Der Dritte Korb – was soll hinein?, promedia-Artikel von Prof. Dr. Johannes Kreile, Stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Sektion Fernsehen der Allianz Deutscher Produzenten

Die Novellierung des Urheberrechts in der 17. Legislaturperiode des Bundestages läuft unter dem Stichwort „Dritter Korb“. Die Bundesjustizministerin hat deutlich gemacht, dass für sie bei einer Novellierung vier Prämissen wichtig sind.

Das Recht muss die Selbstbestimmung der Kreativen sichern

– Die Novelle muss die Persönlichkeit und Individualität des Einzelnen beachten.

– Leistungsgerechtigkeit muss erzielt werden.

– Die neuen Regeln sollen die kulturelle Vielfalt sichern.

– Die Themen, die in den Dritten Korb hinein sollen, sind vielfältig.

Prof. Dr. Johannes Kreile
Prof. Dr. Johannes Kreile

Leistungsschutzrecht für Verlage

So soll das Leistungsschutzrecht für Verleger verankert werden, eine Forderung, die die Bundesregierung schon im Koalitionsvertrag verankert hat. Auf dem Weg dorthin sind wichtige Fragen des Schutzgegenstandes und des Anknüpfungspunktes für einen Leistungsschutz der Verlage zu klären, der dann auch die wirtschaftliche und organisatorische Leistungsfähigkeit der Verleger schützen soll. Geschützt werden soll nicht nur die Festlegung in Papierform, auch der elektronische Schutz, hier des Quellcodes eines Artikels wird diskutiert. Mit einem Verbotsrecht in Form eines Leistungsschutzrechtes könnten die Verleger dann künftig verhindern, dass ein Artikel aus ihren Onlineseiten unberechtigt auf anderen Seiten genutzt wird. In wie weit die Schrankenbestimmung des Urheberrechtes und die Teilhabe an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen ausgestaltet wird, ist im weiteren politischen Prozess zu klären.

Open Access

Eine weitere Forderung der digitalen Wissensgesellschaft ist der leichtere Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Bei der Notwendigkeit eines offenen Zugangs zu wissenschaftlichen Informationen muss zwischen dem Schutz der Verlage einerseits und dem freien Wissensaustausch andererseits eine urheberpolitische Entscheidung getroffen werden. Soll es für die Verlage eine Anbietungspflicht oder ein Zwangslizenzmodell geben, wonach der Verlag dann gezwungen wäre, seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Öffentlichkeit bzw. den Wissenschaftlern insgesamt zur Verfügung zu stellen und wenn ja, innerhalb welcher Fristen kann der Verlag sein Exklusivrecht beanspruchen. Auch die Ausgestaltung des Open Access als Zweitverwertungsrecht wird erwogen.

Weitersenderechte

Schon beim 1. und beim 2. Korb war die Frage der technologieneutralen Ausgestaltung Gegenstand der politischen Erörterung. Nunmehr zeichnet sich eine Mehrheit für eine technologieneutrale Ausgestaltung des § 20b UrhG ab, wonach jedwede Form der Weiterverbreitung eines Programms, unabhängig von der Wahl der technischen Mittel unter den Vergütungsanspruch des § 20b UrhG fallen soll, der über Verwertungsgesellschaften geltend zu machen ist. Gleichzeitig will der Gesetzgeber aber aller Voraussicht nach an der Abgrenzung zwischen Individualempfang und Weiterverbreitung in der Gestalt festhalten, dass er für Teilanlagen mit weniger als 75 Haushalten vom § 20b UrhG ausgenommen sind.

Kneipenrecht

Ein wichtiges Anliegen der privaten Fernsehveranstalter ist die Abgeltung für die öffentliche Widergabe auch in den Fällen, in denen kein Eintrittsgeld verlangt wird. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 UrhG erhalten die Sender derzeit keine Vergütung in denjenigen Fällen, in denen in einer Kneipe das Fernsehprogramm ausgestrahlt wird und kein Eintritt in die Kneipe verlangt wird. Mit einer Änderung des § 87 Abs. 1 könnte auch für diese Fälle eine Vergütungsregelung gesetzlich verankert werden.

Recht der Verwertungsgesellschaften

Reparaturbedarf ist bei der Neuregelung der Leermedien und Geräteabgabe gemäß § 54 ff. UrhG angesagt, hier geht es um Fragen der Transparenz und Prüfungsrechten, der Verbesserung der Möglichkeiten für Verwertungsgesellschaften, Tarife aufzustellen und für die Sendeunternehmen um die Frage, ob sie nicht nur als Filmhersteller, sondern auch als Signalhersteller im Sinne des § 87 UrhG an der Leermedien- und Geräteabgabe beteiligt sind.

