Trendmonitor 2019. Buchmarkt im Umbruch. Die Jugend kauft keine Bücher mehr

Buchmarkt im Umbruch. Die Jugend kauft keine Bücher mehr

Dezember 2018. Jahrelang hatten die Buchverlage selbstbewusst darauf verwiesen, dass die vielgepriesenen E-Books in Deutschland weder relevante Marktanteile noch Umsätze erzielen würden. Die digitale Revolution fand nicht statt. Vielleicht auch deshalb, weil aufgrund der Buchpreisbindung E-Books nicht günstiger als Gedrucktes waren und sind. Doch dem analogen Beharren folgt die Erkenntnis, dass es gar nicht um den Shift vom klassischen zum elektronischen Buch allein geht. Die Branche hat die Digitalisierung bisher lediglich besser überlebt als andere. Das aber scheint inzwischen vorbei.

Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia © Goldmedia
Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer Goldmedia © Goldmedia

Die ungebrochene Popularität von Buchmessen oder Millionenauflagen von Bestsellern können nicht darüber hinwegtäuschen: Mittlerweile kaufen immer mehr junge Menschen überhaupt keine Bücher mehr – dafür zahlen die Älteren immer höhere Preise pro Buch. Bei den 20- bis 49-Jährigen sank zwischen 2011 und 2016 die Zahl der Buchkäufer um fast ein Drittel (32%) – der Durchschnittspreis pro Buch stieg im gleichen Zeitraum um etwa fünf Prozent (GfK). Insgesamt werden also immer weniger Bücher verkauft, dafür steigt der Einzelpreis. So bleibt der Markt scheinbar stabil. Eine Digitalstrategie ist das aber nicht.

Das Risiko bleibt: Jüngere Menschen sind offenbar immer weniger bereit, längere Texte zu lesen. Es ist ihnen schlicht zu anstrengend oder zu zeitraubend. Stattdessen wird immer mehr in immer kürzeren Häppchen auf dem Smartphone konsumiert. Davor warnt nicht nur der deutsche Lehrerverband,[1] auch die Stiftung Lesen kam Mitte 2018 zu ähnlichen Ergebnissen: Junge Menschen greifen statt zu Zeitschrift oder Buch – wenig überraschend – zum Smartphone und scrollen sich durch E-Mails, Textnachrichten und Webseiten.[2] Jüngere lesen vielleicht nicht weniger, dafür aber deutlich anders.

Die Erkenntnis ist nicht neu, dass ganz offensichtlich die Bedeutung des Buches sinkt, sowohl als Unterhaltungsmedium wie auch als Medium der Wissensvermittlung und als Kulturgut – gerade bei den jüngeren Nutzern. Gleichzeitig fehlen offenbar weiterhin passende Angebote, welche die Bedürfnisse vor allem der unter 50-Jährigen bedienen. Ohne neue Ideen und Konzepte droht der Buchmarkt daher weiter zu schrumpfen.

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Ausgaben im deutschen Buchmarkt, Entwicklung Anzahl Buch-Käufer,© Goldmedia 2018

Der Buchmarkt muss den Lesern hinterher. Mehr Lesungen und Leseecken reichen da nicht

2019 wird deshalb das Jahr, in dem die Buchverlage noch konsequenter Angebote für die Zukunft planen müssen, damit sie nicht ganze Generationen an Lesern verlieren. E-Books doch billiger anbieten? Neue Abomodelle starten? Billigbücher? – Alles schwierig in Zeiten der Buchpreisbindung. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Chancen und Herausforderungen, über die es weiter nachzudenken lohnt.

Auf Lesereise in Sachen Digitalisierungsstrategie. Antworten gesucht

  • Wie erfolgreich und nachhaltig sind Crossmarketing-Ansätze: Wie viele erfolgreiche TV-Shows und Filme lassen sich als Buch vermarkten?
  • Wie nachhaltig sind Flatrate-Modelle, wie z.B. Amazon Unlimited?
  • Lässt sich der Trend zum Self-Publishing nutzen oder beeinflussen?
  • Sind Blogger in all ihren Ausprägungen die neuen Autoren? Und dank Website bzw. Social Media auch gleich die neuen (Selbst-)Verlage?
  • Wie wirksam sind Erfolgsprognosen auf Basis von KI-Systemen in der Verlagswelt? Könnten dadurch Kosten eingespart oder die Zahl der Flops reduziert werden?
  • Welche Chancen für das Sachbuch stecken in Diensten wie bspw. SummarizeBot, MetaMind, GetDigest oder Resoomer, die automatisiert Zusammenfassungen von Texten erstellen können?
  • Welche Chancen entstehen durch automatisierte Textgenerierung, wie sie AX Semantics, Retresco oder Narrative Science bereits anbieten?
  • Sind Hörbücher eine Option für jüngere (und ältere) Langlese-Verweigerer? Aber warum schrumpfte dann der Markt – von 85 auf 80 Mio. EUR von 2016 zu 2017 (BMVI)[3] ?
  • Welche Bedeutung haben smarte Assistenten wie Alexa oder der Google Assistant für das Vorlesen von Büchern?
  • Welche Bedeutung steckt im Thema Blockchain für die Buchverlage? Lassen sich digitale Inhalte damit in Zukunft einfacher monetarisieren?

Die deutschen Fachverlage haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es auskömmliche Modelle der Refinanzierung auch im digitalen Zeitalter geben kann, indem sie bspw. Datenbanken und Inhalte online vermarkten. Für die klassischen Buchverlage aber wird die Frage, wie man die erkennbare Markt-Erosion aufhalten kann, immer dringlicher. Ansätze gibt es viele – was aber den Buchmarkt nachhaltig stärkt, wird sich im kommenden Jahr zeigen.

Prof. Dr. Klaus Goldhammer, Geschäftsführer und Partner Goldmedia GmbH

Der Artikel ist Teil des Goldmedia Trendmonitors 2019. Goldmedia gibt im Trendmonitor alljährlich in Form von Analysten-Kommentaren einen Ausblick auf relevante Trends in den Bereichen Medien und Entertainment, Internet und Telekommunikation des kommenden Jahres in Deutschland. www.Goldmedia.com

Anmerkungen
[1] https://www.huffingtonpost.de/2017/07/21/lehrerverband-warnt-schuler-und-studenten-konnen-langere-texte-nicht-verstehen_n_17549466.html
[2] https://www.waz.de/staedte/muelheim/muelheimer-schulen-bemerken-ein-anderes-leseverhalten-id215414545.html
[3] Bundesverband Musikindustrie e.V./ GfK Entertainment (2018), p. 12 and p. 11, online: http://www.musikindustrie.de/fileadmin/bvmi/upload/02_Markt-Bestseller/MiZ-Grafiken/2017/BVMI_ePaper_2017.pdf

Mehr Infos zum Goldmedia Trendmonitor 2019

 

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