Trendmonitor 2015: Disruption der Medienformate. Trend-Ausblick von Tim Prien

Disruption der Medienformate: Junge Nutzergruppen ziehen YouTube & Co. den klassischen Medienproduktionen immer stärker vor. TV-Macher können davon lernen

Tim Prien, © Goldmedia
Tim Prien, © Goldmedia

Ein Raunen geht durch die Pariser Konzerthalle Le Zenith, als die Stars endlich erscheinen. Sie heißen an diesem Abend jedoch nicht Lady Gaga, Kanye West oder Katy Perry. Auf der Bühne lassen sich zwei schlacksige Teenager-Teams feiern, die sich vor laufender Kamera live mit anderen Gamern aus aller Welt in „League of Legends“ – kurz „LoL“ messen. LoL, von Riot Games als schnelles, kompetitives Onlinespiel entwickelt, steht mit Zuschauerzahlen von bis zu 32 Millionen bei Spitzenevents für einen digitalen Paradigmenwechsel im Fernseh- und Videomarkt, der die Medienbranche erfasst hat und der sich 2015 noch stärker ausbreiten wird.

Online Gaming-Events mit einem Millionenpublikum sind heute schon kein Einzelphänomen mehr, sondern fester Bestandteil der Games- und Video-Branche. Ob in ausverkauften Stadien, millionenfach via Stream oder in Form von YouTube-Videos: Online Gaming-Formate erobern die jungen Zielgruppen. Durch Internetportale wie YouTube & Co. geraten traditionelle Unterhaltungsformate damit immer mehr aus dem Gleichgewicht. User-Generated Content (UGC) tritt bei Jugendlichen immer häufiger an die Stelle klassischer Medienproduktionen. So hat die erfolgreichste deutsche YouTuberin „Bibi“ inzwischen rund acht Mal so viele Abonnenten wie die Jugendzeitschrift „Bravo“. Und der beliebteste deutsche YouTube-Channel „Gronkh“ verzeichnet vier Mal so viele Suchanfragen wie alle YouTube-Channels der öffentlich-rechtlichen TV-Sender zusammen.

Etablierte Sendeformate müssen umgedacht werden, wollen sie am Puls der Zeit bleiben und weiterhin an den Werbeeinnahmen partizipieren. Die digitale Format(r)evolution durch Kanäle wie YouTube verschiebt nämlich nicht nur das Nutzerverhalten der (jungen) Zuschauer, sondern bietet auch viele neue Einnahmequellen und Werbemöglichkeiten. Die von sogenannten Multichannel-Networks wie Mediakraft immer aufwendiger produzierten UGC-Formate der YouTuber sind ein Millionengeschäft und von der Werbeindustrie längst angenommen.

YouTuberinnen wie die 19-jährige Bethany Mota alias „Macbarbie07“etwa, derzeit bekannteste Beauty-YouTuberin mit einer Anhängerschaft von über sieben Millionen Fans, verdient durchschnittlich 40.000 US-Dollar pro Monat. Bekannt geworden durch die Formate „Beauty Hauls“ und „What’s in my Bag“– Lifestyle-Videos mit Kauf-Tipps – sind die Haupteinnahmequellen der 19-Jährigen mittlerweile Sponsoringaufträge, die sie in ihren Videos unterbringt.

Die disruptive Popularität der Online-Formate lässt sich nicht nur an Millionen von Abonnenten messen, auch die aktuellen Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 stützen diesen Trend: 2014 entfielen bereits 20 Prozent der gesamten Bewegtbildnutzung der 19- bis 29-Jährigen auf Onlinevideos und TV-Sendungen im Internet. Laut Bitkom-Studie ersetzt bereits jeder dritte Nutzer von Video-Streaming ab 14 Jahren das klassische Fernsehen ganz oder teilweise durch Streaming-Angebote. Das entspricht gut 13 Millionen Bundesbürgern. (Nov. 2014) Angesichts dieser Zahlen müssen sich TV-Veranstalter in Deutschland darauf einstellen, ihre digitale Kompetenz weiter auszubauen und vor allem Jugendformate in den kommenden Jahren immer stärker von alten Plattformen zu entkoppeln, um sich unkonventionellem und weniger ästhetisiertem Content zu widmen.

Das Paradigma lautet Identifikation statt Professionalisierung. Junge Zuschauer können sich mit Formaten, die ihrem unmittelbaren (Er-)Leben entnommen sind, stärker identifizieren als mit Serienformaten aus den 1980er-Jahren oder artifiziellem Moderatoren-Pathos. Authentizität und Identifikation werden 2015 die wichtigsten Strategie-Säulen im deutschen Bewegtbildmarkt sein. Darauf müssen sich auch die klassischen TV-Anbieter einstellen.

Autor: Tim Prien, Consultant Goldmedia GmbH

Der Beitrag wurde bei kress.de als Gastbeitrag erstveröffentlicht.

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