Die Mehrzahl der kleinen Kinos kann bis Ende nächsten Jahres digitalisiert sein. Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher, im Gespräch mit promedia

Johannes Klingsporn
Johannes Klingsporn

„Für die kleineren Kinos ist das Problem gelöst“

Die Digitalisierung der kleineren Kinos wird inzwischen in nahezu allen Bundesländern gefördert, Im Durchschnitt kostet eine Umrüstung pro Kinosaal auf 2D ca. 70.000 Euro. Etwa 80 Prozent davon werden durch Mittel des Bundes, der FFA, der Länder und der Verleiher gefördert. Mit einer Treuhandvereinbarung, die die FFA mit den Filmverleihern abschließen will, soll nun auch die Vorfinanzierung der Umrüstungskosten bei den kleinen Kinos gewährleistet sein. Bei den großen Kinos sieht die Finanzierung schwieriger aus, weil die Förderung deutlich geringer ist. Jedoch hoffen die Verleiher, dass bis Ende des Jahres auch für diese Kinos ein Finanzierungsmodell gefunden wird.

promedia: Herr Kingsporn, wie hoch ist mittlerweile der Anteil der Filme, die ausschließlich digital in die Kinos kommen?
Johannes Klingsporn:
Der Anteil liegt noch bei unter 10 Prozent. In einem Jahr wird das ganz anders sein.

promedia: Was ist dafür ausschlaggebend, dass sich das in einem Jahr so schnell verändern wird?
Johannes Klingsporn:
Die Abspielbasis. Bei der muss man auch berücksichtigen, dass beim Blockbuster Markt bereits zwei Teilmärkte existieren: Zum einen die großen Filme, die in allen Kinos laufen können – auch in Arthouse Kinos. „Harry Potter“ ist ein Beispiel für einen Film, den man auch in vielen Filmkunsthäusern finden wird. Und zum anderen der Markt für das breitere Publikum. Und dann gibt es den Bereich von Filmen, die man nur im Arthouse-Bereich findet. Im Augenblick ist dort die digitalen Umrüstungen im Vergleich zu den größeren Kinos eher zurückhaltend. Aber das wird sich unseres Erachtens schnell durch die Fördermöglichkeiten im Kriterienkinobereich ändern. Dazu zählen auch viele Häuser, die im Arthouse Markt verankert sind. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist die Budgethöhe bei der Filmvermarktung, die im Arthouse Markt eher begrenzt ist, das heißt auch unter 200.000 Euro liegen kann und bei vielen ganz kleinen Filmen sogar unter 100.000 Euro. Damit hat man vergleichsweise wenig Geld um den Endkunden zu erreichen. Man kann das Budget immer in Media- und Non-Mediakosten gliedern. Mediakosten sind die Kosten die man aufbringen muss, um den Endverbraucher zu erreichen. Non-Mediakosten sind jene Kosten für Technik, Kopien – sei es digitale oder analoge – und ähnliches. Bei diesen kleinen Budgets ist der Anteil der Non-Mediakosten sehr hoch. Damit kann man es sich gar nicht leisten, einen Film hybrid auszuliefern, also in analoger und digitaler Fassung. Hat man genügend digitale Abspielplattformen wird in diesem Marktsegment – das ist meine These – zunächst einmal ein Schwenk hin zur digitalen Ausrüstung führen. Weil das in den nächsten drei Jahren ein Problem darstellen wird, müssten für diese Übergangsphase zusätzliche Zuschüsse freigestellt werden, um für diese Art von Filmen einen Hybridbetrieb zu ermöglichen.

promedia: Woher kommt dieser Druck auf die Arthouse Kinos?
Johannes Klingsporn:
Es gibt kaum noch Arthouse Kinos, die nur die ganz kleinen Filme spielen. Keines dieser Kinos kann es sich erlauben, Filme aus dem Programm der Top-Ten-Verleiher nicht zu spielen. Ein Großteil des Angebots wird nicht in Frage kommen, aber zwei bis drei Filme werden immer wichtig sein. Ein Beispiel dafür ist „The Tree of Life“ von Concorde, ein klassischer Independent Arthouse Film aber eben mit einem breiteren Anspruch. Natürlich spielen Concorde und andere Independent Verleiher in einer Liga in denen sie alle Marktsegmente bedienen müssen mit der Folge, dass sie keine andere Chance haben, als einen standardisierten Digitalisierungsweg zu gehen.