Verwaiste Werke

Nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf nationaler Ebene wird diskutiert, ob eine Sonderregelung für sog. verwaiste Werke (orphan works) gesetzlich verankert werden soll. Im Kern geht es um die Frage, ob Nutzungen im Online-Bereich auch dann rechtlich zulässig ausgestaltet werden können, wenn einzelne Urheber- oder Leistungsschutzrechtsinhaber nicht ausfindig gemacht werden können und damit die Möglichkeit zum individuellen Rechteerwerb nicht besteht. Abzugrenzen ist dies von den sog. vergriffenen Werken im Buchbereich, bei denen beispielsweise Google in Amerika eine Digitalisierung ohne Zustimmung der Rechteinhaber vornehmen wollte. Bei den vergriffenen Werken stehen die Rechteinhaber fest und sind auffindbar. Dabei geht es im Wesentlichen um Fragestellungen, wie diese Werke, die printmäßig nicht mehr zur Verfügung stehen, Online zugänglich gemacht werden können. Die Verlage sehen hier individuelle Lizenzierungsmöglichkeiten.

Anders stellt sich die Rechtslage bei den sog. verwaisten Werken dar, bei denen der Urheber oder Leistungsschutzrechtsinhaber nicht mehr aufgefunden werden kann. Dies gilt auch bei den sog. teilverwaisten Werken, z.B. bei einem Spielfilm, bei dem mehrere Urheber noch bekannt und auffindbar sind, ein Urheber aber nicht mehr auffindbar ist und damit theoretisch die Auswertungsmöglichkeit für das Filmwerk im Online-Bereich blockiert wäre. Hier wird für ein sog. „extended collective licensing“ geworben, wonach Verwertungsgesellschaften gesetzlich autorisiert werden, solche Rechte wahrzunehmen. Ein Sender kann dann die fehlenden Rechte problemlos bei der Verwertungsgesellschaft erwerben und das Werk rechtmäßig auswerten. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, welche Vergütung hier gezahlt werden soll, sofern der Urheber sich zu einem späteren Zeitpunkt meldet, und wie die Gelder verwendet werden, wenn sich nach einem bestimmten Zeitablauf niemand meldet. Hier wird überlegt, das Geld für soziale und kulturelle Zwecke zur Verfügung zu stellen. Entsprechend der vergleichbaren Regelung des § 137l UrhG wird darüber hinaus ein Widerrufsrecht für die Urheber/Rechteinhaber vorgeschlagen, wobei strittig ist, ob dieses Recht uneingeschränkt oder mit einer bestimmten zeitlichen Limitierung eingeräumt werden soll.

Weiterer politischer Prozess

Nach insgesamt 4 Anhörungen im Jahr 2010 wird das Bundesjustizministerium im Frühjahr 2011 einen Gesetzentwurf fertigen, der auf all die aufgeworfenen Fragen des Dritten Korbes Antworten finden wird. Dabei lässt sich das Bundesjustizministerium von seinem hohen Anspruch eines umfassenden Schutzes der Urheberrechtsinhaber leiten und wird dabei auch die mahnenden Worte des Altbundespräsidenten Roman Herzog in seine Erwägungen einbeziehen: „Erbärmlich ein Eigentumsbegriff, der sich nur auf Sachgüter, Produktionsmittel und Wertpapiere bezieht und die Leistungen des menschlichen Geistes ausklammert. Erbärmlich eine Gesellschaft, die sich einen solchen Eigentumsbegriff leisten wollte.“

Autor: Prof. Dr. Johannes Kreile, Stellvertretender Geschäftsführer und Leiter Sektion Fernsehen der Allianz Deutscher Produzenten

Über Prof. Dr. Johannes Kreile

  • Geboren: 1958
  • Studium der Rechtswissenschaft, Betriebswirtschaft und Theaterwissenschaft
  • Seit 1987 Rechtsanwalt in München
  • Seit 2001 bei Nörr Stiefenhofer Lutz
  • Das Verzeichnis Best Lawyers zählt ihn zu den Best Lawyers Germany 2009 für Entertainment, Geistiges Eigentum und Medienrecht

Weitere Informationen: promedia

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