EPGs stellen neue Anforderungen an Verwertung von Programminformationen

Interview mit Christian Töpper, Geschäftsführer Presse-Programm-Service GmbH (pps)

Die Presse-Programm-Service GmbH (pps) ist einer der führenden Publishing-Dienstleister Europas bei  Programminformationen aus den Ressorts TV, Radio und Internet.  pps ist ein Tochterunternehmen der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, einer der größten Nachrichtenagenturen weltweit. Über 100 Tageszeitungen, Programmzeitschriften und TV-Supplements aus dem In- und Ausland nutzen die Leistungen von pps wie Programmdatenbereitstellung oder die komplette grafische und redaktionelle Erstellung von TV-Seiten. pps ist für nahezu alle großen Verlagshäuser in den deutschsprachigen Ländern sowie den Niederlanden und Frankreich aktiv. Das Leistungsspektrum reicht von Basisdiensten wie TV-Datenzulieferung und Redaktion bis hin zu Aufbau und Betrieb von kundenpezifischen Content-Management-Systemen, Prozessentwicklung und Steuerung von Produktionsabläufen sowie dem Qualitätsmanagement von Kundenprozessen. Seit Anfang des Jahres werden die Film-Kino- und DVD-Empfehlungen und -Informationen auf moviepilot.de durch tagesaktuelle, redaktionell aufbereitete TV-Programminformationen von pps ergänzt.

Christian Töpper, Geschäftsführer pps
Christian Töpper, Geschäftsführer pps

promedia: Herr Töpper, die Zahl der Angebote in Fernsehen und Internet nimmt weiter zu. Wie behält man den Überblick?

Christian Töpper: Uns sagen 580 Sender, was sie gerade senden. Das ist in der Tat sehr unübersichtlich und deshalb müssen wir Strukturen schaffen, indem wir das Material sortieren, vereinheitlichen, Zuordnungen treffen und dann mit Hilfe von Software und qualifizierten Mitarbeiten übersichtlich gestalten. Auf Basis dieser Vorarbeit kann man daraus am Ende ein Printprodukt, ein elektronisches Produkt oder etwas für Mobile Devices machen.

promedia: Nun sitzen Sie zwischen zwei Stühlen: Auf der einen Seite wollen die Sender, dass ihre Angebote in den Medien platziert und verbreitet werden. Auf der anderen Seite gliedern sich die Kunden in spezielle Zielgruppen mit speziellen inhaltlichen Vorstellungen. Wie lässt sich beides in Übereinstimmung bringen?

Christian Töpper: Das ist relativ einfach: Wir leisten, wofür uns unsere Kunden – überwiegend Programmzeitschriften, Tageszeitungen und elektronische Medien – bezahlen. Dabei beachten wir natürlich die Regeln, die uns die Sender aufgeben. Das heißt z. B., dass wir dieVerschlagwortung so entwickeln, wie sie etwa eine „Bild“-Zeitung haben will und nicht wie ein Sender, beispielsweise RTL. Ebenso beschreiben wir Sendungen durch eine eigene Textredaktion und nicht zwingend so, wie die Sender es sich vorstellen.

promedia: Was geschieht mit den Pressetexten der Sender?

Christian Töpper: Wir nehmen die Pressetexte der Sender zunächst einmal entgegen, denn es gibt auch Kunden, die sie verwerten möchten. Für andere Kunden hingegen schreiben wir entweder eigene Texte oder, wenn die Sender es in ihren Bedingungen gestatten, überarbeiten die Texte der Sender.

promedia: Ihre Mutter, die dpa, steht vor einem Umstrukturierungsprozess und verdient nicht mehr so viel Geld mit dem Agenturgeschäft. Ist pps die „Cash Cow“ der dpa?

Christian Töpper: Die dpa ist ein kerngesundes, starkes und sehr fest verankertes Unternehmen und braucht uns nicht als „Cash Cow“. Wir steuern etwas zum Ergebnis der Gesamtgruppe bei, wie die anderen Tochterunternehmen der dpa auch. Aber unser Hauptbeitrag ist ein spezielles Segment der Mediendienstleistung, über das die dpa selbst nicht verfügt. Wir runden das Portfolio der dpa ab. Zum anderen ist unsere Organisationsform sehr technologieund kundengetrieben. Sie ist gegenüber der klassischen Redaktion sehr stark strukturiert – fast wie eine industrialisierte Medienproduktion. Wir nutzen der dpa deshalb auch dadurch, dass wir diese starke Prozessorientierung in die dpa-Gruppe hineintragen.

promedia: Die dpa hat mehrere Töchter. Wie sehen Sie Ihre Position innerhalb der Gruppe?