promedia: Das hat dann aber auch Konsequenzen für die Verleiher und Produzenten…
Johannes Klingsporn:
Selbstverständlich. Denn wenn die Kinos in diesem Segment nicht umrüsten, werden die Filme auch nicht digital ausgewertet, bleibt es in diesem Bereich bei der analogen Auswertung. Das Kernproblem bei kleinen Budgets ist, dass man Hybridbelieferung wahrscheinlich nicht finanzieren kann und der Verleiher entscheiden muss, ob man das Eine oder das Andere macht, vor allem dann, wenn das Ausgangsmaterial nicht in digitaler und analoger Form vorliegt. Dann hat man nur ein Ausgangsmaterial und muss als Verleih das Material entweder analog oder digital umformatieren. Damit entstehen Zusatzkosten, die man mit den bestehenden Budgets nicht darstellen kann.

promedia: Anfang des Jahres hat der Bund die Förderung für die sogenannten Kriterienkinos in die Wege geleitet.  Wann fließt nun endlich das Geld aus der BKM- und FFA-Förderung?
Johannes Klingsporn:
Solche Verwaltungsprozesse brachen ihre Zeit, aber wir sind jetzt fast soweit. Am 28.01. 2011 trat die Digitalisierungsverordnung für die FFA-Mittel in kraft, am 11.02.2011 die Fördergrundsätze für die BKM-Mittel.. Auf dieser Basis hat der FFA- Verwaltungsrat 15 Millionen Euro für diese Kinos zur Verfügung gestellt. Parallel gab es intensive Verhandlungen zwischen unserem Verband, dem BKM und der FFA über eine sogenannte Treuhandvereinbarung. Dabei fungiert die Filmförderungsanstalt als doppelter Treuhänder, indem die Filmförderanstalt einen Fonds auflegt, der durch VPFs gespeist und immer dann fällig wird – und zwar in den ersten drei Wochen nach Kinostart – wenn eine Verleih ein Kriterienkino beliefert. Im März hat der FFA- Verwaltungsrat prinzipiell den Vorstand der FFA bevollmächtigt, seine Treuhandvereinbarung mit den Verleihern abzuschließen. Dann musste das Ganze noch mit anderen FFA Gremien sowie der Rechtsaufsicht der FFA – dem BKM – abgesprochen werden. Ende Juni  hat die FFA die Treuhandvereinbarung an alle Verleiher in Deutschland ausgeliefert. Ich hoffe, dass diese sie in den nächsten Wochen gegenzeichnen.

promedia: Das heißt, im Sommer könnte das Geld fließen?
Johannes Klingsporn:
Genau. Für die kleineren Kinos ist das Problem gelöst. Wir haben ein System und wie ich finde eine unglaublich gute Lösung gefunden, weil damit die Umrüstung in der Regel unter 20 Prozent Eigenbeteiligung liegt.

promedia: Es gibt eine Erklärung der Kino-Gilde, in der behauptet wird, die Verleiher seien gegenüber den kleineren Kinos bei der Unterstützung sehr zurückhaltend. Wie kommt diese unterschiedliche Sicht zu Stande?
Johannes Klingsporn:
Das ist mir auch ein Rätsel, weil Vertreter der AG Kino-Gilde von Anfang an auch bei diesen Diskussionen dabei waren. Sie kennen auch die Treuhandvereinbarung. Die Schwierigkeit, die die AG Kino damit hat – wobei ich das eher als ein theoretisches und nicht als ein praktisches Problem sehe – ist die Frage nach dem ISO Standard. Im Treuhandverlag ist geregelt, dass der einzelne Verleih ein Wahlrecht hat. Er kann entscheiden ob er seine VPF nur zahlt, wenn er an ISO-standardisierte Kino ausliefert und er kann entscheiden, dass seine Mittel nur für die Umrüstung von ISO-Kinos verwendet werden dürfen. Tatsächlich ist es so, nicht nur bei der FFA- sondern auch bei den Länderförderungen, dass von den hunderten Anträgen, die dort schon eingegangen sind, alle den ISO Standard erfüllen. Das ist auch nachvollziehbar, weil die einzelnen Kinos die gesamte Produktpalette abspielen wollen. Diese Garantie hat man nur, wenn man dem ISO Standard folgt.

promedia: Durch die Treuhandvereinbarung muss also nicht jeder Kinobetreiber gesondert einen VPF-Vertrag mit einem Verleiher abschließen?
Johannes Klingsporn:
Ja, denn wir wollten das ganze Procedere möglichst einfach gestalten. Der Zuschuss der Verleiher kann maximal 13.000  Euro betragen. Das wird gezahlt, wenn die Umrüstkosten 70.000 Euro oder höher sind. Sind sie niedriger, ändert sich das pro Rate. Das wird so gestaltet sein, dass die 13.000 oder weniger als Zuschuss ausgezahlt werden. Doch bei dieser Konstruktion hat die FFA auf Basis der VPF noch keine Einnahmen erzielt. Deshalb ist es notwendig, dass die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit die FFA diese Zuschüsse vorfinanzieren kann. Entsprechende Beschlüsse hat der Verwaltungsrat inzwischen getroffen.

