Trendmonitor 2018. Disruption durch die Blockchain. Von Plattformanbietern ist Weitsicht gefragt

Disruption durch die Blockchain – Von Plattformanbietern ist Weitsicht gefragt

Trendartikel von Hannah Reuter

07. Dezember 2017. Das Buzzword Blockchain geistert schon seit Jahren durch die digitale Welt, und Experten sind sich darin einig, dass diese neue Technologie das Internet, so wie wir es bisher kennen, grundlegend verändern wird. Nicht zuletzt wegen der wohl bekanntesten Blockchain-Anwendung, der Kryptowährung Bitcoin, liegt der Fokus der Öffentlichkeit bislang zumeist auf der Finanzwelt. Doch auch in der Medienindustrie wird die Blockchain dem ein oder anderen Platzhirschen einiges abverlangen. Daher sind 2018 Ansätze und Konzepte gefragt, um der bevorstehenden Disruption rechtzeitig zu begegnen.

Hannah Reuter, Consultant Goldmedia, © Goldmedia
Hannah Reuter, Consultant Goldmedia, © Goldmedia

Die Blockchain-Technologie macht es bekanntlich möglich, Geschäfte direkt miteinander zu tätigen –  ganz ohne einen Mittelsmann, der für seine Leistungen Gebühren einbehält. So hat die Popularität der Kryptowährung Bitcoin die Notwendigkeit der Banken als vertrauensgebende Instanz grundsätzlich infrage gestellt. Es scheint jedoch, als habe sich die Branche rechtzeitig der Gefahr gestellt und die neue Technologie als Chance erkannt. Etliche Player der Finanzwelt arbeiten im Rahmen des sogenannten R3 Consortiums an eigenen, Blockchain-ähnlichen Ansätzen, die kosteneffizientere und schnellere Transaktionen ermöglichen und somit enorme Einsparungspotenziale bieten.

Kein Buch mit sieben Siegeln

Um zu verstehen, warum die Blockchain bestehende Geschäftsmodelle attackiert, dient der Blick auf ihre grundsätzliche Funktionalität. Die Blockchain wird oft mit einem Buch verglichen, in das viele Informationen inklusive Zeitstempel eingetragen und miteinander verknüpft werden. Daraus bildet sich eine Kette („chain“) an Einzelinformationen, die ab einer bestimmten Größe geschlossen wird – ein „block“ entsteht. Die Blöcke reihen sich aneinander und werden zur Blockchain. Neben dieser besonderen Art der Verschlüsselung basiert ihre Sicherheit zusätzlich auf dem dahinterliegenden Peer-to-Peer-Netzwerk: Die Daten befinden sich auf keinem zentralen Server, sondern liegen in zahlreichen Kopien lokal, auf vielen einzelnen Rechnern, in einem Netzwerk. Eine Transaktion etwa geschieht so direkt von Rechner zu Rechner. Die Information darüber wird als neuer Eintrag verbucht – und zwar auf allen Rechnern im Netzwerk der Blockchain. Eine Veränderung der Information würde das Hacken von jedem einzelnen Rechner im Netzwerk voraussetzen, was ab einer bestimmten Anzahl von Geräten nahezu undenkbar ist. Je größer das Netzwerk, desto sicherer die Blockchain.

Intermediäre in der Medienindustrie müssen aufpassen

Auch in der Medienindustrie gibt es Intermediäre, deren Rolle sich gravierend wandeln wird. So ist der umfassende Schutz der Urheber- und Vertriebsrechte ein Dauerproblem der Medienwelt seit es das Internet gibt. Plattformanbieter wie Spotify etwa schafften es schließlich, durch ein einfaches Abomodell sowie eine große Musikbibliothek die Piraten zu zahlenden Nutzern zu machen. Jedoch sind die Vergütungsmodelle nicht für alle Parteien vorteilhaft und gerecht, und insbesondere für den Künstler bleiben die Zahlungsströme intransparent. Die britische Musikerin Imogen Heap hatte daher die Idee zu Ujo Music, einem blockchain-basierten Ökosystem, das mit Hilfe von Smart Contracts digitale Rechte verwaltet und automatisiert ausführt. Im Code ist hinterlegt, wie viel welcher Hörer für seine Interaktion mit dem Song bezahlen muss. Auch die Bezahlung in Form einer Kryptowährung wird automatisch ausgelöst und der gesamte Prozess in der Blockchain gespeichert.

Analog wäre auch ein Ökosystem aus Videoinhalten vorstellbar. Heute schafft es kein VoD-Anbieter, alle Top-Serien gleichzeitig auf seiner Plattform zur Verfügung zu stellen. Daher abonnieren viele Nutzer mehr als nur einen Service oder greifen im Einzelfall auf eine illegale Option zurück. Denkbar ist, dass Studios und unabhängige Filmemacher ihre Assets künftig in völlig neuen Ökosystemen auf direktem Weg zur Verfügung stellen. Über etliche Mikro-Payments würden die Urheber fair und transparent entlohnt, während der Nutzer nur für das bezahlt, was er tatsächlich konsumiert.

Heute die Weichen für die Zukunft stellen

Ob Musik, Video, Text oder Bild – das Disruptionspotenzial der Blockchain in der Mediendistribution ist riesig. Und erste Reaktionen sind auch bereits zu beobachten: Der TV-Sender Welt der Wunder etwa verkündete zuletzt, in Kooperation mit Swisscom und SRG eine eigene Kryptowährung einzusetzen. Diese soll auf einer neuen Plattform zum internationalen TV-Rechtehandel von Bewegtbildern als Zahlungsmittel dienen und mit Hilfe von Smart Contracts gängige Vertragsarten automatisieren. Und auch der Streaming-Anbieter Spotify akquirierte in diesem Jahr ein Start-up, welches sich auf die Blockchain-Technologie spezialisiert hat.

Laut einer aktuellen Umfrage des Bitkom zum Stand der Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft (Bitkom 11/2017) sind 55 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass die Blockchain in der Zukunft eine große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft hat. Jedoch beschäftigen sich gerade einmal zwei Prozent bereits mit eigenen Projekten oder planen solche.

Auch wenn es also noch einige Jahre dauern wird, bis sich die Technologie im Markt durchsetzt – Plattformanbieter sollten solche Entwicklungen genau verfolgen und im Jahr 2018 an eigenen Einsatzmöglichkeiten der Blockchain feilen.

Hannah Reuter, Consultant Goldmedia

Der Artikel ist Teil des Goldmedia Trendmonitors 2018. Goldmedia gibt im Trendmonitor alljährlich in Form von Analysten-Kommentaren einen Ausblick auf relevante Trends in den Bereichen Medien, Internet und Telekommunikation des kommenden Jahres in Deutschland. www.goldmedia.com/trendmonitor-2018

 

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