promedia-Interview mit Joel Berger, Managing Director MySpace Deutschland: Für Paid Content sehe ich mittelfristig keine Optionen bei MySpace

Interview mit Joel Berger, Managing Director, Fox Interactive Media Germany (MySpace Deutschland), promedia 9/2010

MySpace ist heute die Nummer neun der meistbesuchten Webseiten der Welt und hat über 120 Mio. Unique Nutzer monatlich, davon gut 72 Mio. in den USA. Das Unternehmen befindet sich nach den Worten seines Chefs Mike Jones in einem Transformationsprozess, überarbeitet weite Teile des Angebots und Revitalisiert die Marke. Myspace war einmal das größte Soziale Netzwerk der Welt, bevor es von Facebook überholt worden ist. Myspace will sich wieder stärker auf Content und Entdeckung konzentrieren und zudem stark in den Mobile-Bereich investieren. Schon heute finden rund 30 Prozent der Nutzer über Mobile-Web zum Netzwerk kommen. Sehr stark soll auch Gaming werden. Alle großen Spiele-Entwickler haben bereits Mitarbeiter von sich bei Myspace sitzen. Zur Entwicklung der deutschen MySpace-Seite und die regionalen Unterschiede in den jeweiligen Communities fragen an Joel Berger, Geschäftsführer von Myspace Deutschland.

Joel Berger
Joel Berger

promedia: Herr Berger, welche Rolle spielt Myspace heute im Konzert der deutschen Social Communities?
Joel Berger: MySpace hat in der letzten AGOF Reichweitenanalyse 7,35 Millionen Uniqiue User ausweisen können, und war damit vor studiVZ und den anderen beiden Communities der VZ Gruppe. Darüber hinaus hat MySpace mit seiner klaren Positionierung auf Musik und Lifestyle eine einzigartige Position im Markt – sowohl bei den Nutzern als auch bei den Werbungtreibenden. Für uns ist es nicht entscheidend der größte Anbieter zu sein, sondern Nutzern und Marken einen echten Mehrwert zu bieten, der über die reine Kommunikationsfunktion hinausgeht. MySpace Nutzer können neue Musik und Entertainmentinhalte entdecken und Brands können sich in diesem attraktiven Umfeld emotional und dialogorientiert darstellen.

promedia: Mit welchen Argumenten wollen Sie die User in Ihre Community „bringen“?
Joel Berger: Neues zu entdecken ist der zentrale USP für die Nutzer. Jede Woche gibt es eine Vielzahl von Albumpremieren, Videopremieren und anderen Dingen wie exklusive Events, Filme etc. Unsere Aufgabe ist es diese Inhalte mit denjenigen Nutzern zu verknüpfen, die sich dafür interessieren. Das funktioniert über Empfehlungen, virale Tools und Inhaltefilter, die mir als MySpace Nutzer mein persönliches Inhalteprogramm zusammenstellen.

promedia: Wer ist der durchschnittliche Nutzer von Myspace? Wie viel Zeit verbringt er in der Community?
Joel Berger: Nach AGOF ist unser Durchnittsnutzer 24 Jahre alt. Das Geschlechterverhältnis ist ausgewogen, ebenso wie andere soziodemographische Eigenschaften. Die meisten Nutzer kommen mehrmals die Woche wobei die Besuchsfrequenz bei Entertainmentangeboten naturgemäß niedriger ist als bei Kommunikationsmedien – auf Ihr Handy schauen Sie öfter als auf Ihren Fernseher.

promedia: Ihr weltweiter Chef Mike Jones hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass er sich auf die Kernzielgruppe der 13-34-Jährigen konzentrieren will. Trifft das auch auf Deutschland zu?
Joel Berger: In Deutschland sind es eher die 14-29-Jährigen was aber auf das Gleiche hinausläuft. Sie sind am Ehesten an Musik und Lifestyle interessiert und stellen auch eine interessante Werbezielgruppe dar.

promedia: Sind die Interessen von 14-Jährigen und 29-Jährigen nicht sehr unterschiedlich?
Joel Berger: Bei meinem früheren Arbeitgeber, MTV Networks, pflegten wir zu sagen: „It’s not an ageset, it’s a mindset“. Ein 14-jähriger Skateboarder hat mit einem 30-jährigen Skateboarder mehr gemeinsam als zwei 20-Jährige von denen einer ein Computer-Nerd ist, und der andere in einer Rockband spielt. Wir richten uns an entertainmentorientierte junge Erwachsene, die auch eine gewisse Multiplikatorfunktion in ihren peer groups haben.

promedia: Sie refinanzieren sich bisher durch einen Werbevertrag mit Google. Ist es auch denkbar, Paid-Content anzubieten?
Joel Berger: MySpace finanziert sich über Werbung. Sie sehen auf MySpace Deutschland auch Googlewerbung, aber für uns haben unsere integrierten Kampagnen mit den großen Marken aus Telekommunikation und FMCG bei weitem eine größere Bedeutung. Hinzu kommt ein kleiner Beitrag aus dem eCommerce, also Downloads, Konzertkarten und Merchadise. Für Paid Content sehe ich mittelfristig keine Optionen bei MySpace.