promedia: Lässt sich absehen, wie viel die Verleiher bis Ende des Jahres in die Umrüstung investiert haben werden?
Johannes Klingsporn:
Nein, das wissen wir noch nicht. Es müssen jetzt zwei Sachen passieren. Zum einen müssen die Verleiher unterschreiben. Aber letztendlich geht es auch nicht um Peanuts. Ich habe die Hoffnung, dass spätestens im Spätsommer ein Großteil der Verleiher unterschieben hat, denn das ist wiederum die Voraussetzung für die FFA, dass das Geld wieder zurückfließt. Dann wird auch die Auszahlung dieser Zuschüsse erfolgen können.

promedia: Wie sieht es mit 3D aus? Mit den 70.000 Euro kann doch nur eine 2D Digitalisierung finanziert werden…
Johannes Klingsporn:
Seit Jahren empfehlen wir den Theaterbetreibern dringend, Einkaufgemeinschaften zu bilden bzw. eine Systematik zu finden, damit nicht Einzelaufträge abgerufen werden, sondern Aufträge für einige hundert Anlagen, um Kosten zu sparen. Das ist bis heute nicht erfolgt. Deshalb hat die FFA PWC beauftragt, entsprechende Angebote einzuholen. Wir gehen davon aus, dass die  Digitalisierung für unter 60.000 Euro zu realisieren ist, plus Umrüstkosten. Die Digitalisierungsunterstützung konzentriert sich auf 2D. In der Praxis ist es zwar so ist, dass das Kino in 3D umgerüstet wird, aber anerkennungswürdige Kosten nur jene für die direkte 2D-Umrüstung sind.

promedia: Den Rest muss der Kinobetreiber aus Eigenmitteln aufbringen?
Johannes Klingsporn:
Ja, wenn noch ungefähr 20.000 Euro hinzukommen, muss er diese selbst finanzieren. Nun ist es aber so, dass es für 3D ein eigenes Businessmodell gibt, das die Refinanzierung durch höhere Eintrittspreise ermöglicht.

promedia: Wie ist der Stand bei den mittleren und größeren Kinos, die nicht zu den Kriterienkinos gehören und nicht von der FFA gefördert werden?
Johannes Klingsporn:
Wir haben versucht eine Regelung für den gesamten Markt zu entwickeln. Das ist gescheitert, weil es zur Art der Förderung keine einheitliche Auffassung der Kinobetreiber gab, die wir mit dem Europäischen Beihilferecht und der Wettbewerbsabteilung hätten diskutieren können. Mit dem Scheitern des französischen Modells, das unserem  Hunderter-Modell vergleichbar war, vor der dortigen Wettbewerbsbehörde,  haben wir unser Modell auch aufgegeben. Wir haben dann versucht ein neues Modell zu entwickeln, in dem der Bereich der Marktkinos mit dem Bereich der sogenannten Kriterienkinos verzahnt ist. Das wurde gemeinsam mit dem BKM sowohl mit der deutschen als auch der europäischen Wettbewerbsbehörde besprochen. Die haben das zunächst nicht abgelehnt aber haben uns verpflichtet nachzuweisen, dass das ohne Alternative sei. Diese Alternativlosigkeit darzustellen ist schwierig, so dass dieses Verfahren nur im Einvernehmen mit den  Third Parties geklärt werden konnte. Natürlich sagten die Third Parties zu, die Umrüstung mit zu finanzieren, wenn es staatliche Zuschüsse gibt. Damit war unser Modell nicht mehr „alternativlos“ und deshalb mussten wir für die Kriterienkinos eine isolierte Lösung finden. Die Marktkinos und die Verleiher  müssen andere Wege der Umrüstung finden. Dazu finden im Augenblick diverse Gespräche zwischen Verleihern, Kinobetreibern und Third Parties statt, in die der Verband nicht eingebunden ist. Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr konstruktive Lösungen gefunden werden, so dass Ende des Jahres für alle Kinos Finanzierungsmöglichkeiten für die digitale Umrüstung bestehen.

Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher (VdF)

Weitere Informationen: promedia

Johannes Klingsporn, Geschäftsführer des Verbandes der Filmverleiher (VdF)

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