bandbreite, die einzeln ersteigert werden können.
Um die Chancengleichheit der Anbieter zu wahren, begrenzt die BNetzA die Anzahl der Frequenzblöcke, die Mobilfunkunternehmen erwerben können, unter Berücksichtigung des den einzelnen Anbietern schon
zustehenden Niederwellenspektrums im 900 MHz-Bereich über eine so genannte „Frequenzkappe“. Danach können T-Mobile und Vodafone jeweils nur zwei 5 MHz-Blöcke erwerben, weil sie jeweils schon über 12,5 MHz Spektrum im 900 MHz-Bereich verfügen.
E-Plus und O2 können jeweils drei 5 MHz Blöcke ersteigern (sie haben jeweils 5 MHz im 900er Band) und ein Marktneuling, der bislang nicht über Mobilfunkfrequenzen verfügt, könnte maximal vier 5 MHz Blöcke ersteigern. Technisch sind mindestens zwei 5 MHz Frequenzblöcke notwendig, um eine sinnvolle bundesweite Netzabdeckung mit einer ausreichenden Datenrate wirtschaftlich darzustellen. Bei der verfügbaren Anzahl von sechs 5 MHz Frequenzblöcken gibt es daher – bei dem jetzt vorgesehenen Auktionsdesign – ausreichend 800 MHz Spektrum nur für drei der vier in Deutschland aktiven Mobilfunk-Anbieter. Ein Anbieter wird zwangsläufig leer ausgehen und damit langfristig erhebliche strategische Wettbewerbsnachteile bei der Versorgung seiner Kunden erleiden. Angesichts der größeren Finanzkraft geht man davon aus, dass Vodafone und T-Mobile jeweils die zwei zulässigen Blöcke ersteigern werden, und dass E-Plus und O2 sich ein Bietgefecht um die verbleibenden zwei Blöcke liefern werden.
Im Ergebnis würde entweder E-Plus oder O2 keine der attraktiven Frequenzen erhalten und die erfolgreichen Bieter müssten einen „strategischen“, wohl unvernünftig hohen Preis für die Frequenzen zahlen. Derzeit wird mit einem Gesamterlös von über 5 Mrd. EUR für das verfügbare Spektrum gerechnet, die Erfahrung bei der  MTSVersteigerung
im Jahr 2000 lehrt aber, dass es leicht auch mehr werden kann.

Hier setzt die Kritik der kleinen Anbieter und der EU-Kommissarin an: Sie sehen einen Wettbewerbsnachteil der finanzschwächeren kleinen Anbieter und verlangen eine niedrigere Frequenzkappe von nur je 5 oder 7,5 MHz für T-Mobile und Vodafone mit der erwünschten Folge, dass sowohl E-Plus und O2 jeweils zwei Blöcke für einen erschwinglichen Betrag ersteigern können. Alternativ sollten T-Mobile und Vodafone verpflichtet werden, einen Teil ihrer Frequenzausstattung im Bereich 900 MHz verfügbar zu machen, damit auch dieser für Breitbandversorgung genutzt werden kann (sog. „Refarming“). Heute wird dieses bis 2016 lizenzierte Frequenzspektrum noch u.a. für Sprachtelefonie genutzt und benötigt.
Die BNetzA ist den Vorstellungen von EPlus und O2 aber nicht gefolgt und hat auch die von EU-Kommissarin Reding geäußerten wettbewerblichen Bedenken zurückgewiesen. Sie bleibt bei den bisherigen Frequenzobergrenzen, die zu einer künstlichen Verknappung des 800 MHz Spektrums führen (3 Lizenzen für 4 Anbieter) und einen hohen Versteigerungserlös erhoffen lassen.

Der Versteigerungserlös steht dem Bund und nicht den Ländern zu, obwohl er zum guten Teil aus dem frei gewordenen Rundfunk-Spektrum stammen wird. Angesichts der Haushaltslage ist es zwar nachvollziehbar, dass die Versteigerungsbedingungen auch mit dem Ziel einer Maximierung des Erlöses ausgelegt werden; immerhin sind die Frequenzen ein öffentliches Gut, das nicht unter Wert vergeben werden sollte. Aus Ländersicht stellt sich aber die Frage, ob das nun festgelegte Auktionsdesign nicht das Ziel einer möglichst schnellen Flächenversorgung mit Breitbandzugängen zu Gunsten eines hohen Auktionserlöses aus den Augen verliert.
Es liegt auf der Hand, dass ein hoher für die Frequenzen gezahlter Preis nicht mehr in den Netzausbau investiert werden kann. Nach der UMTS Auktion fehlten den Unternehmen die Finanzmittel für einen zügigen Netzaufbau, und einige Bieter mussten ganz aufgeben (Quam, Mobilcom) mit dem Ergebnis eines sich abschwächenden Wettbewerbs.
Die Kunden mussten über die höheren Preise letztlich die Zeche zahlen.