Christian Töpper: Wir haben fast keine Berührungspunkte mit der zentralen dpa-Redaktion, aber viele zu der neu gegründeten Technologietochter „dpa-mediatec“ und dem PR-Dienstleister „news aktuell“. Es gibt interessante Berührungspunkte zu „dpa-AFX“, der Wirtschaftsnachrichtenagentur mit Sitz in Frankfurt, und zum dpa-Vertrieb, weil wir zum Teil mit den gleichen Kundengruppen arbeiten.

promedia: pps bietet seit dem 1. Juni etwas Neues an: Programminformation für die Catchup-Angebote der deutschen Sender. Warum? Das Programm, das dort ausgestrahlt wird, ist doch in der Regel identisch mit dem „normalen“ TV-Programm.

Christian Töpper: Nicht nur die Zahl der Programmangebote nimmt zu, sondern auch die Zahl der Distributionswege. Es stimmt sicher, dass die Catch-up-Angebote meistens keinen genuin neuen Content darstellen, aber die Art und Weise des Empfangs ist ein anderer. Wir wollen unseren Kunden ermöglichen, einen Programmführer nicht nur im Hinblick auf das Sendeangebot selbst zu bieten, sondern auch auf die Verbreitungswege. Ein Programmführer wird in naher Zukunft auch Auskunft darüber geben, wo eine Sendung, die man auf ProSieben in der Primetime sehen kann, im Web unter welcher URL noch verfügbar ist.

promedia: Dafür musste man bisher nur auf die entsprechende Website des Senders gehen…

Christian Töpper: Unser neues Angebot wird perspektivisch noch viel mehr ermöglichen:  Zum Beispiel hat die „Tagesschau“ die komplette Nachrichtensendung in einzelne Kapitel untergliedert und damit detailliert suchbar gemacht. Oder einzelne Beiträge aus Talkshows werden durch Verschlagwortung auffindbar gemacht. So kam man, wenn man bei Google den amerikanischen Hirnforscher „Eric Kandel“ eingab, u. a. auf einen Ausschnitt einer „Beckmann“-Sendung, in der Kandel aufgetreten ist.
Die Nutzer bekamen genau den Ausschnitt angeboten, in dem Kandel zu sprechen begann. Mit dieser Funktion geht man weit über den Abruf der „Beckmann“-Sendung hinaus, was dem Zuschauer ein noch zielgerichteteres Auffinden von Inhalten ermöglicht.

promedia: Nach welchen Kriterien wählen Sie die Sender aus, die Sie in Ihre Programmübersichten aufnehmen?

Christian Töpper: Wir nehmen die Inhalte auf, die unsere Kunden verlangen. Wenn ein Kunde von uns einen unterfränkischen Regionalsender haben möchte, kontaktieren wir diesen Sender, bitten ihn um seine Programminformation und nehmen ihn bei uns auf. Sender, die unsere Kunden nicht haben möchten, schauen wir uns an, stellen sie vielleicht unseren Kunden in einem Mailing vor und fragen nach, ob sie an diesen Sendern interessiert sind.

promedia: Aus Deutschland gibt es im Internet inzwischen 400 bis 500 Web-TV-Angebote, wobei man schon wieder darüber diskutieren muss, was ein Web-TV-Sender ist. Was machen Sie mit diesen Angeboten?

Christian Töpper: Darum haben wir uns sehr intensiv gekümmert, gerade auch um solche Angebote wie die TV-Angebote großer Automobilfirmen, die ausgezeichneten Content bieten: Ein sehr gutes, hochwertiges, informatives und unterhaltendes Video-Angebot rund um Mobilität, Sport und die Ausprägung der jeweiligen Marke. Leider ist es so, dass erstens die elektronischen Programmführer und die Printprodukte diese Sender noch nicht aufnehmen möchten und zweitens die Kommunikation zu EPGs und Programmzeitschriften auf Seiten dieser Sender nicht im Fokus steht. Wir haben mit beiden Seiten gesprochen und sind leider nur auf geringe Resonanz gestoßen.

promedia: Angenommen, ein Internetportal möchte nicht nur Fotos zu Programmen zeigen, sondern kurze Bewegtbildausschnitte. Können Sie damit inzwischen auch dienen?