promedia: Welche Rolle werden dabei künftig Videos spielen?
Joel Berger: Die Videonutzung auf MySpace ist sehr ausgeprägt: wir waren die Ersten, die in Deutschland Webshows produziert haben („Candygirls“, „Markus Kavka“) und tun dies auch weiterhin. Hinzu kommen Musikvideos und lizensiertes TV Material sowie User-generated Content. Auch hier konzentrieren wir uns neben der Qualität der Inhalte in erster Linie auf eine persönliche Programmierung, z.B. indem ich angezeigt bekomme welche Videos meine Freunde gesehen haben, ob sie ihnen gefallen haben etc.

promedia: Wie wichtig wird die mobile Nutzung von  Myspace?
Joel Berger: In den USA sind bereits 30 Prozent der Zugriffe auf MySpace über ein mobiles Device. Dieser Trend ist in Deutschland noch nicht so ausgeprägt, aber wir haben eine recht volle Produktpipeline für iPhone, iPad und andere mobile Endgeräte. Interessant wird es sein die wirtschaftliche Bedeutung des mobilen Kanals zu entwickeln – im Moment liegt der Wert eines mobilen Nutzers noch unter dem eines Onlinenutzers.

promedia: Mike Jones hat angekündigt, dass der Games-Bereich ausgebaut wird. Warum ist das für die Perspektive einer Social Community wie MySpace so wichtig?
Joel Berger: Games sind für Communities eine direkte Erlösquelle über Cost-per-Install deals oder Erlösbeteiligungsmodelle. Die Spiele sorgen aber auch dafür, dass die Besuchsfrequenz und damit der Traffic der Community wächst. Für uns in Deutschland sind Games zusätzlich interessant, weil die beiden Gamesportale GIGA und IGN auch zu Fox Interactive gehören und wir sie vermarkten.

promedia: Erwarten Sie durch die Tablet-PCs besondere Impulse für die Nutzung von Videos und Games?
Joel Berger: Die Tablet PCs bringen den PC endlich ins Wohnzimmer. Worüber wir die letzten 10 Jahre gesprochen haben wird jetzt Wirklichkeit. Außerdem werden diese Geräte auch bisher unerschlossene Zielgruppen wie ältere Menschen und Kinder erreichen, die für Videos und Games affin sind. Beide Effekte werden die Usage von Games und Videos vorantreiben.

promedia: Es gab in letzter Zeit Kritik an der Datensicherheit von sozialen Netzwerken. Bleibt bei Myspace der User Herr über seine Daten?
Joel Berger: Mit Sicherheit. Es hat bei MySpace, im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken, bisher keine Lecks und Skandale gegeben, und wir arbeiten daran, dass das auch so bleibt. Wir haben gerade unsere Datenschutzbestimmungen und Einflussmöglichkeiten der Nutzer weiter verbessert und werden diese Entwicklung auch weiter vorantreiben.

promedia: Wird es bei Myspace einen digitalen Radiergummi geben?
Joel Berger: Ich glaube nicht, dass irgendjemand so genau weiß wie dieser Radiergummi aussehen soll. Fakt ist aber, dass der MySpace Nutzer seine Daten kontrollieren kann und wenn er sie löscht sind sie auch weg.

promedia: Wie sehen Sie die Zukunft der Social Communities?
Joel Berger: Die Idee der sozialen Vernetzung wird sich aus den Communities heraus bewegen und überall zu finden sein. Der Medienkonsum und das Konsumverhalten generell wird sich viel mehr danach ausrichten was mir meine Freunde explizit oder implizit empfehlen ohne, dass ich dazu die Community selbst besuchen muss. Beim Onlinehändler werde ich sehen was meine Freunde gekauft haben, und ob es ihnen gefallen hat, beim TV Programm ebenso und auch bei Restaurants oder Ferienzielen über die Check-In-Mechanik, die immer mehr Social Networks adaptieren. Dies sind tiefgreifende Veränderungen, deren Folgen noch nicht ganz abschätzbar sind: möglich ist zum Beispiel, dass sich durch dieses Phänomen eine neue Uniformität entwickelt und das Andersartige auf der Strecke bleibt. Offen ist auch ob sich durch die neue Vielzahl der schwachen Bindungen an die Community-Freunde das Verhältnis zu den stärker verbundenen Menschen ändert, und ob das gesellschaftlich wünschenswert ist.  In jedem Fall bleibt es spannend.

Über Joel Berger

  • Geboren: 19.Juni.1965
  • Studium Betriebswirtschaft
  • Nike Communications (New York)
  • 1992 – 2000 Director New Media bei Sony Music
  • 2000 – 2007 MTV Networks, Leiter des Bereichs Marketing & New Business Ausbildung
  • Seit 2007 Geschäftsführer MySpace Deutschland

Weitere Informationen: promedia

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