Heute ist das Versteigerungsdesign von vornherein nur auf drei Lizenznehmer ausgelegt. Die BNetzA nimmt also in Kauf, dass einer der vier deutschen Mobilfunkanbieter leer ausgeht und damit langfristig nicht wettbewerbsfähig bleiben kann. Die Kapitalmärkte werden das entsprechend sanktionieren mit der Folge, dass es zu einer Übernahme
des so geschwächten Kandidaten kommen könnte. Darf der Regulierer über die Frequenzversteigerung eine Marktkonsolidierung provozieren oder jedenfalls in Kauf nehmen, um den Versteigerungserlös zu maximieren? Das wäre jedenfalls kurzfristig gedacht und kann dem Bund-Länder Kompromiss über die digitale Dividende nicht gerecht werden.

Auch wenn die Frequenzen knapp sind, müssen die Mobilfunker keineswegs zwangsläufig in einen ruinösen Bieterwettbewerb getrieben werden. Die BNetzA müsste nur zwei der sechs 800 MHz Blöcke für einen unabhängigen Bieter reservieren, der ein offenes Netz für alle Interessenten anbieten müsste und zu einem forcierten Netz-Ausbau verpflichtet wird. Ohne dem Bieterwettbewerb der Mobilfunkunternehmen ausgesetzt zu sein, müsste dieser Bieter dann erheblich weniger für die Lizenz aufwenden, so dass ausreichendes Investitionsvolumen für den Netzausbau in
ländlichen Gebieten zur Verfügung steht. Mobilfunkunternehmen, die bei der Versteigerung der übrigen Blöcke nicht zum Zuge kommen, könnten ihre Kunden über das Netz des unabhängigen Betreibers versorgen.
Ihre Wettbewerbsfähigkeit bliebe gesichert, so dass eine Konsolidierung nicht forciert würde. Ein unabhängiger Netzbetreiber würde auch im eigenen Interesse den Zugang für Service-Provider ermöglichen, der beim heutigen Design der Versteigerung und der Lizenzbedingungen nicht vorgesehen ist. Service-Provider wie United Internet sind aber erfahrungsgemäß erfolgreich in der Vermarktung von Internet-Anschlüssen, auch wenn sie sich fremder Infrastruktur bedienen müssen. Sie würden den Preiswettbewerb anfachen und damit helfen, die  Breitbandpenetration in der Fläche zu erhöhen.

Was die BNetzA versäumt – oder im Interesse der Versteigerungs-Erlösmaximierung bewusst außer Betracht gelassen hat, kann durch vernünftiges Verhalten der Mobilfunkunternehmen auch auf der Grundlage des nun beschlossenen Versteigerungsdesigns noch erreicht werden (darauf hat auch BNetzA-Präsident Kurth hingewiesen): Ein unabhängiger Bieter – oder ein von den kleinen Mobilfunkunternehmen gestütztes Konsortium – könnte zwei 5 MHz Frequenzblöcke ersteigern und dann den nicht selbst bietenden Mobilfunkunternehmen und anderen Nachfragern (Service Provider) als offenes Netz zur Verfügung stellen. Die Bedingungen können schon vorab vereinbart werden. Von dem unabhängigen Bieter ersparte Versteigerungserlöse könnten forciert in den Netzausbau investiert werden, damit die ländlichen Gebiete noch schneller versorgt werden als in der BNetzA-Versorgungsauflage vorgesehen.

Die Geschichte muss sich also nicht zwangsläufig wiederholen, wenn das Gedächtnis der Mobilfunkunternehmen zehn Jahre zurück reicht und noch nicht vergessen wurde, dass der Bund in der letzten großen Frequenzauktion zwar knapp 100 Milliarden DM eingenommen hat (wo ist das Geld eigentlich geblieben?), damit allerdings einige Anbieter in den Ruin trieb und die ganze Branche über Jahre in eine Schockstarre versetzt hat. Wirklich unverständlich ist nach allem, warum sich die Länder eigentlich auf ein solches Verfahren zur Vergabe der ehemaligen Rundfunkfrequenzen eingelassen haben. Sie haben nichts vom Versteigerungserlös, sondern dürften wieder jahrelange Gewerbesteuerausfällen erleiden, die durch die versteigerungsbedingten Verlustvorträge der Mobilfunk-Unternehmen entstehen werden. Die Kommunen werden den Netzausbau auf dem Land zudem noch erheblich subventionieren müssen.

Über den Autor Dr. Christoph Wagner:

  • Studium der Rechtswissenschaften
  • Seit 1991 Rechtsanwalt und seit 2000 Notar
  • Von 1991 bis 1995 als Anwalt tätig und von 1996 bis 2000 als Partner bei Oppenhoff & Rädler
  • Seit 2001 Partner im Berliner Büro der Sozietät Hogan & Hartson Raue. Davor war Christoph Wagner für die Berliner Medienanstalt, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament tätig
  • Von 2002 – 2007 (Ersatz-) Mitglied der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)

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