Christian Töpper: Nein, weil es von den Sendern, soweit wir es wahrnehmen, noch nicht in ausreichend strukturierter Form angeboten wird. Aber um dieses Thema kümmern wir uns gerade wieder. Die Themen „Catch-up-TV“ und „Trailer“, also die Anreicherung des bestehenden Fernsehprogramms um andere Informationsquellen, stehen bei uns weit oben auf der Agenda. Es nützt nichts, wenn man von einem Sender einmal für eine Prime-Time-Sendung einen Trailer erhält, denn damit kann kein EPG etwas anfangen. Wenn, dann muss es in einer planbaren und durch automatisierte Systeme unterstützten Art und Weise erfolgen. Das wird aber kommen.

promedia: Inwieweit sind Sie beim Thema EPG von der Auseinandersetzung zwischen Programmzeitschriften und den Sendern um Urheberrechte betroffen? Eigentlich sitzen Sie doch mittendrin.

Christian Töpper: Wir sitzen mittendrin und das ist manchmal keine besonders angenehme Sitzposition, weil wir mit beiden Parteien sehr gut zusammenarbeiten müssen. Wir erhalten unser Geld von den Programmzeitschriften, weshalb uns deren Interessen am stärksten am Herzen liegen. Auf der anderen Seite gibt es bei uns eine klare Politik, dass Urheberrechte akzeptiert werden müssen. Wenn die Sender neue Regularien einführen, müssen wir damit klarkommen. Wir haben mit den Sendern sehr frühzeitig darüber gesprochen. Da bleibt uns auch nichts anderes übrig, denn die Sender müssen immer wissen, was wir mit ihren Inhalten machen. Es ist natürlich unser erstes Interesse, unsere Kunden gut zu bedienen, aber wir müssen gleichzeitig sehen, dass wir eine vernünftige Zusammenarbeit mit den Sendern erreichen. Dieser Spagat ist uns bisher ganz gut gelungen.

promedia: Aber wenn die Sender verbieten, dass bestimmte Programminformationen an EPGs kostenlos geliefert werden, ist das doch für Sie ein Problem?

Christian Töpper: Nicht unbedingt, denn dann werden wir typische Fälle mit den Sendern diskutieren. Die Sender haben ein großes Verständnis dafür, dass ein EPG Programminformationen veröffentlichen muss. Wir haben da bisher in allen Fällen eine gute Lösung erzielt, aber wenn es zum Clash zwischen den Programmzeitschriften und den Sendern kommen sollte, müssen wir sehen, wie wir die Programmzeitschriften
weiter beliefern können, ohne uns immensen Prozessrisiken gegenüber den Sendern auszusetzen.

promedia: Die EPGs stehen noch in den Startlöchern einer massenhaften Nutzung und Verbreitung. Verringern sich damit nicht automatisch Ihre Kunden, wenn sich die Zuschauer nur noch über elektronische
Programmführer informieren?

Christian Töpper: Ich bin sicher, dass es weiter Programmzeitschriften geben wird, weil Papier bestimmte Vorteile hat, die ich bei den elektronischen Medien in absehbarer Zeit nicht sehe.

promedia: Aber die automatische Verknüpfung ist doch der Haupteffekt im Gegensatz zur Zeitung. Bei einem EPG muss man nur eine Funktion anklicken, kann speichern und abrufen. Also von der Information zur Nutzung eines Programms ist es nur ein kurzer Schritt…

Christian Töpper: Ja, aber man muss eben anklicken und speichern – das muss man bei einer Programmzeitschrift alles nicht. Eine Programmzeitschrift ist bequem, da muss ich nichts machen außer aufschlagen und lesen. Die Suche von Content  ist ein klarer Vorteil der elektronischen Medien, aber den bequemen, schnellen und großen Überblick bieten die Printmedien. Darüber hinaus ist die Welt der elektronischen Programmführer mindestens so vielfältig, wie die der Programmzeitschriften, deshalb ist mir bei der Zahl der Kunden auch für die Zukunft nicht bange.  EPGs sind auch ein schönes, spannendes, neues Geschäftsfeld und natürlich wird es zu Umschichtungen kommen: weniger Print, mehr Elektronik auf lange Sicht. Wir sind aber bei den elektronischen Medien so gut im Geschäft und wachsen derart stark, dass ich in dieser Hinsicht keine Bedenken habe.

Über Christian Töpper

Nach einer juristischen Ausbildung war er ab 1989 Vorstandsassistent bei der Axel Springer Verlag AG. Von dort aus ging er als Geschäftsführender Redakteur in die Chefredaktion der Berliner Morgenpost und hatte dort die Verantwortung für alle kaufmännischen und organisatorischen Belange. Anschließend übernahm er Verantwortung bei mehreren Internet-Projekten, zuletzt in der Geschäftsleitung von Cityweb Networks, einem Gemeinschaftsunternehmen von WAZ, Bertelsmann und Axel Springer. Seit 2000 ist er Geschäftsführer der Presse-Programm-Service GmbH.

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